Angela Merkel: "Was mich beunruhigt, ist der exponentielle Anstieg. Den müssen wir stoppen. Sonst wird das kein gutes Ende nehmen."
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Stundenlang hatten die deutsche Kanzlerin und die Regierungschefs der 16 Länder über schärfere Regeln beraten, doch am Ende kam nicht so viel heraus, wie Angela Merkel gehofft hatte. "Die Ansagen von uns sind nicht hart genug, um das Unheil von uns abzuwenden", sagte sie nach Aussagen von Teilnehmern. Denn es gelang keine einheitliche Regelung beim umstrittenen Beherbergungsverbot.

Und so bleibt Deutschland ein Flickenteppich: In manchen Bundesländern dürfen Reisende aus Risikogebieten nicht im Hotel übernachten, in anderen schon. Erst nach den Herbstferien im November wird weiter beraten. Am Donnerstag allerdings wurde das Beherbergungsverbot in Baden-Württemberg und Niedersachsen gerichtlich gekippt. Doch es gab auch Beschlüsse bei Merkel: In Risikogebieten kommt um 23 Uhr eine Sperrstunde, die Maskenpflicht wird verschärft, die Anzahl von Feiernden auf Partys beschränkt.

Auf der Pressekonferenz meinte Merkel auf die Frage, was sie mit "Unheil" gemeint habe: "Was mich beunruhigt, ist der exponentielle Anstieg. Den müssen wir stoppen. Sonst wird das kein gutes Ende nehmen."

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warnt: "Es ist nicht mehr fünf vor zwölf, es ist zwölf." Sein Appell lautet: "Mehr Maske, weniger Alkohol, weniger feiern."

Frankreichs Justiz ermittelt wegen Corona-Pannen

Im Rahmen gerichtlicher Ermittlungen zum Corona-Krisenmanagement sind in Frankreich das Büro und der Wohnsitz des ehemaligen Ministerpräsidenten Édouard Philippe durchsucht worden. Ermittler kamen auch zu Gesundheitsminister Olivier Véran und dessen Amtsvorgängerin Agnès Buzyn.

Ärzteverbände, Patienten und andere Betroffene hatten beim Gerichtshof der Republik Anzeige eingebracht: Philippe und Buzyn hätten viel zu spät auf die Pandemie reagiert. Allein der Gerichtshof der Republik ist berechtigt, Ministerinnen und Minister für Handlungen zu verurteilen, die in Ausübung ihres Amtes begangen wurden.

Mittwochabend hatte Staatspräsident Emmanuel Macron nächtliche Ausgangssperren in Ballungszentren wie Paris oder Lyon angekündigt, dabei aber vorsorglich betont, es bestehe "kein Grund zur Panik". Die Operation "couvre-feu" ist vorerst auf vier Wochen befristet.

Der präsidiale Optimismus wird von Ökonomen nicht geteilt: Sie warnen eindringlich vor den dramatischen Konsequenzen für die Wirtschaft, sollte die zweite Welle ähnliche Ausmaße annehmen wie die erste. Mit mehr als 30.000 Corona-Neuinfektionen innerhalb eines Tages war am Donnerstagabend allerdings erneut eine Höchstzahl gemeldet worden. Bei den Gesundheitsbehörden wurden 30.621 neue Fälle registriert. Die Zahl der Corona-Toten stieg um 88 auf insgesamt 33.125 seit Beginn der Pandemie. Frankreich war bereits in der ersten Welle stark von der Coronavirus-Pandemie betroffen, bisher starben über 33.000 Menschen.

Katastrophenfall für Portugal

Im Frühjahr ist Portugal einigermaßen glimpflich durch die erste Pandemiewelle gekommen – überraschend, grenzt das Land doch direkt an das damals hauptbetroffene Spanien. Nun aber droht auch Portugal die volle Wucht der zweiten Welle, vor allem im Großraum Lissabon und im Norden des Landes.

"Die Lage ist ernst", räumte Ministerpräsident Antonio Costa in der Nacht zum Donnerstag ein und wies darauf hin, dass die Zahl der hospitalisierten Covid-19-Patienten in etwas mehr als einem Monat von 300 auf nun fast 1000 in die Höhe geschossen ist. Seit Donnerstag gilt, auf 15 Tage befristet, nun landesweit der Katastrophenfall. Auf dieser juristischen Basis darf die Regierung bei Bedarf Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und andere Maßnahmen durchsetzen.

Das Maßnahmenpaket ähnelt jenen, die in anderen Ländern bezüglich Maskenpflicht und Verhalten im gesamten öffentlichen Raum erlassen wurden. Trotz ihres Scheiterns im Frühjahr hofft Portugals Regierung positive Effekte durch den Gebrauch der Corona-App "Stay Away" auf möglichst vielen Smartphones. (gian)

Lockdown für London kommt

Wochenlang hatte Premierminister Boris Johnson die zweite Welle in Großbritannien kleingeredet. Doch Gesundheitsminister Matt Hancock muss nun zugeben: Es gibt ein exponentielles Wachstum bei der Virusverbreitung auf der Insel. In London etwa verdoppelt sich die Zahl der Infizierten alle zehn Tage. Auch die Lage in Gebieten um Essex, Elmbridge, Barrow-in-Furness, York, North East Derbyshire, Erewash und Chesterfield sei prekär.

"Wir müssen jetzt handeln, um später härtere Maßnahmen zu vermeiden", meinte Hancock. Ab Samstag gilt ein limitierter Lockdown für London, neun Millionen Menschen werden betroffen sein. Ein landesweites Schließungsregime sei nur eine Frage der Zeit, orakeln die Medien.

Erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie zeigte sich Queen Elizabeth II in der Öffentlichkeit.
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Wie um Entschlossenheit und Zuversicht zu signalisieren, ließ sich Queen Elizabeth II erstmals seit Ausbruch der Pandemie bei einem Fabrikbesuch in der Öffentlichkeit blicken. An der Seite der 94-jährigen Monarchin: Enkel Prinz William.

Problemzone Israel

In Israel haben sich seit dem Ausbruch der Pandemie mehr als 300.000 Menschen mit dem Coronavirus angesteckt. Laut Gesundheitsministerium wurden am Donnerstagabend 300.201 Infektionen registriert. Mehr als 200.000 Fälle waren in dem Land am 23. September und mehr als 100.000 Fälle am 21. August ausgewiesen worden. Israel hat rund neun Millionen Einwohner. Im etwa gleich viele Einwohner zählenden Österreich wurden insgesamt 60.764 Infektionen registriert.

Die Pandemie war in Israel zunächst glimpflich verlaufen, auch wegen eines strikten Kurses der Regierung. Nach Lockerungen und einer massiven Zunahme der Fallzahlen im Sommer gilt seit 18. September mindestens bis Sonntag ein zweiter landesweiter Lockdown mit strikten Regeln wie Ausgangsbeschränkungen. Die Maßnahme scheint zu wirken, die Neuinfektionen nehmen ab. In Israel starben bisher 2.127 Menschen in Verbindung mit einer Corona-Infektion, in Österreich 894 Menschen. (Birgit Baumann, Stefan Brändle, Gianluca Wallisch, 15.10.2020)