Birgit Hebein ist Vizebürgermeisterin und will in Wien auch nach der Wahl weiterregieren.

Foto: Matthias Cremer

Deutlich waren die Worte, die Wiens Vizebürgermeisterin Birgit Hebein am Donnerstag gefunden hatte: "Ich habe die Partei zum größten historischen Sieg geführt", sagte die grüne Spitzenkandidatin. Mit einem "tollen Team" sei das passiert, und bei den Grünen feiere man Erfolge "immer gemeinsam". Ihren Kritikern, die vermuten, eine Rot-grüne-Neuauflage der Koalition sei nur ohne Hebein möglich, entgegnete sie: "Es ist das historisch beste Ergebnis. Wenn von der Seitenlinie Kommentare kommen, muss man sagen: Der Wahlkampf ist jetzt vorbei – also runter vom Gas, jetzt geht es um die Zukunft von Wien."

Eine Koalition ohne Hebein sei ausgeschlossen, sagte die Parteichefin klar: "Das steht überhaupt nicht zur Diskussion." Und: "Selbstverständlich" werde sie als Parteichefin und als Spitzenkandidatin der Grünen Teil einer möglichen Koalition sein. Ein Rückzug ihrerseits "steht überhaupt nicht zur Diskussion", sagte sie.

Dass Hebein anderen die Stadtratsposten überlassen könnte – den Grünen stünden nach dem Wahlergebnis zwei zu – nannte die amtierende Vizebürgermeisterin "Geplänkel". Das Ergebnis der Wien-Wahl, bei der beide Regierungsparteien zugelegt haben, sei ein "klarer Auftrag" für eine Fortsetzung von Rot-Grün. Doch die Entscheidung liege nun bei Bürgermeister und SPÖ-Chef Michael Ludwig.

Chance für Handschrift

Hebein verwies zudem darauf, dass sowohl Ludwig als auch sie mitten in der ablaufenden Legislaturperiode in ihr Amt gekommen seien, jetzt hätten beide die Chance, "unsere eigene Handschrift zu hinterlassen". Mit dem Bürgermeister sei sie "im guten Einvernehmen" und auch "in Kontakt". Sie habe ihm natürlich auch persönlich zu seinem Wahlerfolg gratuliert.

Ob Hebein in einer rot-grünen Koalition auf den Posten der Vizebürgermeisterin verzichten würde – der SPÖ stehen wegen ihres Ergebnisses beide Stellvertreter zu –, ließ sie vorerst offen. "Ich stehe hier als Vizebürgermeisterin, und so gehe ich in die Verhandlungen."

Bei den grünen Parteigremien am Donnerstagnachmittag will sich Hebein das offizielle Go für Verhandlungen abholen.

Grüne Einigkeit

Flankiert wurde Hebein von der zweiten Reihe ihrer Partei, die ebenso interne Einigkeit demonstrierte und den Willen, mit der SPÖ weiterzumachen, hervorhob. Listenzweiter Peter Kraus erklärte etwa, es gehe nun um die "Zukunftsfragen": die Klimakrise, die Wirtschaft, Jobs in der Stadt und die Bewältigung der Corona-Krise. "Das sind auch Themen, die Ludwig hervorgehoben hat", betonte Kraus. "Wenn wir diese Fragen beantworten wollen, dann gibt es nur einen Weg: Rot-Grün."

Und auch Klubchef David Ellensohn kehrte Gemeinsamkeiten hervor. Dank des Zuwachses im grünen Klub, der in Zukunft 16 statt zehn Sitze umfasst, habe man gleich "drei zusätzliche Bildungsexperten". Das Thema Bildung sei auch Ludwig und der Wiener SPÖ ein wichtiges.

Quereinsteigerin und Listendritte Judith Pühringer betonte zudem, die Grünen seien auch die "Partei der Frauen", was nicht nur im Wahlergebnis zu sehen sei, sondern auch darin, dass die Grünen die einzige Partei im Wiener Gemeinderat sind, die mit Hebein eine Frau an der Spitze haben. Der Kampf für die Gleichstellung sei ein weiterer Punkt, der "uns mit der SPÖ verbindet", sagte Pühringer. Etwas Trennendes setzte Pühringer dann doch noch auf die Agenda: "Jeder dritte Wiener und jede dritte Wienerin, 72.000 Jugendliche, durften nicht wählen. Da bleiben wir sicher dran, wir wollen auf diese Menschen setzen."

Ausgang offen

In der SPÖ selbst gilt es jedoch noch lange nicht als ausgemacht, dass Rot-Grün fortgesetzt wird. Heute, Freitag, tagen erstmals die Gremien nach der Wahl, zuerst der Parteivorstand und direkt anschließend mit dem Ausschuss das zweithöchste Gremium nach dem Landesparteitag. Primär wird es dort allerdings um eine erste Analyse des Wahlergebnisses gehen und nicht um die Fixierung etwaiger Koalitionsgespräche. Dass Bürgermeister Michael Ludwig mit Grünen, Neos sowie ÖVP erste Sondierungsgespräche aufnehmen wird, hat er ohnehin schon zuvor verkündet. Dafür wird er sich nun auch den Sanktus der Funktionäre abholen – im Ausschuss sind sowohl alle Gemeinderäte als auch Vorfeldorganisationen und die Bezirke vertreten.

Im Anschluss wird Ludwig auch offiziell verkünden, mit welchem Team er die Verhandlungen bestreiten wird. Von offizieller Seite heißt es, dass alle drei Varianten gleichermaßen im Raum stehen. Hinter den Kulissen rechnen jedoch die wenigsten mit einer rot-türkisen Koalition. Tatsächlich offen dürfte aber die Frage sein, ob das Pendel Richtung Grün oder Pink ausschlagen wird.

Nicht zu unterschätzen dürfte etwa die Dynamik sein, die sich aus der schwierigen Doppelrolle der Grünen ergibt, nachdem sie auch in der Bundesregierung sitzen. Und die bisherigen roten Linien, die vonseiten der Neos präsentiert wurden, dürften für die SPÖ keine wirklichen Hürden darstellen.

Was aber zum Problem werden könnte, ist die Unklarheit darüber, welches Ressort Neos-Chef Christoph Wiederkehr ausfüllen könnte. Die Chancen auf einen Bildungsstadtrat sind, nicht zuletzt auch aufgrund der Mandatsstärke, sehr gering. Dass die Grünen quasi automatisch das Verkehrsressort besetzen, ist trotz aller inhaltlichen Differenzen für die SPÖ nicht nur von Nachteil: Immerhin handelt es sich um einen eher undankbaren Job. (Oona Kroisleitner, Vanessa Gaigg, 15.10.2020)