Dr. Jura (Martin Vischer) ist ein Liebesanalytiker, Marie (Sandra Cervik) ist der Seitensprünge ihres Mannes leid.

Foto: Moritz Schell

Dem wohlmeinenden Ende von Hermann Bahrs Seitensprungkomödie Das Konzert scheint man im Theater in der Josefstadt arg misstraut zu haben. Statt "Deckel drauf, und alles ist gut" bietet man zwei Schlussvarianten an: In der ersten rennt der treulose Musiker Gustl seiner Langzeitehefrau Marie hinterher. In der zweiten hoppelt er zur nächsten Geliebten: "Ich muss, ich muss", sind seine letzten Worte, bevor er sich wieder mit einer anderen vergnügt. Der Zuschauer entscheidet, welches für ihn das passendere Ende ist.

Der doppelte Schluss ist die eine Pointe in dieser Inszenierung von Janusz Kica. Die andere ist, dass die beiden Hauptfiguren Gustl und Marie in Gestalt von Herbert Föttinger und Sandra Cervik auch im realen Leben ein Paar sind.

Zwischen diesen beiden Pointen hängt der Abend aber durch. Und das will bei diesem Stück, das sich als einziges unter Hermann Bahrs rund 40 Salonstücken und Gesellschaftskomödien auf den Spielplänen gehalten hat, etwas heißen.

Rhetorische Raffinesse

Der Grund liegt weniger in einem zeitlosen Porträt von Geschlechterverhältnissen (sie muten heute altbacken an) als in der rhetorischen Raffinesse, mit denen der Jahrhundertwendeautor diese beschreibt. Jeder Satz ein zungenfertiger Treffer. Am Burgtheater haben Peter Simonischek und Florian Teichtmeister vor einigen Jahren gezeigt, wie solch Edelboulevard funktioniert.

In der Josefstadt kann sich Regisseur Kica nicht zwischen psychologischer Salonkomödie und pointenschleuderndem Bauerntheater entscheiden. Er versetzt Bahrs Lustspiel in ein Wien der 1980er-Jahre, inklusive blasser Bonbonkleider und monströser Schulterpolster (Bühne und Kostüme: Karin Fritz). Recht viel näher rückt einem die Diskussionskomödie dadurch aber nicht. Das müssten die Schauspieler leisten, denen Bahr mit gleich vier Prachtrollen viel Stoff liefert.

So eingefahren und routiniert die Beziehung zwischen dem älteren Paar Gustl und Marie ist, so baumumarmend überschwänglich und naseweis welterklärend ist jenes Paar, auf das sie treffen. Dr. Jura (Martin Vischer) ist der Liebesanalytiker, der aber von den Mechanismen der Begehrens wenig Ahnung hat. Seine Frau, die blutjunge Delfine (Alma Hasun), ist eine Liebessüchtige, die nicht merkt, dass Gustl nur mit ihr spielt.

In dieser Konstellation müssten die Funken sprühen. In der Josefstadt glimmt das Feuer aber kaum. (Stephan Hilpold, 16.10.2020)