Amartya Sen erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

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Mit seinen Worten bringt er große Zuhörerschaften dazu, betreten auf den Boden zu blicken. Im nächsten Moment zaubert er ihnen ein Lächeln ins Gesicht. Amartya Sen gilt als das Gewissen der Ökonomenzunft.

Die Kluft zwischen Arm und Reich sowie das Streben nach Gerechtigkeit dominieren seine Karriere. Der heute 86-Jährige ist Philosoph, Soziologe und Ökonom. Der gebürtige Inder drängte die Wirtschaftswissenschaften dazu, sozialen Fragen eine wesentliche Rolle einzuräumen. Seine Abhandlungen zur Wohlfahrts- und Entwicklungsökonomie und seine Analysen zu Hungersnöten brachten ihm weltweite Berühmtheit. So war er maßgeblich an der Entwicklung des Human Development Index (HDI) beteiligt, des wichtigsten Wohlfahrtsindikators der Vereinten Nationen.

Auszeichnung über Auszeichnung

Die Liste an Auszeichnungen des Professors an der Harvard University ist unüberschaubar lang, ein Highlight war die Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises im Jahr 1998. Nun kommt eine weitere Auszeichnung hinzu. Sen erhält den mit 25.000 Euro dotierten Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Die Laudatio hält der deutsche Präsident Frank-Walter Steinmeier (SPD), wegen der Corona-Pandemie wird Sen den Preis via Livezuschaltung aus Massachusetts, wo er seit langem lebt, entgegennehmen.

Keine einfache Aufgabe für ihn, wie er meint. Er arbeite normalerweise bis vier Uhr früh, nun müsse er um die Zeit aufstehen, aber er freue sich.

Trotz der prekären Corona-Situation bleibt Sen optimistisch. "Aus den Lockdowns kann eine bessere Gesellschaft erwachsen." Er verweist dabei auf den Erfolg des Sozialstaates nach dem Zweiten Weltkrieg. Gleichzeitig kritisiert er den zunehmenden Nationalismus auf der Welt.

Adam Smith als Vorbild

Der Preisträger kam 1933 in Westbengalen auf die Welt. Damals war der heutige indische Bundesstaat Teil der britischen Kolonie. Als Kind erlebte er dort die große Hungersnot 1943. Er habe tausende Menschen sterben sehen, das habe ihn so stark geprägt, dass er den Ursachen solcher Tragödien nachgehen wollte. Als großes Vorbild nennt Sen Adam Smith – vor allem wegen dessen Schriften zur Moralphilosophie.

Sen studierte Volkswirtschaft in Kalkutta, promovierte in England, lehrte an Prestige-Universitäten in aller Welt, zuletzt in Harvard. Er ist mit der britischen Wirtschaftshistorikerin Emma Georgina Rothschild-Sen verheiratet und Vater von vier Kindern. (Andreas Danzer, 16.10.2020)