Die vergorene schwarze Sojabohne (douchi auf Mandarin) ist sowas wie die Mutter der Sojasauce: Sie wurde bereits in einem chinesischen Grab aus dem Jahr 165 vor Christus entdeckt, was sie zum ältesten Sojawürzprodukt macht, von dem wir sicher wissen.

Für Erstesser oder -käufer sind vergorene schwarze Sojabohnen auf den ersten Blick nicht unbedingt als essbar zu erkennen: klein, schwarzbraun, ein bisschen schrumpelig und auf Druck weich, erinnern sie je nach Einstellung an alte Rosinen oder Wiederkäuer-Kot. Geschmacklich aber haben sie erstaunlich viel zu bieten.

Ihr Geschmack ist gar nicht so einfach zu beschreiben. Das schöne Buch "History of fermented Soybeans 165BC–2011", das Standardwerk zum Thema, begnügt sich mit "strong und complicated". Ich würde noch hinzufügen: schon klar nach Sojasauce, aber mit Anklängen von salziger Lakritze und Malz.

Foto: Tobias Müller

Sie sind das Würzmittel für alle, denen Sojasauce nicht genug ist, der nächste Umami-Level, mit sehr bemerkbarem statt hintergründigem Geschmack. Sie sind ein wenig die salzigen Cousins von Rosinen: Weil sie oft nicht gehackt, sondern ganz gelassen werden, beißen Esser immer wieder auf die kleinen Aromabomben, was je nach Vorliebe für Begeisterung oder ob der Intensität für kurzen Schrecken sorgt.

Ihre Herstellung ist der Sojasauce durchaus ähnlich, und es ist wahrscheinlich, dass die Sauce zunächst ein Abfallprodukt der Bohnenerzeugung war. Sojabohnen, meist schwarze Varianten, werden mit Edelschimmel, etwa unserem alten Bekannten Aspergillus oryzae, geimpft. Wenn sie von einer feinen Schimmelschicht überzogen sind, werden sie in Salzwasser versenkt, dürfen mehrere Wochen bis Monate vor sich hin gären und werden schließlich herausgefischt und trocknen gelassen. Mitunter werden der Einlegeflüssigkeit noch andere Aromageber wie Ingwer beigemischt.

Sie sind noch einmal pflegeleichter als Sojasauce oder Miso und halten selbst außerhalb des Kühlschranks luftdicht in einem Glas verpackt so gut wie ewig (ich bin mir recht sicher, dass auch die aus dem chinesischen Grab noch genießbar wären). Pearl River Bridge, die Sojasauce-Alltagsmarke meines Vertrauens, stellt sehr passable schwarze Bohnen her. Wenn Sie wollen, dass sie weniger salzig sind, spülen Sie sie vor dem Verwenden einmal kurz ab.

Foto: Tobias Müller

Neben trockenen Bohnen gibt es im Asiashop noch eine Reihe anderer Schwarze-Bohnen-Produkte: Am brauchbarsten sind meiner Meinung nach die schwarzen Bohnen in Chiliöl von Lao Gan Ma ("Alte Patentante", leicht am Tantenporträt auf dem Label zu erkennen), die gleich zwei Vorzüge – umami und scharf – in einem Glas vereinen.

Genauso wie Sojasauce sind schwarze Bohnen ziemlich universal einsetzbar. Im Westen sind sie vor allem aus dem Mapo Tofu und durch die nach ihnen benannte "Schwarze-Bohnen-Sauce" berühmt, in (Süd-)China werden sie ähnlich wie Salz zum Würzen von allem Möglichen von Gemüse bis Fisch verwendet. Für gedämpfte Hühnerfüße etwa sind sie quasi unverzichtbar, und manch ein Fan soll sie gar einfach so direkt aus der Packung naschen. Ich verwende sie derzeit besonders oft für folgendes, süchtigmachend gutes Gericht.

Gebratene Leber mit Kreuzkümmel, Sichuanpfeffer und fermentierten Bohnen

Ich weiß nicht mehr genau, wie es zu diesem Rezept gekommen ist – gut möglich, dass ich versucht habe, ein Lebergericht aus dem Yummy-Haus auf der Wienzeile grob nachzukochen – ich bin ihm jedenfalls gerade so verfallen, dass ich es fast jede Woche koche. Weil es ganz köstlich ist und mit ein wenig Übung in 15 Minuten machbar.

Die Mischung aus knackig-cremiger Leber, prickelndem Sichuanpfeffer und Schwarze-Bohnen-Geschmack ist betörend. Noch besser ist vielleicht die Sauce, die all diese Aromen bündelt und dann mit viel Frühlingszwiebeln erstaunlich mollig wird. Unbedingt über reichlich Reis löffeln und genießen!

Wer diese kleine Serie – und diesen Blog – verfolgt hat, wird hier eine Reihe alter Bekannter aus vergangenen Wochen treffen. Es treten neben schwarzen Bohnen auf: Shaoxing-Wein, Sojasauce und Sichuanpfeffer. Das Gericht ist eine ganz wunderbare Gelegenheit, sie alle ein bisschen besser kennenzulernen.

  • Etwa 300 g Leber, etwa vom Huhn, Lamm, Kaninchen oder Schwein. Bloß um die vom Kalb wär's ein bisserl schade
  • 3–4 Frühlingszwiebeln
  • 1 daumengroßes Stück Ingwer, geschält
  • 1 EL Sichuanpfefferkörner
  • 1 El vergorene schwarze Bohnen, kurz abgespült
  • 2–3 EL Kreuzkümmel, geröstet und gemahlen
  • 1 kräftiger Schuss Shaoxing-Wein
  • 2 kräftige Schüsse gute Hühnersuppe
  • 1–2 EL helle Sojasauce

Ingwer in feine Streifen schneiden. Den Großteil der Frühlingszwiebeln schräg in dickere Streifen schneiden ("Pferdeohr-Schnitt"). Einen Teil des Grüns fein hacken und zum Garnieren aufheben.

Foto: Tobias Müller

Öl in einer Pfanne heiß werden lassen. Kreuzkümmel, Sichuanpfeffer und Bohnen kurz darin braten, dann Zwiebel und Ingwer zugeben und unter regelmäßigem Rühren braten, bis die Zwiebel zusammengefallen und ganz weich geworden sind, etwa fünf Minuten.

Foto: Tobias Müller

Die Pfanne ein wenig von der Herdplatte schieben, die Zwiebel in den kühlen Teil schieben, die Hitze hochschalten und die Leber auf dem frei gewordenen Pfannenboden verteilen. Auf beiden Seiten kräftig Farbe nehmen lassen.

Foto: Tobias Müller

Pfanne komplett zurück auf die Platte rücken, Zwiebel und Leber mischen und Pfanne mit Shaoxing-Wein ablöschen.

Foto: Tobias Müller

Die Flüssigkeit komplett verdampfen lassen. Die Hühnersuppe und Sojasauce zugießen und einkochen, bis die Leber gar und die Sauce sämig ist.

Mit dem gehackten Frühlingszwiebelgrün und Reis für die Sauce servieren.

Foto: Tobias Müller

(Tobias Müller, 18.10.2020)