Bei den Budgetgesprächen hätte man einander Erfolge gegönnt, anstatt sich gegenseitig zu schwächen, ist aus Regierungskreisen zu hören. Bei manchen Grundsatzthemen scheiden sich die Geister weiter.

Foto: APA/Schlager

Die Grünen hatten es auch schon leichter. Die Partei wurde in den letzten Wochen mehrmals von der ÖVP daran erinnert, dass sie der Juniorpartner in der Regierung ist. Bei der Aufnahme von Kindern aus dem abgebrannten Flüchtlingslager Moria rückten die Türkisen keinen Millimeter von ihrem Njet ab, und auch bei der Einführung eines Pfands auf Plastikflaschen biss sich Klimaministerin Leonore Gewessler trotz großer Ankündigung bisher die Zähne aus. Zwei Themen mit großer Symbolkraft für die grüne Basis.

Und jetzt das Budget. Die Dissonanzen erhöhten den Druck auf die Grünen deutlich, im Ringen um das große Geld 2021 nicht neuerlich eine Schlappe einzufahren. Entsprechend groß waren die Vermarktungsbestrebungen von Werner Kogler kurz nach der Präsentation des Staatshaushalts durch Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP). Die Investitionen in Klimaschutz seien "gigantisch", meinte der Parteichef. "Sie liegen in einem Bereich, den man nicht für möglich gehalten hätte."

Bei den Budgetverhandlungen konnten beide Parteien ihre Themen durchsetzen. Kogler nennt die Investitionen in den Klimaschutz "gigantisch".
Foto: STANDARD/Cremer

Dass vor allem Gewessler deutlich mehr Geld erhält, lässt sich nicht bestreiten. Und dennoch hält sich die Freude in manchen grünen Kreisen in Grenzen. Keine Rede sei im Budget von der ökosozialen Steuerreform, moniert der Verkehrsclub Österreich. Umweltschädliche Subventionen im Verkehr würden immerhin mit mehr als zwei Milliarden Euro pro Jahr zu Buche schlagen.

Steuerprivilegien wie das Dieselprivileg sollten noch heuer fallen, drückt auch Global 2000 die grüne Freudenstimmung. Dass bei der Ökosteuerreform nichts weitergehe, versteht auch Claudia Kettner-Marx vom Wifo nicht. Seit der Veröffentlichung des Regierungsprogramms im Jänner "scheint es einen Stillstand zu geben", sagt die Ökonomin. Deshalb würden die Punkte auch im Budget nicht zu finden sein – weil die Maßnahmen weder beschlossen noch konkretisiert wurden. Die Wissenschafterin ist mit ihrem Drängen nicht alleine: Die EU-Kommission hat diese Woche in ihrer Begutachtung von Österreichs Klimaplan dazu angestoßen, Steuern im Bereich Verkehr und Energie zu reformieren.

Ökomaßnahmen sollen bald kommen

Dabei drängt die Zeit: Laut Koalitionsplan sollen mehrere ökologische Akzente schon mit Jahresbeginn 2021 gesetzt werden – oder sogar schon früher kommen. Sie reichen von der Reduktion des Tanktourismus über die Ökologisierung der Pendlerpauschale bis zum Dienstwagenprivileg – Punkte, die durchaus budgetwirksam sein könnten. Bestrebungen, eine Einigung im Haushalt zu erzielen, gingen sich nicht aus.

So wurde schon intensiv um die Abschaffung des Dieselprivilegs gerungen, das für den Tanktourismus mitverantwortlich ist. Hier gab es recht verwunderliche Signale: Offenbar war die Volkspartei bereit, an der im Vergleich zu Benzin um 8,5 Cent je Liter niedrigeren Mineralölsteuer auf Diesel zu rütteln. Auch türkise Verhandler bestätigen, dass man zu einer Halbierung der Begünstigung bereit gewesen wäre. Die Grünen wollten allerdings keine verwässerte Lösung, wie dort zu hören ist. "Bei den derzeit niedrigen Dieselpreisen wäre das ein Wahnsinn", sagt ein grüner Politiker, der namentlich nicht genannt werden will. Tatsächlich wäre Diesel selbst bei einer Abschaffung des MÖSt-Privilegs wegen der gesunkenen Rohölpreise derzeit immer noch günstiger als vor Corona.

Beim Thema Dieselprivileg klingen die Erzählweisen der Koalitionspartner sehr unterschiedlich.
Foto: APA/dpa/Pleul

Die türkise Erzählung lautet anders: Die Grünen hätten Angst vor der eigenen Courage bekommen, wenn Autofahren mitten in der Krise verteuert worden wäre. Und auch bei der Pendlerpauschale hätten sich die Grünen eine Ökoreform einfacher vorgestellt, als sie letztlich am Papier umzusetzen war. Ob ÖVP-Spin oder nicht: Faktum ist, dass gerade in der politisch heiklen Besteuerung des Straßenverkehrs keine Fortschritte verzeichnet werden.

Zähe Gespräche

Offenbar waren die Budgetverhandlungen ein hartes Abwiegen der Interessen zwischen den Koalitionspartnern. Auf grüner Seite spricht man von besonders zähen Gesprächen. Am Ende hätte man einander Erfolge gegönnt, anstatt sich gegenseitig zu schwächen. Für die Volkspartei sprang ein hohes Sicherheitsbudget heraus. Bereits einen Tag nach der Budgetrede führte Innenminister Karl Nehammer vor, was sein Ressort mit den neuen Mitteln finanzieren wird: Auf dem Gabentisch bei einem Polizeiwachenbesuch in der Donaustadt fanden sich Schutzanzüge, Uniformen und Schlagstöcke. Auch neue Munition wird angeschafft.

Aufgerüstet wurde auch auf der anderen Seite: Bei den Grünen wird man nicht müde zu betonen, wie hoch die Mittel für Klima und Umwelt ausgefallen sind. Über das gesamte Budget gerechnet sei die angekündigte Klimamilliarde locker drin, heißt es im Klimaministerium.

Ein paar Ökobomben

Ein paar "Ökobomben" seien gelungen, erzählt ein Grüner. Diese sind aber nicht nur auf das Verhandlungsgeschick des Juniorpartners zurückzuführen. Auch die Corona-Krise und das notwendige Konjunkturpaket dürfte die ÖVP davon überzeugt haben, die Mittel etwa im Bereich der thermischen Sanierung deutlich aufzustocken. Sie hätten alles bekommen, was sie bei Klima und Umwelt wollten, ist stolz von grüner Seite zu hören. Viel mehr Geld hätte gerade im Förderbereich kaum Sinn gemacht, nach wie vor würden die Fachkräfte fehlen. Da würde eine weitere Million für den Austausch alter Ölheizungen auch nicht helfen.

Doch die bisherige Ebbe bei der Ökosteuerreform verheißt nichts Gutes für den großen Wurf, den die Grünen planen: eine echte Umstellung des Steuersystems, die den CO2-Preis in den Mittelpunkt rückt. Da hat man zwar noch ein Jahr Zeit, doch die bisherigen Grabenkämpfe bei Dieselprivileg und Co lassen wenig Optimismus aufkommen. Ein Weiterbestehen der Koalition sei ohne CO2-Bepreisung gar denkunmöglich, heißt es bei den Grünen.

Jedenfalls zeigt sich, dass eine Budgeteinigung in Krisenzeiten keine Hexerei ist. Zumal die Volkspartei wegen Corona keinerlei Ambitionen zeigt, auf die Ausgabenbremse zu steigen. Doch Covid-19 kann nicht übertünchen, dass die Differenzen in vielen Grundsatzfragen groß sind. (Nora Laufer, 17.10.2020)