US-Außenminister Mike Pompeo besuchte Sudans Premier Abdalla Hamdok im August in Khartum.

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Die Frage "Wer ist der Nächste?" beantwortete am Donnerstag die "Times of Israel": Als drittes arabisches Land innerhalb kurzer Zeit, nach den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Bahrain, werde der Sudan die Normalisierung seiner Beziehungen zu Israel bekanntgeben. Washington habe das mit einem Ultimatum an Khartum erreicht: Die Regierung musste sich demnach bis Donnerstag für oder gegen ein Paket von US-Angeboten entscheiden, von denen das wichtigste die Streichung des Landes von der US-Terrorliste ist.

Freitagvormittag wartete man jedoch noch immer auf eine offizielle Bestätigung aus Khartum oder aus Washington. Vieles deutete darauf hin, dass zwischen dem von den Militärs dominierten sudanesischen "Souveränen Rat", einer Art Präsidentschaft, und der zivilen Regierung von Premier Abdalla Hamdok ein Streit darüber entbrannt war, ob man den Schritt tun soll. Die Militärs sind dafür, Hamdok, ein international anerkannter Wirtschaftswissenschafter und früherer Uno-Funktionär, lehnt die Verknüpfung zwischen der Terrorlisten- und der Israel-Frage ab. Die USA bestehen auf der Zustimmung beider.

In der Tat kann man argumentieren, dass ein Staat entweder zu Recht auf so einer Liste steht – oder eben nicht. Der Wunsch, Donald Trump vor den Präsidentschaftswahlen einen weiteren außenpolitischen Erfolg zu verschaffen, bringt die skrupellosesten Züge der US-Außenpolitik zum Vorschein. Das U.S. Institute of Peace etwa bezeichnet den Zugang Washingtons als "gefährliches Spiel" – für den Sudan, der in einer heiklen Übergangsperiode steckt.

Politisch fragil, wirtschaftlich katastrophal

Im April 2019 wurde nach dreißig Jahren an der Macht das militärisch-islamistische Regime von Omar al-Bashir gestürzt. Erst nach monatelangen Demonstrationen der sudanesischen Protestbewegung war die neue Junta im Sommer 2019 bereit, die Führung des Landes in einer Übergangsperiode mit Zivilisten zu teilen. Die politische Lage ist fragil, die wirtschaftliche – die ja die Demonstrationen, die den Umsturz herbeiführten, ausgelöst hat – weiter katastrophal. Im September stieg die Inflation auf 212 Prozent.

Falls die Normalisierung jedoch dennoch stattfindet, ist sie qualitativ definitiv ein anderes Kapitel als jene zwischen Israel und den arabischen Golfstaaten, deren Feindschaft nur nominell bestand. Der Sudan unterstützte und beherbergte islamistische Terroristen wie Osama bin Laden. Über den Sudan führten iranische Versorgungsrouten zur Hamas im Gazastreifen, die von Israel regelmäßig militärisch angegriffen wurden, so wie auch eine Munitionsfabrik in Khartum im Jahr 2012. Allerdings brach bereits Bashir selbst mit dieser Politik, als er sich 2016 Saudi-Arabien wieder annäherte und die Iraner und ihre Einrichtungen aus dem Land warf.

Der Einfluss der Emirate

Der Sturz Bashirs – der ideologisch den Muslimbrüdern zugerechnet wurde – wurde von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt, die ihren Einfluss in Nordafrika in den letzten Jahren stark ausgebaut haben. Auch die VAE drängen jene Staaten, in denen sie Einfluss haben – etwa auch Mauretanien –, zur Normalisierung mit Israel.

Der Appell von Hamdok an US-Außenminister Mike Pompeo, die Themen Israel und Terrorliste getrennt zu halten, verhallte ungehört. Der sudanesische Premier ist der Meinung, dass dem Normalisierungsschritt eine "tiefgreifende Diskussion in der Gesellschaft" des Sudan vorangehen sollte.

Denn anders als die VAE und Bahrain hat der Sudan trotz der jahrzehntelangen Diktatur eine starke Zivilgesellschaft, die auf die Normalisierung mit Israel negativ reagieren könnte. Bei einer Umfrage des Arab Center for Research and Policy Studies sprachen sich nur 13 Prozent der Befragten für Frieden mit Israel aus, 79 Prozent waren dagegen. Es gibt auch einen kleinen Krieg der Fatwas: Eine Institution verabschiedete ein islamisches Rechtsgutachten, das die Normalisierung mit Israel verbietet, eine andere antwortet mit einer Fatwa, dass das eine politische Angelegenheit sei und keine religiöse.

Normalisierungsfan Hemeti

Das nationale Interesse des Sudan ist leicht nachzuvollziehen: Nur die Streichung von der US-Terrorliste ermöglicht dem Land, ins internationale Zahlungssystem zurückzukehren – und Zugang zu Finanzhilfe zu bekommen, die es dringend braucht. Kein Geringerer als die Nummer zwei im "Souveränen Rat", Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemeti, sprach sich in einem Interview öffentlich für die Aufnahme von Beziehungen mit Israel aus. Dagalo, der Gründer der berüchtigten arabischen Janjaweed-Milizen im Darfur-Konflikt, gilt als mächtiger als die Nummer eins, Abdelfattah al-Burhan, der bereits im Februar mit Israels Premier Benjamin Netanjahu in Uganda zusammentraf.

Dass jemand wie Dagalo kein Friedensengel ist, sondern eine rein transaktionale "Do ut des"-Politik (Ich gebe, damit du gibst) verfolgt, liegt auf der Hand. Was der Sudan von den USA für seinen Schritt bekommt, hat der frühere Vizechefredakteur der "Sudan Tribune", Wasil Ali, auf Twitter zusammengefasst.

Der Sudan würde demnach von der US-Terrorliste gestrichen, müsste aber 335 Millionen Dollar für Entschädigungen von Terroropfern – die bereits Protest gegen die Streichung angemeldet haben, mehrere Klagen laufen – hinterlegen. Weiters sollen Schritte gesetzt werden, um den Sudan von der US-Einreiseverbotsliste zu entfernen. Washington verspricht auch, eine Investitionskonferenz zu organisieren und gemeinsam mit seinen Alliierten, etwa den arabischen Golfstaaten, die Hilfsmittel zu erhöhen. Hilfslieferungen von Lebensmitteln und Medikamenten in der Höhe von Millionen Dollar sollen sofort einsetzen. Vorgesehen ist auch ein Schuldenerlass und US-Unterstützung für den Sudan, an internationale Kredite zu kommen. Der Deal würde sich also für den Sudan lohnen – wenn es ihn nicht in eine weitere innere Krise stürzt. Allerdings haben die Menschen andere Sorgen, sie kämpfen um ihr Überleben. (Gudrun Harrer, 16.10.2020)