Kernfamilie Trump (Donald, Melania, Barron): Aus der Erkrankung nichts gelernt?
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Es waren ungewohnt leise, ungewohnt offene Töne aus dem Hause Trump. Sie hatte Glieder- und Kopfschmerzen, sie hustete, sie fühlte sich die ganze Zeit extrem schlapp, schrieb die First Lady über ihre Erfahrungen mit Covid-19. "Ich hatte großes Glück, dass meine Diagnose mit minimalen Symptomen einherging, obwohl sie mich alle auf einmal trafen und es in den Tagen danach eine Achterbahn der Symptome zu sein schien."

Die Zeit der Genesung habe sie genutzt, um über ihre Familie nachzudenken, aber auch über Hunderttausende im Land, die unter einer Krankheit zu leiden hätten, die Menschen treffe, ohne Unterschiede zu machen. Ihr Sohn Barron, fügte Melania Trump hinzu, sei zunächst negativ auf das Virus getestet worden. Dann aber, bei einem nächsten, positiven Test, seien ihre Befürchtungen wahr geworden.

Ganz anders ihr Mann, der auf einer Kundgebung in Iowa über die Infektion des Teenagers sprach, als lohne es sich gar nicht, darüber zu reden. "Ich glaube, er wusste nicht mal, dass er es hatte. Weil sie jung sind und ihre Immunsysteme stark, wehren sie es einfach ab."

Sohn Barron, das Politikum

Folgt man dem Leibarzt der First Family, hatte Barron tatsächlich keine Symptome. Doch die burschikose Art, wie sein Vater den Fall darstellte, war eher Teil einer politischen Botschaft. Seit er, zweimal künstlich mit Sauerstoff versorgt, aus der Walter-Reed-Klinik entlassen wurde, erklärt der Präsident Covid-19 erst recht zu einer Krankheit, die viel harmloser sei, als es die Panikmache seiner Gegner vermuten lasse. Drei Auftritte vor Publikum hat er seitdem absolviert, alle drei auf regionalen Flughäfen mit der Air Force One als Blickfang im Hintergrund, alle drei, ohne Abstandsregeln auch nur ansatzweise zu beachten.

In Florida, wo er sich von weitgehend maskenlosen Fans feiern ließ, scherzte Trump, er würde am liebsten in die Menge laufen und jeden küssen, "die Kerle und die schönen Frauen". Am Dienstag redete er in Pennsylvania, am Mittwoch in Des Moines, der Hauptstadt Iowas. In Iowa nimmt die Zahl der Corona-Patienten, die im Krankenhaus behandelt werden müssen, wieder deutlich zu, nachdem es eine Weile so ausgesehen hatte, als käme der ländlich geprägte Staat mit einem blauen Auge davon. Während die Lokalbehörden von Veranstaltungen mit mehr als 25 Teilnehmern abraten, rief die republikanische Gouverneurin Kim Reynolds dazu auf, Trumps Rally zu besuchen.

Leichtsinnigkeit im Trump-Team

Es scheint, als habe der Präsident endgültig beschlossen, die Gesundheitskrise nicht nur kleinzureden, sondern sie abzuhaken – als etwas Lästiges, das man gleichwohl nicht mehr ernst nehmen müsse. Ähnlich leichtsinnig klingen einige seiner engsten Vertrauten. "Die Leute sterben nicht mehr an dieser Krankheit", behauptete Rudy Giuliani, einst Bürgermeister New Yorks, an einem Tag, an dem die Seuche das Leben von rund 300 Amerikanern forderte.

Mark Meadows, der Stabschef des Weißen Hauses, weigerte sich, am Rande der Anhörung der designierten Verfassungsrichterin Amy Coney Barrett auf den Korridoren des Parlaments mit Reportern zu reden, nachdem die ihn gebeten hatten, den Mund-Nasen-Schutz nicht abzunehmen. Mit Maske lasse er sich nicht interviewen, entgegnete Meadows, als untergrabe es die eigene Autorität, rede er durch ein Stück Stoff.

Die Mischung aus Hybris und Verantwortungslosigkeit, sie hat auch republikanische Strategen, Parteifreunde Trumps, dazu gebracht, sich in der Öffentlichkeit kritisch zu äußern. Was sie dem Präsidenten vor allem ankreiden, ist die Tatsache, dass er jegliche Demut vermissen lässt. Der Tenor: Von einem vielköpfigen Ärzteteam mit Mitteln behandelt, die normalen Patienten auf absehbare Zeit kaum zur Verfügung stehen, hätte er beweisen können, dass er sich in die Lage weniger Behüteter hineinzuversetzen vermag.

Pose des Unbesiegbaren

Stattdessen gibt er den Unbesiegbaren, was Mike Duhaime, einen erfahrenen Publicity-Berater konservativer Politiker, von akutem Realitätsverlust sprechen lässt. "Er bekommt die beste medizinische Behandlung, die man bekommen kann. Und er benimmt sich, als wäre er Superman", sagte Duhaime der "Washington Post". Damit bestätige Trump nur den negativen Eindruck, den viele von seinem Krisenmanagement hätten.

Tatsächlich illustriert eine Erhebung des Senders ABC, dass der Umgang mit der Epidemie die Achillesferse des Amtsinhabers ist. Demnach sind 58 Prozent der eingetragenen Wähler nicht einverstanden mit der Art, wie er auf die Ausnahmesituation reagiert hat. 60 Prozent glauben nicht, dass das Weiße Haus akkurat über den Gesundheitszustand des Staatschefs informiert. Ähnlich hoch ist der Anteil derer, die bezweifeln, dass die Regierung die Wahrheit über die Pandemie sagt.

Wie groß der Vertrauensverlust ist, spiegelt sich auch in den Umfragen zur Wahl. Aktuell, hat das "Wall Street Journal" ermittelt, liegt Trump landesweit um elf Prozentpunkte hinter seinem Widersacher Joe Biden. Auch in den wahlentscheidenden Swing States ist er weiter zurückgefallen. In Pennsylvania führt Biden mit sieben, in Wisconsin mit sechs, in Florida mit drei Prozent Vorsprung. Dass es sich dabei nur um Momentaufnahmen handelt, ist jedem klar. Allerdings verdeutlichen sie das Dilemma des Präsidenten: Solange die Pandemie für eine Mehrheit seiner Landsleute das beherrschende Thema bleibt, ist es um die Aussichten auf eine Wiederwahl alles andere als rosig bestellt. (Frank Herrmann aus Washington, 15.10.2020)