Frankreichs Präsident Emmanuel Macron setzt im Kampf gegen radikale Gruppen auch auf Bildung.

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Paris – In Frankreich laufen nach der brutalen Ermordung eines Lehrers zahlreiche Polizeieinsätze gegen Islamisten. Sie würden sich gegen "dutzende Personen" aus dem radikalisierten Milieu richten, sagte Innenminister Gerald Darmanin Montagfrüh. Derartige Polizeieinsätze würden auch in den kommenden Tagen fortgesetzt.

Im Verteidigungsrat unter Vorsitz von Präsident Emmanuel Macron war am Sonntagabend beschlossen worden, stärker gegen Radikalisierung vorzugehen und auch den Hass im Netz noch stärker in den Blick zu nehmen. Im Verteidigungsrat wurde laut Élysée-Kreisen beschlossen, die Überwachung von Onlineplattformen zu intensivieren, um bei Gewaltaufrufen schneller tätig werden zu können.

80 Beschwerden seit Mord

Seit der Ermordung des Lehrers seien rund 80 Beschwerden gegen die Verbreitung von Hass im Internet eröffnet worden, sagte der Minister. Es handle sich dabei etwa um Nachrichten, die die Tat des 18-jährigen Angreifers verherrlicht hätten. Darmanin kündigte auch an, in dieser Woche etliche Verbände in den Blick zu nehmen.

Darmanin sprach auch davon, dass der Vater des Angreifers, der im Netz gegen den Lehrer mobilisiert hatte, und andere "eine Fatwa gegen den Lehrer erlassen" hätten. Es gebe dafür kein anderes Wort, sagte Darmanin. Eine Fatwa ist im Islam eine Rechtsauskunft, um ein religiöses oder rechtliches Problem zu klären. Weltweit negative Schlagzeilen machte der Begriff, als der iranischen Revolutionsführer Ayatollah Khomeini 1989 eine Todesdrohung gegen den britischen Schriftsteller Salman Rushdie wegen Gotteslästerung aussprach.

Vater in Gewahrsam

Der Lehrer war am Freitagvormittag in einem Vorort von Paris brutal ermordet worden. Anfang Oktober hatte er Karikaturen des Propheten Mohammed im Unterricht gezeigt. Anlass war die erneute Veröffentlichung der Karikaturen durch das Satireblatt "Charlie Hebdo".

Daraufhin hatte der Vater einer Schülerin im Netz gegen den Lehrer mobilisiert und auch Daten wie die Adresse der Schule veröffentlicht. Die Schule und der 47-jährige Lehrer wurden daraufhin bedroht. Der Vater wurde nach dem mutmaßlichen Terrorakt in Polizeigewahrsam genommen. Die Staatsanwaltschaft stellte zunächst keine Verbindung zwischen ihm und dem Angreifer her, der nach der Tat von der Polizei erschossen wurde. Der Angreifer mit russisch-tschetschenischer Herkunft hatte nach seiner Tat im Netz damit geprahlt und geschrieben, der Lehrer habe den Propheten herabgesetzt.

Regierungssprecher Gabriel Attal sagte dem Sender BFM TV, dass diejenigen, die sich an dieser öffentlichen Lynchjustiz beteiligt hätten, auch eine Verantwortung tragen würden. "Ich bin nicht das Justizsystem, ich bin nicht die Polizei, es laufen Ermittlungen, diese Menschen sind in Polizeigewahrsam, aber wir brauchen eine absolut beispielhafte Antwort in dieser Frage." Zehntausende waren am Sonntag in ganz Frankreich unter dem Motto "Je suis Samuel" oder "Je suis Prof" ("Ich bin Lehrer") auf die Straße gegangen, um für Meinungsfreiheit zu demonstrieren. (APA, 19.10.2020)