Einen fixen Standort für queere Kunst und Geschichte, wie es ihn in Berlin mit dem Schwulen Museum gibt (siehe Foto), wünschen sich auch die Initiatoren des Queer Museum Vienna.

Foto: Robert M./Schwules Museum

Uhren, Zähne, Särge, für all das gibt es in Wien ein eigenes Museum. Was es aber nicht gibt ist ein Museum mit Schwerpunkt auf queere Kunst und Kultur. Doch das soll sich bald ändern, denn eine Gruppe queerer Künstler, Kuratoren und Historiker arbeitet am Aufbau des ersten QueerMuseumVienna. "Ein Laboratorium, ein Ort an dem das Thema Queerness verhandelt werden kann" soll es werden, sagt Mitinitiator Florian Aschka. Seine Türen öffnet das neue Museum vorerst in temporären Räumlichkeiten im Jänner 2021.

Am Weg dahin ist aber noch einiges offen. "Und das ist auch gut so", sagt Aschka. Queere Kunst soll von queeren Kuratoren kontextualisiert und langfristig eine wachsende Sammlung etabliert werden, das ist die Grundidee. Vorbilder sind unter anderem das Schwule Museum in Berlin oder das Leslie Lohman Museum of Art in New York. Doch was ist überhaupt queere Kunst? Und was ein queeres Museum? Fragen wie diese sollen ständig neu diskutiert werden, so der Anspruch.

Auch der Begriff "queer" selbst ist ja kein statisches Konstrukt. Einst als Schimpfwort im Sinne von "seltsam", "andersartig" für schwule und transsexuelle Subkultur verwendet, haben ihn sich die damit Gemeinten längst zurückerobert. Heute beschränkt sich Queerness nicht mehr nur auf sexuelle Orientierung, sondern ist ein Sammelbegriff für alles von der Norm abweichende. "Queer ist eine Denkweise", sagt Hannes Sulzenbacher, Kurator und Co-Leiter des Zentrums für queere Geschichte QWien, das ebenfalls teil des Museumsprojekts ist. Queere Kunst sei eine, die das Thema Heteronormativität behandelt und reflektiert. "Und natürlich kann die auch von einem heterosexuellen Mann gemacht werden."

Kunst und Geschichte

Außerhalb der Norm will man sich auch bei der Vermittlungsarbeit bewegen. "Wir wollen etwas versuchen, das sich nicht an die Spielregeln verstaubter Museen halten muss", sagt Aschka. Kinderbuchlesungen mit Drag Queens zum Beispiel. Ein Fokus soll vor allem auf der Geschichte der queeren Community liegen. "Denn queere Kunst kann nur in ihrem geschichtlichen Kontext verstanden werden", sagt Sulzenbacher. Basis dafür ist eine über 40 Jahre zusammengetragenen Sammlung aus Zeugnissen des schwulen und lesbischen Lebens in Wien, zu finden im Archiv des QWien. Außerdem arbeitet aktuell eine Klasse der Akademie der bildenden Künste ein Vermittlungskonzept aus.

Als Nährboden findet das neue Museum in Wien eine durchaus lebhafte queere Kunstszene vor. Zwei ihrer Ikonen, die Künstlerinnen Ashley Hans Scheirl und Jakob Lena Knebl, die Österreich auf der Kunstbiennale in Venedig 2021 vertreten, werden auch Schirmherrinnen des Projekts sein. "Die Stadt hat eine weltweite Strahlkraft was Queerness angeht", sagt Aschka. "Gerade aus osteuropäischen Ländern ziehen viele Menschen nach Wien, weil sie die liberale Atmosphäre hier schätzen." Auch die Politik unterstützt das Image der Regenbogenstadt, da sei es ein logischer Schritt die Museumslandschaft um ein Queeres Museum zu erweitern.

Gespräche mit der Stadt

Im Moment sind die Initiatoren des Queeren Museums auf der Suche nach temporären Räumlichkeiten für die erste Ausstellung die im Jänner 2021 starten soll. Langfristig wünsche man sich aber natürlich einen fixen Standort, sagt Aschka. Queere Kunst soll nicht nur eine Ecke in einem bestehenden Museum bekommen, sondern ein Zuhause. Allein dafür braucht es die nötige Finanzierung. Hier hoffen Aschka und Sulzenbacher auf die Stadt Wien und den Bund.

Und die ersten Signale sind durchaus vielversprechend. Denn sowohl das Wahlprogramm der Wiener SPÖ, als auch jenes der Grünen, enthält die Idee eines Queeren Museums. Ein Gespräch mit Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) ist für kommende Woche geplant. "In Zusammenarbeit mit der queeren Community und der Stadtregierung nehmen wir uns dieser Idee sehr gern an", heißt es aus ihrem Büro. Und auch Martin Margulies, Kultursprecher der Wiener Grünen, will die Idee in Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ einbringen. (Johannes Pucher, 19.10.2020)