Kuchl ist zwar der Ort mit den mit Abstand höchsten Infektionszahlen in ganz Österreich, gegen den Lockdown am Samstag regt sich aber Widerstand.

Foto: Mike Vogl

Im Tennengauer Ort Kuchl gibt es am Freitag nur ein bestimmendes Thema: den bevorstehenden Corona-Lockdown. "Die Quarantäne finde ich nicht gut", sagt die Mitarbeiterin der Bäckerei, die gerade die Vitrine mit Desinfektionsmittel putzt. Ihrer Meinung nach würde es reichen, weiter wie bisher zu machen – mit Abstandhalten, Mund-Nasen-Schutz und ab einer gewissen Uhrzeit keinen Alkohol mehr auszuschenken. "Die Gastronomen sind verurteilt zum Eingehen", sagt die Kuchlerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte.

Für Maria Zivkovic, die in der Kuchler Pizzeria Imbei arbeitet, sind noch viele Fragen offen. "Wir haben keine Infos. Heute ab null Uhr ist der gesamte Betrieb geschlossen. Ob wir dann noch liefern dürfen, wissen wir nicht", sagt Zivkovic. Wenn das erlaubt werde, dann jedenfalls ohne sie. "Ich bin aus Adnet. Ich darf dann gar nicht reinfahren nach Kuchl in die Arbeit", sagt die Kellnerin.

Maria Zivkovic kann nicht weiter in der Pizzeria in Kuchl arbeiten, weil sie in Adnet wohnt.
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Während des Interviews fragt ein Mann an der Tür verunsichert: "Darf ich eh rein?" "Ja, ja, heute noch", antwortet Zivkovic. Kurz danach kommt eine große Gruppe mit Masken in die Pizzeria und verteilt sich auf drei Tische. "Einmal noch gscheit", sagt einer der Gäste, während er den Mund-Nasen-Schutz abnimmt. "Vielleicht soll ich gleich zwei bestellen."

Masken nun auch im Freien

Nicht nur in der Pizzeria tragen die Menschen Mund-Nasen-Schutz, auch auf der Straße behält ihn an dem regnerischen Freitag jeder Zweite im Ortszentrum an. "Dass die Menschen auf der Straße Masken tragen, das ist ganz neu", sagt eine Frau im Vorbeigehen. Eine weitere Kuchlerin wundert die Quarantäne nicht: "Mit Kirtag, Erstkommunion und einer Benefizveranstaltung musste das ja so kommen."

Freitagmittag waren auch für Bürgermeister Thomas Freylinger noch viele Fragen offen. "Ich habe vor fünf Minuten mit dem Landeshauptmann telefoniert. Die Verordnung sollte in den nächsten Minuten kommen", sagt Freylinger dem STANDARD. Um Punkt zwölf Uhr kam dann der Entwurf der Verordnung per E-Mail.

"Kindergärten und Schulen werden offen gehalten bis zur neunten Schulstufe", liest der Bürgermeister aus dem Verordnungsentwurf vor. Auch Krankenhaus-, Arzt- und Krankenbesuche werden weiterhin erlaubt sein. Schlüsselarbeitskräfte wie etwa Lehrerinnen oder Menschen in systemrelevanten Berufen sollen auch weiterhin nach Kuchl einreisen dürfen. Ansonsten gilt ein Ein- und Auspendelverbot.

Beherbergungsbetriebe sollen laut Bürgermeister offen gehalten werden, damit dort auch auswärtige Mitarbeiter untergebracht werden können. Für die Gastronomie hofft Freylinger, dass zumindest das Abholen von Speisen weiter ermöglicht werden kann. Unklarheiten gebe es noch, welche der insgesamt 300 Kuchler Betriebe offen gehalten werden können.

"Eine Katastrophe" für Betriebe

Die Verwirrung ist auch bei Holzbaumeister Marcus Siller groß, der einen dieser Betriebe führt. Für ihn ist der Lockdown "eine Katastrophe". Er weiß noch nicht, welche Mitarbeiter kommende Woche zur Arbeit kommen dürfen und ob er den Betrieb überhaupt aufrechterhalten kann.

Holzbaumeister Marcus Siller ist die ganze Zeit am Organisieren. "Es trifft wieder die Klein- und Mittelbetriebe", ärgert er sich über den Lockdown.
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"Ich bin die ganze Zeit am Organisieren. Es ist alles sehr kurzfristig", sagt Siller. Er fragt sich auch, ob so ein extremer Schritt überhaupt nötig sei. "Wer bezahlt das alles, wenn die Leute nicht in die Arbeit dürfen? Es trifft wieder die Klein- und Mittelbetriebe", ärgert sich Siller.

Die Verunsicherung im Ort sei groß, sagt der Bürgermeister. "Uns haben mehrere Hundert E-Mails und Anrufe in den letzten 36 Stunden erreicht." Er hat diese gesammelt und in Form eines Fragenkatalogs an den Landeshauptmann gesandt.

Kuchl ist zwar der Ort mit den mit Abstand höchsten Infektionszahlen in ganz Österreich, gegen den Lockdown am Samstag regt sich aber Widerstand. "Ein Teil der Bevölkerung hält sich genau an die Regeln, der andere nicht", sagt Thomas Freylinger. Hinzu komme, dass in den sozialen Medien die Maßnahmen sehr kontrovers diskutiert werden – inklusive Verschwörungstheorien und Boykottaufrufen. Es sind Kuchler Durchschnittsbürger, die der Maßnahmen überdrüssig sind.

Bürgermeister Thomas Freylinger (ÖVP) ist seit 36 Stunden fast nur am Telefon, um die vielen Anfragen abzuarbeiten. Er appelliert an die Bevölkerung, sich an die Maßnahmen zu halten.
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Für Landessanitätsdirektorin Petra Juhasz ist das eine besorgniserregende Entwicklung. Immer öfter kooperierten Betroffene mit Symptomen nicht mit den Gesundheitsbehörden und verweigerten sogar Tests. Sie habe den Eindruck, dass der Großteil der Bevölkerung von Corona nichts mehr wissen wolle und es als Angstmacherei empfinde, wenn man davor warnt.

"Es bringt nichts, sich gegen die Maßnahmen zu wehren", sagt Bürgermeister Freylinger. Er wandte sich mit dem Appell an die Kuchler Bevölkerung, sich an alle Vorschriften zu halten – damit der Ort die zwei Wochen Quarantäne gut übersteht. (Stefanie Ruep, 16.10.2020)