Die Abwehr von Eindringlingen fängt schon an den Grenzflächen zwischen Außenwelt und Körperinnerem an, also an den Schleimhäuten und der Haut. In den Atemwegen etwa liegen Millionen Flimmerhärchen. Sie bewegen sich wie eine Unterwasserwiese aus Seetang im Gleichklang.

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Wenn Erreger ins Körperinnere gelangen, dann wird das Immunsystem aktiv und sorgt dafür, dass Immunzellen, Botenstoffe und molekulare Werkzeuge die Eindringlinge möglichst zügig unschädlich machen. Auf welcher Stufe der Abwehr dies gelingt, hängt unter anderem davon ab, wie fit das Immunsystem ist, ob erblich bedingte Immundefekte vorliegen, wie aggressiv der Krankheitserreger ist – und um welche Art von Erreger es sich handelt. Unser Immunsystem ist damit im Allgemeinen gut beschäftigt.

Dabei bekommen die Immunzellen allerdings nur einen Teil jener Angreifer zu sehen, die tagtäglich auf uns einstürmen. Die Abwehr von Eindringlingen fängt nämlich schon an den Grenzflächen zwischen Außenwelt und Körperinnerem an, also an den Schleimhäuten und der Haut. Die erste Verteidigungslinie bilden natürliche chemische und mechanische Schutzbarrieren von Haut, Lunge und Darminnerem. Da gehören Enzyme im Speichel und in der Tränenflüssigkeit, die Lysozyme, genauso dazu wie antimikrobiell wirksame Sekrete von Talg- und Schweißdrüsen der Haut.

Die Haut selbst erinnert in ihrem Aufbau an eine Festungsmauer aus backsteinartig verzahnten Zellen. Eine auf ihr lebende gesunde Bakteriengemeinschaft, das Hautmikrobiom, erschwert fremden Keimen den Zugang in die Haut. Ist diese Barriere aber gestört, wie das etwa bei Neurodermitis der Fall ist, fällt es den Eindringlingen leichter, die Festungsmauer zu überwinden.

Mukus soll Angreifer stoppen

Eine weitere wichtige Waffe zur Abwehr von Erregern ist der von lokalen schleimproduzierenden Drüsen, den Becherzellen, hergestellte Schleim auf den Schleimhäuten der Atemwege und des Darminneren. Dieser sogenannte Mukus (lat. Mucus) bildet eine zähe Schicht, eine Art Hydrogel. Seine Hauptbestandteile sind langgezogene Zucker-Protein-Ketten. Das aus den Mucinen gebildete Netzwerk ist für Erreger nur schwer zu durchdringen. Viele Eindringlinge bleiben deshalb bereits im Schleim stecken. Leider nicht Sars-CoV-2. Das Virus scheint die Schutzwirkung des Schleims verringern zu können.

In den Atemwegen liegt außerdem ein Teppich aus Millionen Flimmerhärchen, das sogenannte Flimmerepithel, das den Großteil der Atemwege auskleidet. Außer den die Flimmerhärchen tragenden Schleimhautzellen sind auch schleimproduzierende Becherzellen Teil des Flimmerepithels.

Wie eine Unterwasserwiese aus Meerestang sich im Wasser im Gleichklang bewegt, flimmern die Härchen in koordinierter Weise allesamt etwa 1.000-mal pro Minute im Takt. Auf diese Weise katapultieren sie den sie bedeckenden Schleim mitsamt der Fracht aus Schadstoffen wie etwa Nikotin und Bakterien hochkant ins Freie.

Koordinierte Bewegung

Aber woher wissen die Flimmerhärchen in der Luftröhre, dass sie diese natürliche Abwehrreaktion gegen Bakterien starten müssen? Dies haben der Neurophysiologe Frank Zufall und seine Mitarbeiter von der Universität des Saarlandes gemeinsam mit anderen Forschergruppen kürzlich herausgefunden und die Ergebnisse im Fachmagazin "Immunity" veröffentlicht.

Für die Lunge gefährliche Bakterien setzen bestimmte bakterielle Peptide frei. Spezialisierte chemosensorische Sinneszellen in der Luftröhre können diese Peptide wahrnehmen. Dafür haben sie auf ihrer Oberfläche spezielle Rezeptoren. Wenn die bakteriellen Peptide an den Chemorezeptoren andocken, dann löst dies eine Signalkaskade in der Zelle aus. Im Zellkern wird die Genregulation verändert und vermehrt der Botenstoff Acetylcholin gebildet und ausgeschüttet. Das Acetylcholin dockt seinerseits an einem Rezeptor auf benachbarten Flimmerhärchen an. Das löst deren koordinierte Bewegung aus.

Doch Sars-CoV-2 schwächt offenbar die Abwehr durch die Flimmerhärchen. Wissenschafter vom Berlin Institute of Health (BIH), der Charité – Universitätsmedizin Berlin und der Thoraxklinik des Universitätsklinikums Heidelberg haben an Probenmaterial aus nicht virusinfizierten Patienten untersucht, welche Zellen in der Lunge und in den Bronchien vom Coronavirus infiziert werden können. Dabei stellten sie fest, dass in den Bronchien vor allem bestimmte Vorläuferzellen die Rezeptoren für das Coronavirus herstellen und so dem Virus die Möglichkeit bieten, an sie anzudocken und sein genetisches Material ins Zellinnere einzuschleusen. Die Vorläuferzellen gehen infolge der Infektion zugrunde. Normalerweise würden sie sich zu den Zellen im Atemtrakt weiterentwickeln, die mit ihren Flimmerhärchen dafür sorgen, dass Schleim und Bakterien aus der Lunge heraustransportiert werden. Das könnte bedeuten, dass das Flimmerepithel wegen Sars-CoV-2 seine Abwehraufgaben nicht mehr so gut erfüllen kann.

Säurebad im Magen

Viren und Bakterien, die statt der Luftröhre die Speiseröhre als Route wählen, erwartet ein unfreundliches Säurebad im Magen, das zudem noch von aggressiven Enzymen unterstützt wird. Es ist für viele Eindringlinge tödlich. Gelangen bakterielle Angreifer wie beispielsweise Salmonellen trotzdem in den Dickdarm, dann müssen sie mit Milliarden Bakterien, der Darmmikrobiota, klarkommen. Sie leben in der Schleimschicht des Dickdarms und verteidigen ihre jeweilige Lebensnische gegen Eindringlinge.

In den meisten Fällen gelingt es den pathogenen Keimen nicht, dieses äußere Schutzwallsystem zu überwinden. Zumal sich nach einem früheren Kontakt des Immunsystems mit dem Erreger bereits Antikörper im Blut und auf den Schleimhäuten befinden, die die Keime zusätzlich blockieren können. Aber es ist ratsam, diesen Teil der Abwehr fit zu halten – etwa indem man auf Rauchen verzichtet, die Haut gut pflegt, ausreichend schläft und sich gesund ernährt.

Es gibt zwar kein Fitnessstudio fürs Immunsystem, aber der Lebensstil eines Menschen kann sich stark darauf auswirken. Wichtig ist, sich mit frischen Früchten, Gemüse, Nüssen und Saaten vitamin- und mineralstoffreich zu ernähren und auf eine gute Zinkversorgung zu achten. Moderater Sport kann sowohl direkt ein echter Booster für die Abwehr sein als auch indirekt, weil Sport auch Stress abbaut. Die Skelettmuskulatur etwa hilft dem Immunsystem, weil ihre Kontraktion zur Produktion kleiner Proteine, den Myokinen, führt, die Entzündungen im Körper entgegenwirken. (Gerlinde Felix, 18.10.2020)