"Bereits mit dem GD vereinbart", schrieb ORF-Stiftungsratschef Norbert Steger in einer Nachricht an FPÖ-Funktionäre über geplante Besetzungen bei orf.at.

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Wien – Die ORF-Redakteure kritisierten am Freitag in einer Aussendung die Postenschacherpläne von ÖVP und FPÖ rund um die Installierung von Führungskräften im Jahr 2019 bei orf.at. Der Anlass ist der "Profil"-Bericht über eine Chatnachricht von Stiftungsratschef Norbert Steger (FPÖ) über eine "Übereinkunft mit der ÖVP" und eine entsprechende Vereinbarung mit ORF-General Wrabetz, wie die Chefredaktion und die Geschäftsführung der ORF-Onlinetochter ORF On zu besetzen sei – DER STANDARD berichtete darüber.

Redakteure fordern Ende der Absprachen

Der ORF-Redakteursrat schreibt: "Es ist das erste Mal, dass offenbar klare Absprachen zwischen hohen politischen Parteifunktionären und dem Vorsitzenden des ORF-Stiftungsrates öffentlich werden. Wir sind empört, wie sehr die Parteipolitik die Personalauswahl im ORF bestimmen will. Es ist dreist, wie hier gegen das ORF-Gesetz verstoßen werden soll. Die gesetzlich vorgeschriebene 'Unabhängigkeit von Personen und Organen des ORF' wird ignoriert. Es geht bei Postenbesetzungen offenbar in erster Linie um echte oder vermutete Nähe zu politischen Parteien und nicht um die fachliche Qualifikation von Bewerber/innen", heißt es. Und: "Die parteipolitischen Absprachen bei der Auswahl von Personal im ORF müssen endlich aufhören", fordert der Vorsitzende des Redakteursrates, Dieter Bornemann.

Und ORF-Moderator Armin Wolf schreibt auf Twitter: "Wäre ich Herr Steger, ich würde ein Sabbatical nehmen, durch die Welt fahren und mich neu erfinden."

Nur fünf von 35 ORF-Stiftungsräten unabhängig

Die ORF-Redakteursvertretung lässt bereits seit Jahren kein gutes Haar an der Zusammensetzung des Stiftungsrates: "Wenn von 35 Mitgliedern 30 den Parteien zugeordnet werden und gerade einmal fünf Stiftungsräte als unabhängig gelten, spielt die Parteipolitik eine viel zu dominante Rolle. Wenn Dr. Norbert Steger als ehemaliger FPÖ-Parteichef vom Stiftungsrat zum 'unabhängigen' Vorsitzenden gewählt wird, zeigt sich, wie sehr Parteipolitik im ORF das Sagen hat."

Wenn ganze "Personalpakete" in Parteizentralen vereinbart würden und sich der Stiftungsratsvorsitzende auf angebliche Absprachen mit dem ORF-Generaldirektor berufe, dann führe das alle gesetzlich und intern vorgesehenen Ausschreibungen, Hearings und Bewerbungsprozesse im ORF ad absurdum, kritisieren die Redakteursvertreter. Sie fordern eine Änderung des ORF-Gesetzes:

Im Wortlaut:

  • "Einen transparenten Prozess bei der Besetzung des Stiftungsrates mit anerkannten Expert/innen statt parteinahen Mitgliedern.

  • Die Auflösung der politischen Fraktionen ("Freundeskreise") im Stiftungsrat, da sie der verfassungsrechtlich garantierten politischen Unabhängigkeit des ORF widersprechen.

  • Eine/n fachlich untadelige/n Medienexpert/in an der Spitze des Stiftungsrates.

  • Echte Mitspracherechte der Redaktionen bei der Bestellung von Führungskräften. So wie in anderen Qualitätsmedien soll ein/e von der Geschäftsführung vorgeschlagener Chefredakteur/in sich einer Abstimmung der Redaktion stellen müssen und auch abgelehnt werden können.

  • Ein Ende des anachronistischen "Anhörungsrechtes" der Landeshauptleute bei der Bestellung von Landesdirektor/innen.

Denn der ORF gehört nicht den Parteien, sondern den Österreicherinnen und Österreichern."

Politische Absprachen zu Postenbesetzungen bei orf.at

Den Forderungen des Redakteurrats schlossen sich am Freitag auch die Belegschaftsvertreter und Redakteurssprecher von orf.at an. Man sei "fassungslos und entrüstet" über die enthüllten Chats, die eine "politische Absprache über Besetzungen der Geschäftsführung, des Chefredakteurs und einer Stellvertreterin" bei orf.at dokumentieren, heiß es in einem Brief an Wrabetz. Man fordere eine umfassende Aufklärung über alle politischen Absprachen zu Postenbesetzungen bei orf.at, denn derartiges unterminiere das Vertrauen der Öffentlichkeit in den ORF und seine unabhängige Berichterstattung insgesamt, schrieb die orf.at-Redakteursvertretung. (red, 16.10.2020)