Zwei, die vielleicht auch nur eine Person sind: Anne Bennent und Jakob Schneider in Fosses "Ich bin der Wind".

Marcel Köhler

Es gibt nicht viele Texte über den Selbstmord, die gravitätisch und unpathetisch zugleich sind. Auf Jon Fosses Theaterstück Ich bin der Wind (Deutsch von Hinrich Schmidt-Henkel) trifft genau das aber zu. Der norwegische Seelenschürfer – der Größte seit dem bürgerlich-mystischen Henrik Ibsen, wie es oft heißt – schickt darin zwei Personen (den Einen und den Anderen) in einem Segelschiff aufs Meer hinaus. Bemerkenswert daran ist, dass bereits der Autor diese Handlung nicht als real, sondern als Imagination intendiert. Niemand muss hier also ein Boot auftakeln; was zählt, ist die Idee, die Situation, die Atmosphäre.

Es liegt von Anfang an auch ein Schleier der Nichtrealität über der Inszenierung, die Regisseurin Ingrid Lang im Nestroyhof-Hamakom ganz auf die Dialogpartitur ausgerichtet hat. Der Raum ist ein Gedankenraum, und die Schauspieler womöglich zwei zu nur einer Figur gehörende Stimmen, von denen die eine die andere befragt, das Gesagte in Wiederholungen abwägt, korrigiert und sich erneut versichert. Um immer wieder gibt sie geschlagen zu erkennen: Was soll’s, es sind ja nur Worte.

Beckett-haft

Diese auf Messers Schneide geführte Zwiesprache vermögen die beiden Schauspieler Anne Bennent und Jakob Schneider zu einem Ereignis werden zu lassen. Ein solch ausdrucksstarkes, einfühlsames und dabei nicht überidentifikatorisches Sprechen findet sich auf Bühnen gar nicht mehr so oft. Jeder Ton, jede Pause, jedes Halten, jeder Blick und sein Blinzeln in dieser Beckett-haften Konstellation sind stimmig und bannen das Publikum über 75 Minuten lang.

Schwermut ist auch nicht Thema des Textes, sondern die Selbsterklärung eines Menschen. Regisseurin Lang lässt dem Dialog auf einer völlig leeren Bühne dafür auch ausreichend Luft. In Bewegungen ohne Alltagsabklatsch, vielmehr tänzerisch halten die beiden Figuren Kontakt zueinander. Und wenn dann nach dem allzu zügig gekippten Schnaps (ohne Alkoholismus geht es im hohen Norden nicht) doch ein Imbiss ansteht, geht statt der Brotschneidemaschine die Kreissäge an.

Aussparung

Aus der Abbildungsverweigerung und der Aussparung schöpft diese Arbeit ihre Energie, die Bennent und Schneider dieser freien Fläche auf bezwingende Weise entreißen. Nur Wasserlachen breiten sich einmal aus (Bühne: Alina Amman), das Meer rauscht, die Sonne verzieht sich (Licht: Harald Michlits), und das Hemd flattert als Segeltuch im Wind. Subtil und schön. (Margarete Affenzeller, 16.10.2020)