Der "Spiegel" steht für ein Interview mit der Virologin Sandra Ciesek unter Beschuss.

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Ein Interview des deutschen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" mit der Virologin Sandra Ciesek schlägt hohe Wellen. Sandra Ciesek tritt seit September alternierend mit Christian Drosten im bereits preisgekrönten NDR-Podcast "Coronavirus-Update" auf, um im Zwei-Wochenrhythmus wissenschaftliche Kontexte zur Corona-Pandemie zu liefern. Aus diesem Anlass interviewte sie am Wochenende der "Spiegel" und fragte gleich eingangs: "Frau Professor Ciesek, seit September sind Sie alle zwei Wochen im Wechsel mit Christian Drosten im NDR-Corona-Podcast "Coronavirus Update" zu hören. Ihnen ist klar, dass Sie die Quotenfrau sind?" Ciesek antwortete: "... nüchtern betrachtet halte ich genau die gleiche Stellung inne wie Herr Drosten. Ich leite ein virologisches Institut an einer großen Universität. Ich muss mich nicht verstecken."

"Die Neue an Drostens Seite"

Das Interview sorgt für heftige Kritik und auf Twitter unter dem Hashtag #quotenfrau für zahlreiche Solidaritätsbekundungen. Dem "Spiegel" wird hingegen Sexismus vorgeworfen und dass Frauen zu Statistinnen an der Seite von Männern degradiert würden. Aber nicht nur die Eingangsfrage steht unter Beschuss. Ciesek wurde als "die Neue an Drostens Seite" bezeichnet und die dritte Frage lautete: "Ihre ersten Podcast-Folgen klangen ein wenig nach Volkshochschule. Wollen Sie es in Zukunft spannender machen?" Das Interview führten die Journalistinnen Veronika Hackenbroch und Rafaela von Bredow.

Sandra Ciesek ist Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt sowie Professorin für Medizinische Virologie an der Goethe-Universität. Auf Twitter schrieb sie: "Bin bisschen überwältigt, was das Interview für Wellen schlägt. Ich war auch irritiert von den provokanten Fragen und deren Sinn. Einschüchterung? Schlagzeilen? Führt jedenfalls dazu, dass Frau sich weiter aus solchen Dingen zurückzieht. War das die Mission?"

"Spiegel"-Journalistin Rafaela von Bredow reagierte auf Cieseks Kritik und verteidigte den Vergleich mit der Volkshochschule: "Wenn Sie unsere kritische Frage so empfunden haben, ist das schade. Und bedauerlich, dass Sie das in unserem Gespräch nicht im Entferntesten haben anklingen lassen. Auch in Ihrer Autorisierung des Interviews: kein Wort dazu." Und: "Wenn Sie den VHS-Vergleich "bewusst beleidigend und abwertend" fanden, wäre es gut gewesen, uns das beim Interview oder später bei der Autorisierung zu sagen. Dann hätten wir dies aufnehmen können."

Puls 4-Infochefin Corinna Milborn sezierte die Interviewfragen des "Spiegel" auf Twitter und schrieb: "Das Interview ist exemplarisch dafür, wie Frauen behandelt werden, wenn sie Raum in der Öffentlichkeit einnehmen – also einfach sichtbar DA SIND." Oder: "Die Hälfte des Interviews ist also nicht Fachfragen gewidmet, sondern transportiert in Fragen, die eigentlich kleine Angriffe sind, ob Cieske ALS FRAU überhaupt ein Recht habe, die Interviews zu geben, um die der NDR bei ihr angefragt hat. Fazit: Es ist kostet so viel Kraft."

Die Journalistin Teresa Brücker, die etwa für das "SZ-Magazin" schreibt, rief auf Twitter dazu auf, "freche Einstiegsfragen an Männern zu sammeln" und bekam zahlreiche Antworten:

(red, 18.10.2020)