Gesichtsvisiere sollen künftig nicht mehr als Ersatz für Masken gelten.

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Am Donnerstag hat die Corona-Ampel in vier Bezirken auf Rot geschaltet, in einigen weiteren überraschenderweise nicht. Was genau das für die einzelnen Regionen bedeutet, ist unklar. Als sicher gilt jedoch, dass bald bundesweite Maßnahmen kommen.

Doch: Sowohl aus dem Gesundheits- als auch aus dem Bundeskanzleramt hieß es, es werde am diesem Freitag "eher keine" Pressekonferenz geben. Das ist unüblich – normalerweise wurde am Freitag immer über die am Abend zuvor durchgeführte Ampelschaltung informiert.

Aus Regierungskreisen heißt es: Derzeit werde an einem Maßnahmenkatalog gearbeitet, der in den kommenden Tagen der Öffentlichkeit präsentiert werden soll. Das seien vor allem auch längerfristige Maßnahmen, die helfen sollen, über den Herbst und Winter zu kommen. Was genau geplant ist, werde gerade diskutiert, sei aber kein großes Geheimnis: eine Ausweitung der Maskenpflicht im öffentlichen Raum, die nur Städte betrifft. Angekündigt hat Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bereits, dass Visiere nicht mehr als Ersatz für Masken gelten werden. Eine radikale Einschränkung von Veranstaltungen steht ebenso zur Diskussion wie eine Vorverlegung der Sperrstunde und eine flächendeckende Registrierungspflicht in Lokalen.

Regierung will Reaktionen abwarten

Nach der Sitzung der Ampelkommission am Donnerstag und deren jüngsten Entscheidungen wollen ÖVP und Grüne erst einmal abwarten, ob und wie die Bundesländer auf die neuen Entwicklungen reagieren. Hier offenbaren sich durchaus unterschiedliche Zugänge zwischen Bundeskanzler Sebastian Kurz und Gesundheitsminister Anschober. Kurz ist der Meinung, die Länder bräuchten striktere Vorgaben – und würden diese auch gerne annehmen. Anschober wiederum setzt auf sein Softie-Image, er will es erst mit Bitten und Loben versuchen, ehe den Länderchefs Maßnahmen aufgezwungen werden. Dass es zwischen Bund und Ländern Auffassungsunterschiede gibt, liegt auf der Hand, bei den Grünen bezeichnet man das als "Familienzwist": In der Regel geraten Kurz und die schwarzen Landeschefs aneinander.

Innerhalb der Koalition gibt es zwar Auffassungsunterschiede über Tempo und Tonalität, dass Maßnahmen kommen müssen, sei aber allen klar. Anschober meint, dass sich vieles über regionale Maßnahmen bewegen lasse, es sei auch nicht sinnvoll, Regeln, die in der Stadt sinnvoll seien, im ländlichen Raum anzuordnen. Dennoch wächst auch auf grüner Seite die Einsicht, dass einzelne Maßnahmen überregional sinnvoll wären, wie Kurz das forciert.

Unmut in den Bezirken

Reaktionen gäbe es zumindest schon genügend. Einen Tag bevor die Salzburger Gemeinde Kuchl für zwei Wochen unter Quarantäne gestellt wurde, habe es dort nach wie vor offene Fragen gegeben, sagte etwa der Bürgermeister von Kuchl, Thomas Freylinger (ÖVP), Freitagfrüh im Ö1-"Morgenjournal". In einem Fragenkatalog verlangen die Gemeindepolitiker Antworten von der Landesregierung. Fraglich sei vor allem, wer als Schlüsselarbeitskraft gilt und somit weiterarbeiten darf und wer den Verdienstentgang bezahlen soll. Aber auch wie mit den Schülerinnen und Schülern umgegangen werden soll, die in umliegenden Gemeinden den Unterricht besuchen, sei noch unklar. Man sei mit dem Land im Austausch, sagte Freylinger, und werde die Antworten nach Erhalt gleich an die Bevölkerung weiterleiten.

Für die Kontrollen, ob die Quarantäne eingehalten wird, ist die Polizei zuständig. Die Exekutive kontrolliert auch die Zu- und Abfahrt in die Gemeinde. Kuchl liegt an einer Bundesstraße – die Durchfahrt müsse "natürlich" auch weiterhin möglich sein, sagte Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP). "Wir können ja die Bundesstraße nicht sperren." Das zu überprüfen könnte für die Exekutive eine Herausforderung werden, sagt Haslauer. In einer Nachbargemeinde Kuchls gab es eine große Landhochzeit, in Kuchl selbst eine karitative Veranstaltung – das dürfte mit den hohen Infektionszahlen zusammenhängen. Der Bürgermeister meinte jedoch, man habe keine Handhabe, wenn die Leute privat feiern würden.

Auch Welser Bürgermeister verstimmt

Auch in Wels herrscht teilweise Unverständnis. Hier ist es der Bürgermeister, der Kritik übt. Der oberösterreichische Bezirk wurde Donnerstagabend auf die rote Stufe der Corona-Ampel gestellt – auch im Salzburger Tennengau (Bezirk Hallein), wo sich Kuchl befindet, Innsbruck und Innsbruck Land ist das der Fall. Vorab wurde erwartet, dass auch St. Johann im Pongau, Schwaz, Imst, Rohrbach und Hallein rot werden – das trat nicht ein.

Der Welser Bürgermeister Andreas Rabl (FPÖ) will sich sehr stark auf vulnerable Personen konzentrieren, man habe sich schon auf die rote Ampel vorbereitet. Allerdings: "Wir haben etwa 25 Prozent der Infizierten, die keine Symptome haben. Es werden vom Gericht teilweise Bescheide aufgehoben, weil positive Personen nicht ansteckend sind. Also, da muss sich irgendwas ändern, und darauf muss man Rücksicht nehmen." Er erwarte sich einen "raschen Strategiewechsel" der Bundesregierung.

Zwist in Oberösterreich

Die Vorverlegung der Sperrstunde sorgt in Oberösterreich gar für Debatten in der schwarz-blauen Koalition. Manfred Haimbuchner, FPÖ-Landesparteichef, lehnt sie strikt ab: "Die FPÖ Oberösterreich ist nicht gewillt, aktionistischen Forderungen aus dem Bundeskanzleramt nach Verschärfungen von in Hinterzimmern ausgewürfelten Corona-Maßnahmen nachzukommen", sagte er den "Oberösterreichischen Nachrichten". Der Aufwand für Betriebe sei hoch, Missbrauch von Gästedaten werde Tür und Tor geöffnet. Landeshauptmann-Stellvertreterin Christine Haberlander (ÖVP) hält die Lösung allerdings für das "gelindere Mittel".

Verschärfungen in Tirol

Was in Oberösterreich noch für Diskussionen sorgt, gilt in Tirol schon lange. Gemeinsam mit Vorarlberg und Salzburg und auf eigene Initiative verlegte man hier die Sperrstunde schon Mitte September auf 22 Uhr vor. Aber auch Tirol – hier befinden sich mit Innsbruck und Innsbruck Land zwei rote Gebiete – verschärft die Gangart nun weiter: Unter anderem wird eine Registrierungspflicht für Gastronomiebetriebe eingeführt, und die Sperrstunde um 22 Uhr bleibt bestehen.

In orangen und roten Bezirken wird die Schulampel auf Orange gestellt und damit ab der neunten Schulstufe auf Distance-Learning umgestellt. Beschlossen wurde aber auch, dass in besonders sensiblen Bereichen wie Alters- und Pflegeheimen, Krankenhäusern, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen und der Kinder- und Jugendhilfe lediglich zwei Besucher pro Tag erlaubt sind. Publikumsveranstaltungen dürfen nur mehr mit zugeteilten Sitzplätzen mit maximal 250 Personen abgehalten werden. An Beerdigungen dürfen nur noch maximal 100 Personen teilnehmen.

Willi schließt Ausgangssperre nicht aus

Für den Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi (Grüne) sei die rote Ampel für seine Stadt "bedauerlich", wie er in einer Pressekonferenz am Freitagvormittag sagte. Zugleich warnte er aber: Sollten die Zahlen weiter steigen, könnten weitere Maßnahmen folgen. Zudem könne er eine Ausgangssperre zwar "derzeit" ausschließen, nicht jedoch für die Zukunft.

In der "Schublade" des Bürgermeisters seien "zu diskutierende, verschärfende Maßnahmen", welche die Sozialkontakte weiter einschränken, berichtete Willi über mögliche weitere Schritte der Stadt. Er werde sich jetzt aber "die nächsten Tage" anschauen. Immerhin bedeuten Einschränkungen einen "massiven Eingriff in unsere Freiheiten", gab er zu bedenken. Wiederholt appellierte er an die Innsbrucker Bevölkerung, sich an die nun geltenden Regeln zu halten. "Jeder hat eine Gesamtverantwortung für die große Gruppe", meinte er. Mit Stand Freitagvormittag waren 453 Menschen mit dem Virus infiziert. Der Bürgermeister wies zudem auf einen Cluster in einem Altersheim im Stadtteil Saggen hin, der problematisch sei.

Auch die Stadt Linz hatte für Freitagmittag kurzfristig zu einer Pressekonferenz mit dem Titel "Aktuelles zur Corona-Krise: Maßnahmen der Stadt Linz" eingeladen. Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) sagte, dass die Infektionen vor allem im privaten Rahmen geschehen und weniger am Arbeitsplatz, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in der Gastronomie. Gesundheitsstadtrat Michael Raml (FPÖ) kritisierte viele der Maßnahmen dementsprechend als "unverhältnismäßig".

Oberösterreich hat am Freitag außerdem wie erwartet die verpflichtende Gäste-Registrierung in der Gastronomie beschlossen. Zudem sollen die Schutzbestimmungen in Alters- und Pflegeheimen erhöht werden. Die am Montag in Kraft tretende Verordnung schreibt etwa das Tragen von Masken von Besuchern, Fiebermessen beim Eingang und Erfassung der Kontaktdaten vor.

Wien immer noch orange

Traditionell machten sich vor der Ampelschaltung auch Gerüchte breit, Wien werde rot werden. Aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) heißt es zum STANDARD, das sei vonseiten der Experten diesmal kein Thema gewesen. Dass es diesbezüglich Druck aus dem türkisen Bundeskanzleramt gebe, sei aber nicht überraschend. Wien sei aber auch nicht unter den neun Bezirken genannt worden, bei denen im Gremium eine Rot-Schaltung diskutiert wurde.

Laut dem Hacker-Sprecher konnte in Wien am Freitag zum fünften Mal in Folge ein Rückgang bei den Corona-Fallzahlen verzeichnet werden. Basis ist hier der vergleichende Siebentageschnitt, der Ausreißer nach oben und unten ausgleicht. Am Freitag gab es im 24-Stunden-Vergleich nur 230 positive Tests. Vergangene Woche lag diese Zahl teilweise über 600. Von einer Entspannung will man in Wien noch nicht sprechen. Die Zahlen seien derzeit aber stabil – und die Entwicklung stimme positiv.

Der Pressesprecher von Peter Hacker informiert über die Wiener Zahlen auf Twitter.

Wien spricht sich weiterhin gegen eine bundesweite Vorverlegung der Sperrstunde aus. Das würde Zusammenkünfte in den privaten, unkontrollierbaren Bereich verlagern. Verwiesen wurde auch darauf, dass es just dort Rot-Schaltungen durch die Ampelkommission gibt, wo aktuell bereits eine frühere Sperrstunde gilt. Das betrifft Innsbruck sowie Innsbruck-Land in Tirol und Hallein in Salzburg. (Lara Hagen, David Krutzler, Gabriele Scherndl, Michael Völker, 16.10.2020)