Während der Partyplaner in Ermangelung an Partys ruht, schreibt Amira Ben Saoud an seiner Stelle eine Kolumne über Aktuelles und Allgemeines aus Popkultur und Internet.

Die wichtigste Wahl des Jahres ist wieder einmal geschlagen: Habemus Jugendwort 2020. Es lautet "lost", in der Bedeutung planlos, unentschlossen. Seit Juni suchte der Langenscheidt-Verlag per Onlinevoting nach dem Wörtchen, das die Teenies am meisten beschäftigt. Das Novum: Dieses Mal wählte keine Boomer- oder Millennial-Jury aus, die Jugend – eine Million Stimmen gingen ein – durfte selbst wählen, welches Wort das Rennen macht. Na ja, fast.

Trotz zahlreicher Einreichungen des Begriffs "Hurensohn" entschied sich Langenscheidt mit dem Argument, keine Beihilfe zur Verbreitung diskriminierender Sprache leisten zu wollen, dagegen, den Nachkommen einer Sexarbeiterin überhaupt zur Abstimmung zu bringen.

In das aktuelle Buch des Verlags 100 % Jugendsprache, das wohl eine Art Wörterbuch für loste Eltern sein soll, damit diese die Sprache der eigenen Kinder verstehen, wird das Schimpfwort aber sehr wohl aufgenommen. Das wäre dann wohl ein sogenannter Fail.

Diskurs statt Zensur

Fail steht übrigens nicht auf der Liste der Gewinnerbegriffe. Zu den Top Ten gehören neben lost auch cringe (Fremdscham, peinlich), wild/wyld (heftig), Schabernack, Mittwoch sowie Köftespieß (das bedürfte jetzt einer längeren Erklärung), no front (Erklärung, dass etwas nicht verletzend oder beleidigend gemeint ist), Digga/Diggah (Freund, Kumpel, Bro) und Mashallah (Ausdruck für Lob, Kompliment) und mein persönlicher Favorit: Sauftrag (geplantes Besäufnis).

Aber zurück zur Huso-Zensur: Keine Frage, der Begriff ist nicht in Ordnung. Aber das muss man doch nicht in erster Linie den Eltern erklären, sondern den Jugendlichen, die ihn verwenden. Oft sicherlich unreflektiert, oft aber auch, um zu provozieren. Genau deswegen soll so ein Wort ein Voting gewinnen dürfen oder zumindest zur Abstimmung zugelassen werden – damit es einen Diskurs geben kann.

Teenager durchschauen sofort, wenn Analog-Dinosaurier cringy auf Verständnis für die Jugend machen, obwohl sie nur daran interessiert sind, sich mit einer Marketingkampagne ins Gespräch zu bringen. Natürlich treibt diese Jugend dann gern Schabernack mit Konsorten wie dem Langenscheidt-Verlag und richtet ihm per Einreichung aus, wofür sie ihn hält. Die Wortwahl ist daneben, aber die Intention durchaus nachvollziehbar. (Amira Ben Saoud, 15.10.2020)