Leistbares Wohnen in Namibia: Mit den Jahren sollen hier insgesamt 15.000 Wohnhäuser samt begleitender Infrastruktur entstehen. Die Bewohner sind in vielen Fällen Staatsangestellte.
Foto: AEE INTEC / Soltrain

Etwa 800 Häuser sind schon fertig, ebenso viele Familien sind eingezogen. Pro Jahr sollen hier, inmitten der für Namibias Binnenhochland typischen Savanne, jeweils 300 weitere Unterkünfte gebaut werden. Schule, Klinik, Shopping-Center und weiteres Stadtinventar sollen dazukommen.

Langfristig soll das erst wenige Jahre alte Osona Village, etwa 60 Kilometer nördlich der Hauptstadt Windhoek, auf 15.000 Häuser und 60.000 Einwohner anwachsen. Im Moment ist es das größte sogenannte "Affordable Housing"-Projekt des Landes.

Solarthermie-Kollektor für jedes Haus

Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen, die die hohen Kaufpreise in Windhoek meiden wollen, finden hier eine adäquate Immobilie. Zum Großteil sind es Staatsangestellte, die beim Militär, im Tourismus, in Krankenhäusern arbeiten.

Die Raten der staatlichen Wohnbaukredite für das Eigentum sollen nicht höher sein als eine Miete in der Hauptstadt. Das Besondere an dieser gerade entstehenden Stadt: Wirklich jedes Haus soll mit einem Solarthermie-Kollektor ausgestattet werden. Das ist hier im südlichen Afrika alles andere als selbstverständlich.

Strom aus Kohlekraftwerken

Denn der Status quo ist, dass Warmwasser elektrisch aufbereitet wird. Der Strom dafür kommt zu großen Teilen aus den Kohlekraftwerken Südafrikas, der auch in die umliegenden Staaten exportiert wird.

Die großen Steinkohlevorkommen des Landes ergeben, gepaart mit ineffizienter Verwaltung und mangelnder Modernisierung, eine aus Klimaschutzperspektive nicht unbedingt günstige Kombination. Man könnte sich fragen: Wo bleibt in dieser Region mit ihrer hohen Sonneneinstrahlung und den windigen Küsten die Nutzung erneuerbarer Energie?

Die Antwort lautet: Sie kommt, aber langsam. Und sie kommt immer öfter in einer Weise, die auch nachhaltig Sinn macht. In der Vergangenheit geschah es viel zu oft, dass billige Anlagen niedriger Qualität hierhin verkauft wurden. Wartung ist kaum ein Thema, qualifiziertes Personal fehlt. Man hört von Anlagen, die seit vielen Jahren bestehen, aber mutmaßlich niemals funktioniert haben.

800 Wohnhäuser im Osona Village sind bereits bezogen. Sie alle tragen unscheinbare Thermosiphonanlagen. In der Masse entfalten sie aber große Wirkung.
Foto: AEE INTEC / Soltrain

Abhängigkeiten von Stromimporten reduzieren

Ein Experte, der sich im großen Stil um eine qualitätsvolle Intensivierung der Solarnutzung im südlichen Afrika bemüht, ist Werner Weiss. Im Dienste des Forschungsunternehmens AEE Intec aus Gleisdorf in der Steiermark – ein Mitglied des Forschungsnetzwerks Austrian Cooperative Research (ACR) – leitet er das Projekt Soltrain ("Southern African Solar Thermal Training and Demonstration Initiative"), das über die Austrian Development Agency (ADA), die Österreichs Entwicklungszusammenarbeit abwickelt, finanziert wird.

Solarthermie besteht aus Panelen, die eine Flüssigkeit aufheizen, die wiederum das Wasser in einem Tank erwärmt. Mit einer breiteren Nutzung könnte, so das Kalkül, die Abhängigkeit von Stromimporten reduziert werden.

"Für Einfamilienhäuser, wie sie auch im Osona Village gebaut werden, reichen sogenannte Thermosiphonanlagen, die keine eigene Pumpe benötigen", erklärt Weiss. Bei diesen passiv arbeitenden, thermischen Solaranlagen sind Wasserspeicher und Panele meist in einem Element verbunden. "Sie sind einfach aufgebaut und wenig wartungsintensiv. Richtig installiert laufen sie für Jahre", resümiert Weiss.

Einstieg in die Sonnenkraft

Aus europäischer Sicht ist das Low-Tech, aber in Ländern ohne eigene Solarindustrie, in denen speziell geschulte Installateure und Servicekräfte rar sind, sind sie der optimale Einstieg in die Sonnenkraft. Auch kleine Bauunternehmer und "One-Man-Shows" können verhältnismäßig einfach ausgebildet werden und so am Entstehen eines Marktes für Solarenergie im südlichen Afrika mitarbeiten.

Dank Soltrain werden diese Ausbildungsmöglichkeiten vor Ort geboten. Man bemüht sich zudem um Qualitätsstandards bei der eingesetzten Technik und um Aufklärungsarbeit bei Entscheidungsträgern. Abgesehen von der Corona-Krise, die die Schulungen heuer ausbremst, läuft das Projekt seit mehreren Jahren erfolgreich.

Vermittlung von Know-How

In der Ausbildung wird vermittelt, welche Anlagentypen es gibt, wie sie funktionieren und wie man sie richtig dimensioniert. In einem praktischen Teil werden Solareinheiten vor Ort Schritt für Schritt installiert – vom Bohren der Dachdurchführungen und dem Verlegen der Rohrleitungen bis hin zum Füllen mit Wasser und der Frage, wie man die Luft aus den Anlagen bekommt.

Die Vermittlung des elementaren Know-hows ist eine wichtige Grundlagenarbeit für eine Branche, die sich gerade erst entwickelt. Auch die Bauunternehmer von Osona werden in dieser Weise von Weiss’ Team geschult.

Dass bei Bau und Verwaltung in Osona alles einen geordneten Gang geht, dafür ist Alex Goethje zuständig. Er ist der Chef der Betreibergesellschaft Solar Property Management Company – und überraschenderweise ein Interviewpartner, mit dem man auf Deutsch reden kann. Die Großeltern des deutschstämmigen Namibiers wanderten in das Land ein, das bis 1915 zum Teil eine deutsche Kolonie war.

Die Ausstattung von Einfamilienhäusern mit Solarthermieanlagen soll die Abhängigkeit von Stromimporten verringern.
Foto: AEE INTEC

Infrastrukturvorteile

Goethje berichtet, dass sich das Gebiet der Osona-Siedlung aufgrund der Infrastruktur anbot. Das 11.000 Hektar große Areal liegt nahe der Stadt Okahandja, einem Zentrum des Herero-Volks. Das frühere Farmland liegt an einer kürzlich mehrspurig ausgebauten Straße, entlang der sich Betriebe von der Zementfabrik bis zur Hühnerfarm ansiedeln.

Es gibt ein großes Wasserreservoir und eine Umspannstation, die vorerst ausreichend Strom liefert. Die Umgebung ist von den staubigen Böden und typischen Dornsträuchern der Savanne geprägt. In der Ferne ragen die Bergketten des Hochlands auf.

Hier ist auch ein großer wirtschaftlicher Vorteil der Ausstattung der Häuser mit Solarthermie zu verorten. "Je weniger Strom dank der Solarpanele benötigt wird, deto länger reicht die bestehende Infrastruktur aus", erklärt Goethje. "Das ist eine wichtige Voraussetzung, um den Preis niedrig zu halten." Müssen neue Stromleitungen gespannt werden, macht das die Grundstücke und das Wohnen in Osona teurer.

Technik klimatisch angepasst

Auch Goethje betont, wie wichtig es ist, qualitätsvolle, den klimatischen Verhältnissen angepasste Technik zu installieren. "Wir haben hier ein harsches Klima. Im Sommer ist es sehr heiß, im Winter kalt. Wir haben heftige Winde, und wenn es einmal regnet, dann richtig stark. Viele der ,solar geysers‘ sind für unsere Bedingungen nicht geeignet."

Mit seinem Team sorgt Goethje dafür, dass die Bauunternehmen, die sich hier einkaufen, Häuser hochziehen und wieder verkaufen, die Baunormen einhalten – auch jene Standards, die im Rahmen von "Soltrain" für die Solarthermie-Anlagen festgelegt wurden. Ein paar der bestehenden Häuser haben Weiss und Kollegen zudem mit Testequipment ausgestattet, um die Effektivität der Anlagen und die Ersparnis, die sie bewirken, zu messen. Weiss rechnet mit der Halbierung des Stromverbrauchs – mit entsprechenden Rückgang der Kosten für die Bewohner.

Die berühmten toten Wüstenbäume des Dead-Vlei-Naukluft-Parks in Namibia. Die hohe Sonneneinstrahlung soll besser genutzt werden.
Foto: Getty Images / iStock / Urs Zihlmann

Land sucht Industrie

Helvi Ileka hofft, dass Housing-Projekte wie Osona die Nachfrage nach Solartechnologie in Namibia deutlich erhöhen, sodass sich auch die Industrie dafür interessieren könnte, Anlagen in diesem Land herzustellen. Ileka leitet ein Forschungszentrum für Erneuerbare Energie an der Namibia University of Science and Technology, das auch als lokaler Partner in "Soltrain" involviert ist.

Zur Zeit gibt es keine Produktion von Solartechnik im Land, bereits bestehende Photovoltaik-Fabriken mussten schließen, weil sie mit den Weltmarktpreisen nicht mithalten konnten. "Namibia hat nur zweieinhalb Millionen Einwohner. Um auf internationalen Märkten konkurrenzfähig zu sein, müssen wir es schaffen, für die ganze Region im Süden Afrikas zu produzieren", sagt Ileka. Auch mit Industrievertretern aus Österreich wurde darüber gesprochen.

Gemeinden ohne Stromnetz

Neben einer "Solar Thermal Roadmap", die den Ausbau der Solarthermie vorsieht, überblickt Ileka noch eine Reihe weiterer Projekte zu erneuerbarer Energie. Namibias große geographische Ausdehnung sorgt für enorme Verluste bei den langen Überlandleitungen. Diesem Umstand wird durch Photovoltaik-Kraftwerke in bisher zwölf Provinzhauptstädten entgegengewirkt, die jeweils eine Leistung von fünf Megawatt aufweisen, erklärt die Energieexpertin aus Windhoek.

Gleichzeitig gibt es eine Reihe ländlicher Gebiete, die noch gar nicht an ein Stromnetz angeschlossen sind. Etwa zehn davon haben eine Größe von 200 bis 300 Haushalten, schätzt Ileka. In einem ihrer Projekt arbeitet sie an der Elektrifizierung dieser Off-Grid-Communitys.

"Dort, wo es öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Polizeistationen oder Kliniken gibt, sollen sogenannte Minigrids entstehen." Photovoltaik-Anlagen sollen, gepaart mit Diesel-Aggregaten, diese Einrichtungen und die Siedlungen rundherum mit Energie versorgen. Haushalte können dann mittels sogenannter Prepaid-Meter Energieguthaben aufladen und verbrauchen. Gleichzeitig sollen in den Landgebieten Energy Shops entstehen, die Energietechnik vom Kabel bis zum Solarpanel zugänglich macht.

In Südafrika – wie hier in Kapstadt – entstanden im Zuge des "Soltrain"-Projekts bereits größere Anlagen zur Warmwasserbereitung.
Foto: AEE INTEC / Soltrain

Nationale Energiestrategie

Auch Windkraftanlagen des staatlichen Energieversorgers Nampower sollen in den kommenden Jahren ans Netz gehen. Ilekas Institut unterstützt etwa die Erforschung des Windkraftpotenzial des Landes durch ein Messstationen-Netz an Mobilfunktürmen. Auch Speichertechnologien werden erprobt.

Im Moment ist das Land noch zu etwa 70 Prozent von Stromimporten abhängig, 30 Prozent werden im Land gewonnen. Eine nationale Energiestrategie sieht vor, dass sich dieses Verhältnis bis 2030 umdreht. 70 Prozent sollen dann durch erneuerbare Energie im eigenen Land gedeckt werden.

Im Nachbarland Südafrika, in dem "Soltrain" ebenfalls engagiert ist, scheint die Übermacht der Kohle kaum zu brechen zu sein. Insider im Land hoffen, dass in Zukunft Abscheidetechniken, die das CO2 aus den Kraftwerkschloten holen, die Lösung sein könnten.

Lokale Wirtschaft stärken

Immerhin, auch die Solar-Szene ist hier bereits gewachsen. Mithilfe von "Soltrain" konnten neben vielen Mini-Projekten bereits Solarthermie-Großanlagen, die Universitäten oder kleinere Industriebetriebe versorgen, realisiert werden. Zudem streckt man die Fühler auch in die umliegenden Staaten aus, macht Projekte in Botswana, Lesotho, Mosambik und Simbabwe.

Bis 2030 soll, wenn alles gutgeht, auch Osona auf mehrere Tausend Wohnhäuser anwachsen. Vielleicht tragen die Dächer dann bereits Anlagen, die in Namibia produziert wurden. Für Ileka und Weiss scheint es jedenfalls hoch an der Zeit, dass die Sonne Afrikas im größeren Stil hilft, die CO2-Emissionen zu verringern und gleichzeitig die lokale Wirtschaft zu stärken. Das Potenzial dafür hätte sie. (Alois Pumhösel, 2.1.2021)