Der Giro ist in den herbstlichen Alpen angekommen. Im Feld gibt es Diskussionen, ob es bis Mailand weitergehen soll.

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Portugals Jungstar Joao Almeida liegt nach der Bergankunft in Piancavallo und vor dem zweiten Ruhetag beim 103. Giro d’Italia nur noch hauchdünn in Führung. Nach Platz vier in der Skistation in den Julischen Alpen hat der 22-jährige Profi von Quick-Step noch 15 Sekunden Guthaben auf den Niederländer Wilco Kelderman, der hinter dem Briten Tao Geoghegan Hart von Ineos Zweiter wurde.

Hart setzte sich auf 1288 Metern Höhe im Sprint einer Dreiergruppe vor den Sunweb-Profis Kelderman und Jai Hindley aus Australien durch. Sein Teamkollege, Zeitfahrweltmeister Filippo Ganna, hatte am Samstag souverän das Rennen gegen die Uhr in Valdobbiadene gewonnen.

Almeida musste auf der Schlusssteigung wie auch Patrick Konrad, der starker Tagessechster wurde, abreißen lassen, rettete sich aber mit 37 Sekunden Rückstand ins Ziel. Der Österreicher verlor 1:29 Minuten und ist gesamt 4:09 Minuten hinter Almeida Neunter. Im Zeitfahren hatte Konrad drei Plätze eingebüßt. Für die Schlusswoche blieb der 29-Jährigen von Bora aber zuversichtlich: "Der Giro ist ja noch lange, und die wirklich harten Etappen kommen erst."

Ende mit Schrecken

Noch nicht vom Tisch ist allerdings die Möglichkeit, den Giro nach dem heutigen zweiten Ruhetag abzubrechen. Bereits am Donnerstag soll das US-Team EF Pro Cycling lieber ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende gefordert haben. Die Blase zum Schutz der Teams sei "eindeutig beschädigt" und "weitere Erkrankungen" seien zu erwarten, hieß es seitens der Mannschaft um die Etappensieger Jonathan Caicedo aus Kolumbien und Ruben Guerreiro aus Portugal.

Ein Grund war die Serie von positiven Corona-Tests unter Motorradpolizisten, die für das parallel stattfindende E-Bike-Rennen eingeteilt waren. Der Veranstalter, die RCS Media Group, versicherte allerdings, dass die fraglichen Beamten zu keiner Zeit beim Giro eingesetzt gewesen waren.

Ein geordnetes Ende schien den Kritikern dennoch besser als der chaotische Rückzug einzelner Teams. Den haben Mitchelton-Scott und Jumbo-Visma bereits vollzogen. Acht positive Befunde bei fünf Teams hatte es bei der Testreihe am vergangenen Montag gegeben. Bereits zuvor war der britische Mitfavorit Simon Yates mit einer Infektion ausgestiegen. Was die Veranstalter als Beleg für das Funktionieren des Hygienekonzepts werteten, sorgte im Feld eher für Skepsis.

Angst und Skepsis

"Ich glaube, dass die Organisation hier Dinge verheimlicht. Es ist viel Geld im Spiel, für die Sponsoren ist es sehr wichtig, dass wir bis nach Mailand kommen", sagte der Belgier Thomas De Gendt von Lotto-Soudal, der von heftigen Diskussionen im Feld berichtete. Bei der Tour de France habe er sich zu keiner Zeit unsicher gefühlt, nun sorge er sich um seine Familie: "Ich möchte niemanden anstecken."

Der Weltverband UCI und RCS Sport reagierten mit 512 zusätzlichen Antigentests vor dem Wochenende, die allesamt negativ ausfielen. Ein Abbruch stehe jedenfalls nicht zur Debatte.

Dass der Giro am 25. Oktober Mailand erreicht, ist auch das erklärte Ziel von Renndirektor Mauro Vegni, der die Hygieneprotokolle verteidigte und die Teams in die Verantwortung nahm. "Ich respektiere die Fahrer, aber es gab innerhalb der Teams Nachlässigkeiten in der Blase", sagte er: "Ich sehe nicht, warum der Giro schlechter gemacht werden sollte als andere Rennen."

Apropos andere Rennen: Schon am Dienstag soll in Irun im Baskenland an der französisch-spanischen Grenze die Vuelta anheben. Die Spanien-Rundfahrt bewegt sich pandemisch gesehen auf noch weit unsichererem Terrain als der Giro. Kaum jemand glaubt, dass sie erst am 8. November nach 18 Etappen in Madrid endet. (Sigi Lützow, 19.10.2020)