Es ist ein Dilemma, das sich nicht auflösen lässt. Die Angestellten des Handels stehen in Zeiten der Corona-Krise an vorderster Front. Es sind vor allem Frauen in Teilzeit mit mageren Gehältern, die an die Grenzen der Belastbarkeit gingen. Sie erhielten die Versorgung aufrecht. Ihnen verdanken es viele Branchen, dass ihre Geschäfte nicht vollends zusammenbrachen. Ihre Leistung gehört in der Lohnrunde honoriert.

Handelsangestellte gingen während der Corona-Krise häufig an die Grenzen der Belastbarkeit.
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Ihre Arbeitgeber stehen aber mit dem Rücken zur Wand. In Branchen wie dem Modehandel sinken die Umsätze heuer um bis zu 50 Prozent. Teureres Personal bricht vielen Betrieben das Genick. Wobei es zugleich auch Krisengewinner gibt: Große Konzerne rund um den Lebensmittel- oder Möbelhandel könnten sich angemessene Lohnerhöhungen leisten.

Noch nie waren die Bilanzen des Handels inhomogener. Die Sozialpartner bewegen sich bei den Kollektivvertragsverhandlungen daher auf einem messerscharfen Grat. Muten sie Arbeitgebern in einem Ausnahmejahr viel zu, gehen Jobs reihenweise verloren. Spielen sie gut verdienende Unternehmen frei, stoßen sie tausende Arbeitnehmer vor den Kopf.

Differenzierung ist ein Gebot der Krise. Corona-Prämien jener Händler, die es sich leisten können, sind ein Instrument dazu. Angestellte von Betrieben, die nicht dazu zählen, werden das unfair finden. Im Zweifel ist eine geringe Gehaltserhöhung jedoch das kleinere Übel als der Weg zum Arbeitsamt. (Verena Kainrath, 16.10.2020)