Folgte mitten in der Corona-Pandemie der zurückgetretenen Ulrike Lunacek nach: die frühere Spitzenbeamtin Andrea Mayer.

Foto: Regine Hendrich

Mitten in der Corona-Krise angetreten, hatte Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) von Anfang an viel mit dem Finanzressort zu schaffen. Ging es zunächst doch darum, alle möglichen Hilfsinstrumente zu schaffen, die die schwer angeschlagene Kulturbranche durch die Pandemie bringen, war nun das Kulturbudget für nächstes Jahre zu verhandeln. Geworden ist es eine satte Erhöhung um 30 Millionen Euro – von 466 auf 496 Millionen. Etwa ein Drittel fließt in bauliche Sanierungen bei den Salzburger und Bregenzer Festspielen, ein weiteres Drittel soll aber über Einzelförderungen möglichst unmittelbar bei den Künstlern ankommen.

STANDARD: Sie haben der APA gesagt, Sie seien "sehr zufrieden, fast glücklich": Wann wären Sie denn glücklich?

Mayer: Wenn wir keine Pandemie hätten. Es ist eine sehr schwierige Situation, in der man nicht uneingeschränkt glücklich sein kann.

STANDARD: Wie waren denn die Budgetgespräche? Ist dem Koalitionspartner dann doch gedämmert, dass die Kultur in der Krise zusätzliche Mittel mehr braucht denn je?

Mayer: Es gibt schon seit ich mein Amt angetreten habe ein großes Commitment in der Bundesregierung. Es ist eigentlich allen Beteiligten klar, wie wichtig Kunst und Kultur sind, speziell in Österreich. Wie sehr das zu unserem Leben gehört, wie sehr es die Stimmung in einem Land prägt und wie sehr andere Branchen, Arbeitsplätze und Wertschöpfung dranhängen. Wir haben 2020 schon 160 Millionen zusätzlich zum regulären Kunst- und Kulturbudget in die Hand genommen. Jetzt gibt es ein tatsächliches Plus von 30 Millionen – ich kenne die vergangenen Budgets sehr gut und weiß daher, dass wir jahrzehntelang nicht eine solche Erhöhung gehabt haben. Mir ist wichtig, dass darin keine Corona-Hilfen eingerechnet sind, sondern dass diese Mittel zusätzlich kulturpolitischen Gestaltungsspielraum geben.

STANDARD: Das Budget steigt zwar so stark wie viele Jahre nicht mehr, zugleich ist aber ein Gutteil für bauliche Sanierungsprojekte etwa bei den Salzburger und Bregenzer Festspielen reserviert. Insgesamt sinkt der Anteil am Gesamtbudget sogar von 0,6 auf 0,5 Prozent. Wäre es nicht geboten, dass man zumindest auf ein Prozent zurückkommt, wo man früher einmal war?

Mayer: Ich halte von diesen Zahlenspielen nichts. Ich finde, dass 30 Millionen Euro eine wirklich tolle Budgeterhöhung sind. Natürlich sinkt der Anteil deswegen, weil das Budget Corona-bedingt ganz ein anderes ist, da sind sehr viele Einmalmaßnahmen drin. Es lässt sich nicht vergleichen mit sonstigen regulären Budgets.

STANDARD: Die Basisabgeltungen der Bundesmuseen und Bundestheater werden vorerst nicht erhöht, dafür gibt es Mittel aus Covid-Hilfstöpfen – die gehen also nicht aufs Kulturbudget?

Mayer: Ja, das sind Sondermittel.

STANDARD: Zehn Millionen mehr sind für die freie Szene reserviert. In welche Projekte soll das genau fließen?

Mayer: Die sind für mich ganz essenziell, damit möchte ich das Zeitgenössische stärken mit einer ganzen Fülle an Maßnahmen. Das soll sehr rasch und möglichst unmittelbar bei den Künstlerinnen und Künstlern ankommen. Eine Verdoppelung des Musikfonds auf 1,2 Millionen Euro, eine Stipendienerhöhung um eine Million plus Fördererhöhung über alle Sparten, von Musik, Literatur, Film, bildende Kunst. Es wird immer wieder bemängelt, dass etwas ganz Neues nicht Platz hätte in den Förderschienen, das können wir nun auch ermöglichen. Hybride Projekte, neue Projekte, die bisher nicht in unsere Förderschienen gepasst haben.

STANDARD: Und die restlichen Mittel?

Mayer: Mit einem Drittel der Summe können strukturelle Probleme bereinigt werden, eine Subventionserhöhung der Wiener Privattheater (Josefstadt, Volkstheater, Theater der Jugend) oder Langzeitbaustellen wie die Debatte um die Flächen für die Filmdepots oder die Frage, was wir mit der Albertina Modern machen, die von Jahr zu Jahr als Provisorium im Budget finanziert wurde. Die Albertina bekommt dafür jetzt eine Erhöhung der Basisabgeltung für diesen Bereich um 1,5 Millionen Euro. Damit ist die Albertina Modern abgesichert.

STANDARD: Im Finanzrahmen sinken die Mittel ab 2023 wieder. Das wollen Sie dann gerne nochmal nachverhandeln, haben Sie gesagt. Ist das auf gut Deutsch gesagt die Krot, die Sie vorerst schlucken mussten?

Mayer: Also eine Krot schlucke ich selten – und schon gar nicht, wenn es ums Budget geht. Es ist dann entscheidend, wie die budgetäre Gesamtlage in den Folgejahren ist, aber mein Ziel ist eindeutig, dass es weitere Erhöhungen geben soll.

STANDARD: Die Bundestheater und auch die Staatsoper sehen sich plötzlich in einer völlig neuen Situation, weil keine Touristen da sind. Bogdan Roščić will das nutzen und versucht gezielt, heimisches und junges, neues Publikum anzusprechen. Bei den Museen spürt man diesen Willen nicht so. Wie sehen Sie das?

Mayer: Das sehe ich anders. Auch die Bundesmuseen haben reagiert, es gab im Sommer zehn Wochen lang eine vergünstigte Sommer-Card, mit der man für 19 Euro alle Museen besuchen konnte und mit der die Bundesmuseen neues, heimisches Publikum erschlossen haben. Es gibt Initiativen mit Gratistagen. Auch die Bundesmuseen richten sich auf die Situation ein und reagieren da flexibel.

STANDARD: Wäre es nicht der ideale Zeitpunkt, um eine österreichweite Museums-Card einzuführen, wie sie der Museumsbund seit langem fordert?

Mayer: Man kann natürlich sagen: Das Gute am Schlechten ist, dass wir durch die Pandemie jetzt vielleicht schneller zu neuen Lösungen kommen. Und Sachen abschließen können, die jahrelang am Schwelen sind. Wir haben für die Bundesmuseen jetzt einmal die Bundesmuseen-Card (eine Karte zum einmaligen Eintritt in alle Bundesmuseen, Anm.), und natürlich gibt es Gespräche mit dem Museumsbund, ob man darüber hinaus auch gemeinsame Besuchermöglichkeiten erschließen kann.

STANDARD: Das heißt: Es würde auf eine getrennte Lösung hinauslaufen? Eine Karte für die Bundesmuseen und eine weitere für restliche Museen in ganz Österreich, die daran teilnehmen?

Mayer: Ich möchte dem nicht vorgreifen, ich möchte nur sagen, dass wir jetzt alle flexibler werden. Manche Schranken, die früher gute Lösungen verhindert haben, sind jetzt einfach viel niedriger.

STANDARD: Wie geht's mit der angepeilten Holding für die Bundesmuseen weiter? Kommt die – und wann?

Mayer: Wir sind dabei, jetzt einmal ein Projekt aufzusetzen. Es ist Teil des Regierungsprogramms, die Legislaturperiode dauert noch vier Jahre, und da haben wir Zeit, das umzusetzen.

STANDARD: Also ist nicht vor Ende der Pandemie damit zu rechnen?

Mayer: Die Bundesmuseen-Holding ist ein ungemein komplexes Projekt, und wir wollen es richtig machen. Das wird sicher einige Zeit dauern. Ziel ist, dass wir bis Ende der Legislaturperiode fertig sind.

STANDARD: Das wäre dann ja auch die Voraussetzung, um zu einem Kollektivvertrag für die Bundesmuseen-Mitarbeiter zu kommen. Auch bei der darstellenden Kunst gibt es in ganz Österreich Druck aus der freien Szene, fairere Bedingungen zu schaffen. Werden die Verträge bei den Bundestheatern und Festspielen durchleuchtet und sozialer gestaltet?

Mayer: Wir haben gerade mit einem großen Fair-Pay-Prozess begonnen. Gemeinsam mit den Bundesländern, mit denen es eine sehr positive Zusammenarbeit gibt. Wir ziehen hier an einem Strang. Wir wissen, dass uns hier einiges gelingen muss, zu Fair Pay, aber auch insgesamt zu Arbeitsbedingungen im Kunst- und Kulturbereich. Wir sind da dran und werden im Frühjahr nächsten Jahres erste Ergebnisse dieses Prozesses präsentieren.

STANDARD: Beim Haus der Geschichte, das mehr Platz braucht, sei die politische Willensbildung noch nicht abgeschlossen, haben Sie gesagt. Was ist denn Ihr Wunsch? Als Kulturstaatssekretärin müssten Sie ja eine Vorstellung haben. Ein Neubau?

Mayer: Meine persönliche Meinung ist da nicht allein ausschlaggebend. Wichtig ist, dass wir zu einer guten politischen Abstimmung kommen. Man muss einmal feststellen, dass das Haus der Geschichte sich in diesen nicht gerade leichten Anfängen in einer doch recht provisorischen Einrichtung gut behauptet hat. Das Team von Direktorin Monika Sommer hat das toll gemacht. Das Haus der Geschichte ist etabliert, und man weiß, dass man so etwas in Österreich möchte. Wir sind jetzt in der politischen Abstimmung, wo und wie man es machen soll und wie viel das kostet. Bis dahin werden wir Mittel zur Verfügung stellen, dass das Haus in der jetzigen Form weiterbestehen kann, und es wird auch eine kleine Erhöhung geben.

STANDARD: Wird es auch Mittel für Provenienzforschung im Kolonialkontext geben?

Mayer: Ja, dafür sind ebenfalls Mittel vorgesehen. Die genaue Höhe müssen wir erst ermitteln – das hängt natürlich vom weiteren Fortschritt dieses Vorhabens ab.

STANDARD: Müssen sich Kulturveranstalter vor weiteren Corona-Maßnahmen fürchten? Oder würden Sie sagen, es läuft gut in der Branche, man kann beruhigen?

Mayer: Ich glaube, beruhigt ist niemand, aufgrund der steigenden Infektionszahlen in einigen Bundesländern oder anderen Staaten rund um Österreich ist es besonders schlimm. Natürlich hat das Auswirkung auf die Kulturbetriebe, sie bangen um die Besucherzahlen. Es ist eine sehr schwierige Situation, die jetzt niemanden kaltlässt. Bei den Kulturveranstaltungen können wir aber nach wie vor von einem kalkulierbaren Risiko sprechen. Wir fahren auf Sicht. Wir stimmen uns laufend mit allen ab.

STANDARD: Wie können denn jene gerettet werden, deren Geschäft von internationalen Künstlern und Produkten abhängt, die derzeit ausbleiben – also die Kinos und Konzertveranstalter?

Mayer: Natürlich sind die am meisten betroffen, die in einem globalisierten Kulturbetrieb tätig sind und auch von Touristen abhängen. Für die kommerziellen Kulturbetriebe gibt es den Fixkostenzuschuss, wo ich hoffe, dass es bald zu einer Einigung auf europäischer Ebene kommt. Für diese Branche wird das ganz wichtig sein, da sitzen wir in einem Boot mit anderen Bereichen, zum Beispiel der Stadthotellerie. Abgesehen von den kommerziellen Kinos haben wir die Förderung für die Programmkinos verdoppelt und werden das auch nächstes Jahr halten können. Auch andere Branchen in der Schnittstelle Wirtschaft und Kultur – Galerien, Verlage – werden wir verstärkt unterstützen. (Stefan Weiss, 16.10.2020)