Jakob Semotan (als Papageno) im Kreis von Papageientauchern während einer Fotoprobe bei der "Zauberflöte" an der Volksoper.

Volksoper/Barbara Pálffy

Wien – Papageientaucher und Reiher, Wüstenfuchs und Wiedehopf, Maus, Chamäleon und Addax-Antilope tummeln sich zurzeit auf der Bühne der Volksoper. Steht etwa Dr. Doolittle auf dem Spielplan? Nein, Mozarts Zauberflöte. Aber Henry Mason hat dem allseits beliebten Wunderwerk einen tierischen Mehrwert beigefügt. Warum? "Neben Sarastro und der Königin der Nacht gibt es im Stück eine frei schwebende dritte Macht, die drei Knaben", erklärt der Regisseur. "Sie handeln gegen Ende zunehmend autonom und retten Pamina und Papageno. Bei uns ist die dritte Kraft in diesem Stück die jüngere Generation: Tamino und Pamina, Papageno und Papagena. Die dritte Kraft, das ist zudem die Natur, die Pflanzen und die Tiere – und die werden alle von Puppen dargestellt."

Mozarts Zauberflöte gilt ob ihrer Heterogenität als ein schwierig zu inszenierendes Opus; 2005 hat sich an der Volksoper Helmuth Lohner dieser Mutprobe gestellt. Mozart und sein Kompagnon und Librettist Emanuel Schikaneder sind kundenorientiert zu Werke gegangen und haben in dieses Stück so ziemlich alles hineingepackt, was ein Vorstadtbühnenpublikum von anno 1791 so interessieren könnte: Zauberei und Pomp, Märchen und große Oper, Posse und Liebesdrama. Welche Erfahrungen hat Mason gemacht, der an der Volksoper ja immerhin schon so routiniert wie bildschön die Musical-Klassiker Der Zauberer von Oz und Carousel inszeniert hat?

Wie ein Traum

Das Ganze sei natürlich eine enorme Herausforderung gewesen, konzediert der Mittvierziger. Die Zauberflöte sei ein langes und kompliziertes Stück, in sich sehr kleinteilig und oft fast filmisch geschrieben, ohne Überleitungen zwischen den Szenen. "Das Stück stellt viele Rätsel, man durchschaut es nicht gleich. Welche Sachen soll man klarer machen, welche soll man ungeklärt lassen?" Man dürfe nicht alles rationalisieren und in ein System packen, die Magie müsse erhalten bleiben. "Die Zauberflöte muss wie ein Traum sein, aber ein luzider Traum."

Dennoch müsse man die Tiefenstruktur dieser "Phantasmagorie" erkennen und Ideen finden, die durchgehen. Im Grunde sei die Zauberflöte ja ein Märchen über die Hoffnung auf einen Neubeginn, meint Mason. "Der Prinz und die Prinzessin müssen eine Finsternis überwinden, um zueinander zu kommen und erneuern so die Welt." Eine Geschichte also, in der es darum gehe, seinen Platz in der Welt zu finden und herauszufinden: Wer ist gut, und wer ist böse? Wo stehe ich? Wie finde ich meinen eigenen Weg? Ein Stück über das Erwachsenwerden, "über das Loslösen von vorgefertigten Ideen, die die Eltern für einen haben".

Filmischer Fluss

Die Zauberflöte kann sich gegen Ende hin ziehen – hat Mason die Corona-Zeiten für Kürzungen genützt? Die Dialoge seien etwas gerafft und minimal umgeschrieben worden. "Wir haben versucht, dass der zweite Akt abwechslungsreich bleibt und dem filmischen Fluss Rechnung trägt." Bezüglich des Erfolgs seiner Inszenierung gibt sich Mason tiefenentspannt: "Man kann an der Zauberflöte nur scheitern. Warum? Weil so viele Menschen dieses Stück lieben und fixe Erwartungen haben. Deswegen bleibt einem nur, auf die Offenheit des Publikums zu hoffen, neue Aspekte zu entdecken." Und unbekannte Tierarten. (Stefan Ender, 16.10.2020)