Emotion auf Leinwand: Hans Staudachers "Ich scheiß auf die Kunstkritik" aus dem Jahr 1990.

Foto: Galerie Susanne Bauer

Was auch immer Hans Staudacher 1990 genau die Laune verdorben hatte, etwa die mediale Nichtbeachtung seiner Werke in einer Ausstellung oder die abwertende Formulierung in einer Rezension, er verewigte sie unmittelbar auf Leinwand: "Ich scheiß auf die Kunstkritik – und du?"

Ein für den Tachismus als Spielart des Informel in der abstrakten Malerei und für Staudacher als dessen Vertreter derart charakteristisches Gemälde wird sich wohl kaum auf dem Markt finden lassen. Die damals spontane Empfindung entlockt gegenwärtigen Betrachtern unweigerlich ein Schmunzeln, wie Susanne Bauer erzählt.

28.000 Euro sind für das marktfrische Gemälde veranschlagt, das nun als Blickfang am Stand der Galeristin bei Wiener Messen gastiert: vergangene Woche bei der "Fair for Art" in der Wollzeile und dieser Tage bei der "Art Austria Highlights" (bis inklusive 18. 10.).

Kunst ab Hof

Letztere findet in einem Zeltbau im Hof des Museumsquartiers statt und war ursprünglich gar nicht geplant gewesen. Ein kurzfristig beschlossenes Projekt, wie Veranstalter Wolfgang Pelz (Art-Port GmbH) im Gespräch bestätigt, das innerhalb von eineinhalb Monaten "aus dem Boden gestampft wurde". Der "Achse der Willigen" sei Dank, streut Pelz seinen Stammausstellern Rosen. Immerhin muss zusätzlich zur Platzmiete in der Höhe von 55.000 Euro auch der Standaufbau über die Teilnahmegebühr der Galerien und Kunsthändler finanziert werden.

Das Format Art Austria ist hierzulande kein unbekanntes, nur die Standorte wechselten im Laufe der Jahre: 2008 bis 2010 fand sie in den Räumen des Quartier 21 im Wiener Museumsquartier und einem Zeltbau davor statt. 2011 übersiedelte man in das Leopold-Museum und bescherte diesem jährlich Mieteinnahmen in einer Größenordnung von 192.000 Euro sowie rund 28.000 zusätzliche Besucher. Ab 2017 hatte man sich samt durchschnittlich 40 Ausstellern im Gartenpalais des Fürsten Liechtenstein einquartiert.

Sicherheitsmaßnahmen

Die dieses Jahr für Juni im Museumsquartier anberaumte Art Austria musste aufgrund der Pandemie im Vorfeld abgesagt werden. Die 13. Auflage findet nun in verdichteter, will heißen deutlich verkleinerter Form mit nur 20 Ausstellern statt. Der Namenszusatz "Highlights" soll diese Reduktion auch auf dem Qualitätslevel der präsentierten Ware spiegeln.

Zu den gegenwärtig obligaten Sicherheitsmaßnahmen gehört das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes sowohl für die Aussteller als auch die Besucher, die sich, im Hinblick auf Contact-Tracing, mittels QR-Code über ihre Smartphones oder in einem Formular registrieren müssen. Anders als bei der Vienna Contemporary werden keine Time-Slots vergeben, stattdessen wird die Anzahl der 500 maximal zeitgleich zulässigen Gäste überwacht.

Diesem Prinzip wird man auch bei der von 5. bis 8. November in der Hofburg anberaumten "Art & Antique" folgen, an der 41 Aussteller teilnehmen. Hier wird es ein mit einer Vernissage vergleichbares Soft Opening auf Einladung geben, und Besucher werden sich vorab online registrieren können.

Schreckgespenst Lockdown

Sofern die Messe stattfindet und nicht Opfer verschärfter Maßnahmen der Regierung wird, um die wachsende Anzahl der Infektionen in Wien in den Griff zu bekommen. Das Schreckgespenst namens Lockdown geht seit vergangenem Wochenende auch in den Reihen des Kunsthandels um, als die Zeit im Bild im ORF darüber berichtete.

Dem TV-Innenpolitikchef und Vizechefredakteur Hans Bürger zufolge würden sich der 2. oder der 16. November für einen zwei- bis dreiwöchigen "partiellen Shutdown" abzeichnen, wie er aus Expertenkreisen erfahren habe. Ein solches Konzept befinde sich seit Wochen in Regierungskreisen in Ausarbeitung, präzisierte er im STANDARD-Gespräch. Schulen oder Lebensmittelgeschäfte wären davon vermutlich nicht betroffen. Alles andere würde noch geprüft und debattiert.

Im benachbarten Deutschland ist die Situation nur unwesentlich anders. Dort sorgen punktuell für Personen aus Risikogebieten verhängte Beherbergungsverbote für ein erhebliches Durcheinander. Bei Redaktionsschluss waren die Verhandlungen für eine bundesweite Regelung noch im Gange.

Ob und inwieweit sie oder nachfolgende Verschärfungen Auswirkungen auf Kunstmessen in München und die daran teilnehmenden Aussteller aus Österreich haben werden, ist nicht absehbar. Veranstaltungsverbote drohen da wie dort.

Chat mit Ausstellern

Erst am Wochenende wurde die für 17. bis 25. Oktober im Haus der Kunst geplante Kunst & Antiquitäten München, die heuer zum 100. Mal stattgefunden hätte, offiziell endgültig abgesagt. Gemunkelt hatte man darüber schon länger. Laut aktuellem Stand soll die Highlights Internationale Kunstmesse München planmäßig vom 22. bis 25. Oktober in der Residenz Hof halten. Die virtuelle Vorschau über die Plattform Artsy (bis 4. 11.) lässt den Glanz des einst für seine Qualität berühmten Formats jedoch schnell verblassen.

Der Kunsthandel, der in den letzten Monaten mit massiven wirtschaftlichen Einbußen zu kämpfen hat, ist um Alternativen zu klassischen Kunstmesseformaten bemüht. Wienerroither & Kohlbacher quartieren sich beispielsweise temporär für eine Gruppenpräsentation in der Galerie Arnoldi-Livie in München ein. Unter dem Titel Kunst 5 (20.–25. 10.) zeigen die fünf Teilnehmer jeweils fünf Kunstwerke.

Ergänzend testen die Wiener das Experiment der Online-Kunstmesse "ArtCity" (23.–28. 10.), bei der Besucher sich wie bei einem Videospiel in virtuellen Räumen bewegen, mit den Ausstellern chatten oder an Führungen mit Kunsthistorikern teilnehmen können. (Olga Kronsteiner, 17.10.2020)