In der seit dem Wochenende unter Quarantäne stehenden Gemeinde Kuchl im Bezirk Hallein hofft man, am Montag ein Chaos vermeiden zu können. Wie es im Rest des Landes weitergeht, ist offen.

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-- Hinweis: Aktuelle Informationen zu den neuen Corona-Maßnahmen finden Sie hier im Livebericht vom 19. Oktober --

Bürgermeister Thomas Freylinger (ÖVP) klingt 36 Stunden, nachdem über die Salzburger Gemeinde Kuchl die Quarantäne verhängt worden ist, leicht erschöpft. Schon den ganzen Sonntag bespricht er sich mit Landesregierung und Polizei, um letzte Details zu klären, wie es ab Montag weitergehen soll. "Wir sind noch in Abklärung, wie wir die Produktionsunternehmen und die Zu- und Ablieferung handhaben, um zu vermeiden, dass ein Verkehrschaos entsteht", sagt Freylinger. Insgesamt sei die Stimmung in der Bevölkerung "gefasst" – dennoch: "Ich wünsche keinem anderen Ort so eine Situation."

ORF

Ist die örtliche Abschottung von Gemeinden wie in Kuchl ein Fanal für den Rest des Landes? Mit 1.672 Neuinfektionen in Österreich, Stand Sonntag, 9.30 Uhr, ist die Zahl der Personen, die sich innerhalb von 24 Stunden mit dem Coronavirus angesteckt haben, weiter hoch. Das sind fast doppelt so viele neue bestätigte Fälle wie im Vergleichszeitraum am Sonntag davor. Am Samstag war ein Rekordwert von 1747 Neuinfektionen gemeldet worden.

Anrufe von Kanzler Kurz

Bundeskanzler Sebastian Kurz soll am Sonntag daher noch einmal alle Landeshauptleute persönlich durchtelefoniert haben, auch die roten, mit denen die Kommunikation zuletzt nicht so gut gelaufen ist.

Das Ziel: Kurz will am Montag eine "gemeinsame Geschichte" erzählen, dazu braucht er aber das Einvernehmen mit den Bundesländern. Damit die Maßnahmen bei der Bevölkerung auch ankommen und mitgetragen werden, müsse die Politik ein Bild der Geschlossenheit vermitteln. Denn nur durch größte Disziplin in der Bevölkerung komme das Land halbwegs unbeschadet durch die zweite Welle. Daher auch der Appell von Kurz an die Bevölkerung, Sozialkontakte so weit als möglich einzuschränken.

Treffen am Montag ab 8.30 Uhr

Bis Sonntagabend gab es allerdings noch keine Akkordierung mit Wiens Bürgermeister Michael Ludwig sowie mit Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ), wie es auf Anfrage zum STANDARD hieß. Beide sollen am Bund-Länder-Treffen teilnehmen, das für 8.30 Uhr angesetzt ist. Bereits um 10.30 Uhr will die Regierung eine Pressekonferenz mit Kurz, Vizekanzler Kogler, Gesundheitsminister Rudolf Anschober (beide Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) abhalten. ORF 2 überträgt live.

Gemeinsam mit den Ländern könnte an folgenden Schrauben gedreht werden:

Maskenpflicht: Die Maskenpflicht soll ausgeweitet werden. Überall dort, wo einander viele Leute begegnen, soll ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden. Nicht nur in Geschäften und Ämtern, sondern auch im öffentlichen Raum und auf belebten Plätzen. Das wird insbesondere ein Thema für den urbanen Raum. Gesichtsvisiere, wie sie jetzt etwa in der Gastronomie beliebt sind, sollen nicht mehr als vollwertiger Ersatz für Masken gelten.

Veranstaltungen: Die zulässige Besucherzahl bei Veranstaltungen soll bundesweit weiter herabgesetzt werden. Davon ist die Kultur betroffen, insbesondere aber auch der Sport. Vor allem bei Veranstaltungen ohne zugewiesene Sitzplätze soll weiter nachgeschärft werden. Problematisch könnten Verschärfungen etwa für das Europa-League-Spiel zwischen Rapid Wien und Arsenal am Donnerstag werden: Hier sind aktuell 3.000 Zuschauer erlaubt. Für das Tennisturnier in der Wiener Stadthalle ab kommendem Wochenende sind aktuell 1.500 Fans gleichzeitig pro Tag zugelassen.

Registrierungspflicht: Die Registrierungspflicht in Lokalen soll bundesweit ausgedehnt werden, um im Falle einer Infektion die Nachverfolgung allfällig weiterer Betroffener leichter zu machen. In Wien, wo diese Maßnahme schon gilt, musste bisher erst in fünf Fällen in Lokalen benachrichtigt werden, wie es aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) zum STANDARD hieß. Die Länder haben mit dieser Maßnahme offenbar kein Problem: Oberösterreich kündigte bereits an, die Registrierungspflicht einzuführen.

Sperrstunde: Tirol, Vorarlberg und Salzburg haben die Sperrstunde auf 22 Uhr gelegt. Kanzler Kurz sieht darin ein taugliches Mittel für ganz Österreich, die Wiener wehren sich aber strikt dagegen. Stadtchef Ludwig hat diese Maßnahme wiederholt abgelehnt. Es würde dann vermehrt zu illegalen Partys kommen. Möglich ist, dass diese Maßnahme in der Kompetenz der Länder bleibt.

Pflegeheime: Um die besonders gefährdete Gruppe der Älteren besser zu schützen, könnten – wie in Kuchl – Besuchsbeschränkungen kommen. Die Betreiber eines Heimes in Kärnten, das sich zu einem Cluster entwickelt hat, kritisieren aber auch die lange Dauer, bis es amtliche Testergebnisse gibt. In Wien wird aktuell der Einsatz von Antigen-Schnelltests vor Besuchen im Pflegeheim geprüft. Aktuell würden aber noch Daten gesammelt und getestet.

Falsche Zahlen

Vor dem montäglichen Treffen mit den Ländern gab es gröbere Auseinandersetzungen, befeuert auch durch falsche Zahlen, die Samstagfrüh veröffentlicht worden waren. Denn Boulevardmedien berichteten von 2317 Neuinfektionen, auch für die Bundeshauptstadt wurde ein neuer Rekord gemeldet. Der Schönheitsfehler: Die Zahlen waren falsch. Dem STANDARD liegt ein Screenshot vor, der nahe legt, dass ein Kabinettsmitglied von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) um 7.48 Uhr eine Tabelle mit den falschen Zahlen verschickt hat. Ob er sie selbst an Medien geschickt hat oder an jemanden, der sie dann weiterverbreitete, lässt sich nicht nachvollziehen.

Auf Nachfrage im Innenministerium wird von einer Sprecherin Nehammers erklärt: "Wir können ausschließen, dass die Zahlen von dieser Person an Medien gespielt wurden." Ob man grundsätzlich ausschließen könne, dass die Zahlen aus dem Innenressort stammen? Neuerlich wird nur der direkte Kontakt zu Medien verneint. (David Krutzler, Katharina Mittelstaedt, Michael Möseneder, Michael Völker, 18.10.2020)