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Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat der Türkei im Mittelmeer-Gasstreit mit Sanktionen gedroht.

Foto: AP/Johanna Geron

Brüssel/Ankara/Athen – Die EU-Staats- und Regierungschefs haben die Türkei aufgefordert, im Konflikt um Gasbohrungen im östlichen Mittelmeer Gesprächsbereitschaft zu zeigen. Der EU-Gipfel bedauerte am Freitag "erneute einseitige und provokative Aktionen" vonseiten Ankaras. Die Teilnehmer erklärten dabei erneut "volle Solidarität mit Griechenland und Zypern".

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat der Türkei mit Sanktionen gedroht, wenn die Türkei die Provokationen nicht einstelle. Seitens der Türkei würde "eine Provokation der nächsten folgen", kritisierte er. Die Türkei gehe auch gegen politisch Andersdenkende vor, habe politische Gefangene und verwende die Migration als Waffe, so Kurz weiter. Außerdem gebe es türkische Völkerrechtsverletzungen gegenüber Griechenland und Zypern. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete die jüngste Entwicklung als "bedauerlich".

Gasstreit

Die Türkei hatte am Montag ihr Gas-Erkundungsschiff Oruc Reis erneut in das umstrittene Gebiet südlich der griechischen Insel Kastelorizo entsandt. Auch die Öffnung des seit Jahrzehnten abgesperrten Küstenorts Varosha im von der Türkei militärisch besetzten Nordteil Zyperns wurde von der EU als Provokation aufgefasst. Der Gipfel verwies in seiner Erklärung nun ausdrücklich auch auf Varosha.

Wie schon Anfang des Monats beschlossen, wollen die Staats- und Regierungschefs zur Türkei-Frage bei ihrem Gipfeltreffen im Dezember Bilanz ziehen. Anfang Oktober hatten die Staats- und Regierungschefs Ankara mit Sanktionen gedroht, wenn es im Gasstreit nicht einlenkt. Gleichzeitig wurden als Anreiz wirtschaftliche Vorteile wie Verhandlungen über eine Ausweitung der Zollunion mit der EU in Aussicht gestellt.

EU-Budgetstreit

Merkel hat indes eine rasche Einigung in den Verhandlungen mit dem EU-Parlament zum nächsten Gemeinschaftshaushalt gefordert. Es müsse eine Einigung in "wenigen Wochen" geben. Andernfalls werde es vorerst auch kein grünes Licht für den 750 Milliarden Euro schweren Hilfsfonds gegen die Corona-Krise geben.

Die Staats- und Regierungschefs hatten sich im Juli nach tagelangen Verhandlungen auf ein EU-Mehrjahresbudget mit einem Volumen von 1.074 Milliarden Euro geeinigt. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft verhandelt seit nunmehr sieben Wochen mit dem Europaparlament darüber. Die Gespräche stecken fest, weil die Abgeordneten ein deutlich höheres Budgetvolumen fordern.

In Hinblick auf die äußerst schwierige Einigung unter den Mitgliedsstaaten im Juli lehnt es die deutsche Ratspräsidentschaft ab, das Gesamtvolumen des Haushalts aufzustocken. "Uns geht es um eine Umsetzung der Ergebnisse vom Juli", bekräftigte Merkel nun. Das habe der EU-Gipfel in einem Austausch mit Parlamentspräsident David Sassoli noch einmal deutlich gemacht.

Angesichts der schleppenden Verhandlungen drängt das EU-Parlament darauf, den eng mit dem Haushalt verknüpften Corona-Hilfsfonds bereits vorher auf den Weg zu bringen. Merkel hielt dies nicht für machbar. "Es wird nicht möglich sein, ein einstimmiges Votum im Rat zu bekommen", bevor die Haushaltsverhandlungen abgeschlossen seien, sagte sie dazu.

Rechtsstaatsmechanismus

Die deutsche Kanzlerin verwies darauf, dass zu dem Gesamtpaket auch die Rechtsstaatlichkeit gehöre. Die Forderung nach härteren Regelungen für Kürzungen von EU-Geldern bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit ist ein weiteres schwieriges Streitthema in den Budgetverhandlungen.

Ein Kompromiss unter den Mitgliedsstaaten sieht eine entschärfte Version dieses Rechtsstaatsmechanismus vor. Eine breite Mehrheit der Parlamentsabgeordneten hingegen will ein härteres Vorgehen gegen Länder wie Polen und Ungarn. Erste Gespräche dazu hielten die Unterhändler am Montag ab. (APA, red, 16.10.2020)