König der Löwen? Vielleicht auch das, in jedem Fall aber Sarastro in einer grellen Szene (Stefan Cerny, o.m.)

Barbara Pálffy

Wahrscheinlich verharrt eine Python, nachdem sie einen Homo sapiens verspeist hat, im entspannten Zustand der Sattheit. An der Wiener Volksoper regt jenes Menschlein, das anfangs herzhaft hinuntergewürgt wird, allerdings nur den Schlangenappetit auf Tamino an – den Hauptgang. Angesichts seines letzten Stündleins lässt der Prinz jegliche Würde sausen. Verständlich, aber doch voreilig. Rechtzeitig wird das Riesenreptil durch deftige MG-Salven der drei Damen erlegt – und ist dann bald auch schon wieder vergessen.

Regisseur Henry Masons Inszenierung der Zauberflöte gönnt der Rezeption angenehmerweise keine ausgiebigen Verschnaufpausen. Sein Ideenflug durch Mozarts vielschichtigen Märchenkosmos bietet auf mehreren Ebenen für große und kleine Träumer unablässig (gerne auch grelle) Schauwerte. Und natürlich sind auch ein paar Deutungen im Angebot.

Schweiß durch Klima

Die Sphäre der Königin der Nacht (intensiv und in der Höhe fast immer zielsicher Anna Siminska) wird als bedrohlich glitzerndes Milieu gezeichnet, das den Umgang auch mit Dolchen in eleganten Choreografien zelebriert.

Hell und großer Hitze ausgesetzt die ebenfalls wenig friedvolle Welt ihres Gegenspielers Sarastro: Sein Tempelbezirk gleicht einer unter dem Klimawandel längst schwitzenden militärischen Festung (Bühne und Kostüme: Jan Meier). In ihr kommen Rottweilerkreaturen zum Einsatz, wenn es gilt, Ungehorsame einzuschüchtern. Und Sarastro selbst (solide, etwas gar kernig im Vokalen Stefan Cerny) gleicht denn auch einem kolonialistischen Feldherrndiktator, der sich mit Leopardenschärpe etwas Lokalkolorit herbeiverziert.

Die Natur hilft

Im privateren Rahmen gestattet sich Sarastro zwar ein bisschen Zerknirschung und Selbstzweifel abseits der herrschaftlichen Pose. Auch hier weiß er allerdings seine Priesterschaft mit machiavellistischer Weisheit auf seine Seite zu ziehen. Es ist offensichtlich: Zwischen der düsteren Rachewelt der Königin und dieser scheinbar sonnigen wird es eine friedvolle Lösung der Konflikte nicht geben.

Zu sehr sind die Kontrahenten in Abneigung und Machtgelüsten verstrickt. Masons Arbeit wirkt hier pessimistisch-hellsichtig. Sie gibt sich gewissermaßen erwachsen, da sie einmal vom verspielten Stil abweicht.

Rettung durch Puppen

Eine Rettung der Märchenwelt allerdings soll es auch hier geben. Und sie ist bunt, kommt in Form der unschuldigen kindlichen Natur daher, die eine Koalition mit den liebenden Herzen eingeht. Das Spezielle: Die Weltrettung präsentiert sich in Puppenform und betrifft nicht nur die drei eingreifenden Knaben. Hier lauschen Füchse, Frösche und Feldmäuse in Marionettenform der Annäherung zwischen Tamino (hohes Niveau, edler Wohlklang Martin Mitterrutzner) und Pamina (solide Rebecca Nelsen).

Und natürlich lässt es sich die Inszenierung nicht nehmen, um Papageno herum (sympathisch Jacob Semotan) einige Papageientaucher flattern zu lassen (Puppendesign und Coaching: Rebekah Wild).

Flora und Fauna

Nachdem der finale Angriff der dunklen Königsarmee scheitert, welcher auch Monostatos (Karl-Michael Ebner) beigetreten war, wird es plötzlich hell. Nachdem Papageno seine Papagena (Juliette Khalil) gefunden hat, versammeln sich alle und alles zu einer finalen Szene: Zwischen Flora und Fauna sind fast alle Figuren zugegen, singen einem gütigen Ende entgegen und sehen auch bereits viele Papageno-Kinder herumtollen.

Alles wird also gut. Zumindest in diesem Märchen, das Dirigentin Anja Bihlmaier und das animierte Orchester mit klanglicher Robustheit und resoluter Phrasierungskunst umgarnen.

Etwas mehr poetische Kontraste hätten natürlich gutgetan.

Das Haus am Gürtel hat jetzt jedenfalls eine bunte Zauberflöten-Version, die gut als Erlebniswelt für die ganze Familie funktioniert. Und wenn der Premierenzeuge für ein paar längere Augenblicke seine Corona-Maskierung vergisst, ist das mittlerweile auch ein Kriterium für die Kurzweil einer Darbietung. (Ljubisa Tosic,19.10.2020)