Es wirkt wie ein fauler Zaubertrick, bei dem der Magier auf der Bühne Menschen verschwinden lässt. Rund tausend Frauen beenden jedes Jahr ihr Jusstudium und bilden damit die Mehrheit der Absolventen. Viele von ihnen werden Rechtsanwaltsanwärterinnen und legen noch die Anwaltsprüfung ab. Doch dann sind die meisten plötzlich weg – weil sie in Rechtsabteilungen von Unternehmen wechseln oder in ein anderes Gebiet. Der weibliche Anteil in der aktiven Anwaltschaft beträgt ein knappes Viertel, und je höher die Karrierestufe in den Kanzleien, desto männlicher wird das Bild. Bei den Juniorpartnern gibt es noch viele Frauen, bei den Equity-Partnern, die am besten verdienen, sind nur drei Prozent weiblich.

Es sind diese geringen Aufstiegschancen, die viele Frauen aus der Branche vertreiben, ebenso wie die Schwierigkeiten, angesichts der harten Arbeitsbedingungen Karriere und Familie miteinander zu verbinden. "Wer Zeit mit Familie und Kindern haben will, kann nicht Partner werden", sagt die Juristin Sophie Martinetz, Gründerin des Vereins Women in Law – Austria. "Wenn man von acht bis 22 Uhr arbeiten muss, und jedes Wochenende, dann sagen viele Frauen: Nein, das will ich nicht. Sie treffen für sich die beste Entscheidung, aber es liegt an der Struktur, die sich ändern muss." Auch viele qualifizierte Männer wollten nicht mehr im Hamsterrad der traditionellen Anwaltstätigkeit gefangen sein und forderten eine bessere Work-Life-Balance.

Je weiter es an die Spitze geht, desto weniger Frauen gibt es im Anwaltsberuf.
Foto: imago images/Rupert Oberhäuser

Diesen Wandel voranzutreiben ist Ziel der heuer zum dritten Mal verliehenen "Promoting the Best"-Preise, bei denen die Förderung von Frauen eine Schlüsselrolle spielt. Bei den vor wenigen Tagen verliehenen Awards wurde heuer PwC Legal, (Oehner & Partner Rechtsanwälte) als Kanzlei mit weniger als 30 Juristinnen und Juristen ausgezeichnet sowie die Kanzlei PHH Prochaska Havranek Rechtsanwälte für den 21st Century Award für Förderung der Gleichberechtigung. Für diesen hatte sich in den vergangenen Jahren niemand beworben, diesmal gleich mehrere, die zeigen wollen, wie sehr sie bei ihren Mitarbeitern Väterkarenz und Teilzeit fördern. Als beste Juristin wurde die auch in sozialen Medien sehr aktive Familienrechtlerin Carmen Thornton ausgezeichnet, als Juristin des Jahrzehnts ihr Vorbild Helene Klaar, die bekannteste Scheidungsanwältin des Landes. Ziel all dieser Preise sei es, "positive Denkanstöße zu geben und jene sichtbar zu machen, die sich um Frauen bemühen", sagt Martinetz.

Von anderen Ländern lernen

Einen etwas anderen Weg geht die Kanzlei Alix Frank Rechtsanwälte, die für ihren Verein ebenfalls den Namen Women in Law gewählt hat. Sie vergibt heuer im November zum zweiten Mal die Justitia-Awards, wegen der Corona-Pandemie nur online. Dabei werden neben Anwältinnen, die als Game-Changer aufgefallen sind, führende internationale Juristinnen und einflussreiche Rechtsprofessorinnen aus dem In- und Ausland ausgezeichnet. In der Kategorie "Young Achievers / Game Changers / Pioneers" ist etwa die junge Ägypterin Omnia Gadalla nominiert, die gerade das Recht einklagt, Richterin zu werden, was in Ägypten Frauen meist verwehrt bleibt.

Für Kanzleigründerin Alix Frank-Thomasser ist der internationale Charakter des Preises und der Veranstaltung entscheidend. "Nur so kann man lernen, über die Grenze zu schauen. Der Input von außen wird auch Frauen in Österreich positiv beeinflussen."

Während die Lage für Anwältinnen in Deutschland und der Schweiz der in Österreich vergleichbar ist, könne man von Frankreich und Großbritannien lernen, betont Frank-Thomasser. Sie verweist auf die Tätigkeit von Christina Blacklaws, Präsidentin der Law Society of England and Wales bis 2019. "2016 wurden die Gehälter in Kanzleien erstmals veröffentlicht, und da hat sich gezeigt, dass Partnerinnen um 60 Prozent weniger verdienen als Partner. Viele junge Frauen haben daraufhin Kanzleien verlassen, was einen großen Verlust bedeutet hat. Blacklaws hat sich als neue Präsidentin erheblich bemüht, das umzudrehen, und es hat Wirkung gezeigt."

Keine Männervereine

Auch von Unternehmen komme in vielen Ländern immer mehr Druck, dass ihre Rechtsberater keine Männervereine sind. "Wenn große Unternehmen Aufträge vergeben, schauen sie auch auf die Diversität", sagt Frank-Thomasser. In Österreich sei das noch nicht der Fall, "aber es wird uns mit der Zeit ebenfalls treffen".

Aber auch in Österreich würden immer mehr Rechtsabteilungen von Frauen geleitet, und die würden auch auf die Diversität in den Kanzleien achten, glaubt Martinetz. Dabei würden Quotenfrauen wenig nutzen, denn eine einzelne Frau in der Partnerriege mache noch keinen Unterschied, sagt sie. "Erst ab 30 Prozent beginnt es, dass man nicht mehr als Frau wahrgenommen wird, sondern dass es zur Normalität wird."

Der Wandel müsse an der Universität beginnen, sagt Franz Heidinger, Partner bei Alix Frank. Er hat eine Lehrveranstaltung über "Women in Law" am Juridicum initiiert, die ab 2021 auch an der WU angeboten wird. Das Interesse sei enorm, sagt er, mit einem Schönheitsfehler: Nur 15 Prozent der Teilnehmer sind Männer. "Unser Ziel ist ein Viertel, aber eigentlich müssten es 50 Prozent sein." (Eric Frey, 16.10.2020)