Sandra Ciesek.

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Seit dem Frühjahr 2020 sind einige Interviews mit Virologen zusammengekommen. Da gilt es schon, ein wenig originell zu sein bei den Einstiegsfragen, damit die Leser*innenschaft dranbleibt. Aber muss man ausgerechnet bei einem Fachgebiet, wo zuletzt sehr viele männliche Expertenstimmen zur Wort kamen, einer Virologin mit dem Begriff "Quotenfrau" kommen? Nein, muss man nicht. Das ist nicht originell, es ist eher Gewohnheit.

Ob ihr klar sei, "dass Sie die Quotenfrau sind?", wollten zwei "Spiegel"-Journalistinnen von der Virologin Sandra Ciesek wissen. Der wohl scherzhaft gemeinte Einstieg ins Interview bezog sich auf einen Podcast über das Coronavirus, in dem Ciesek abwechselnd mit dem deutschen Virologen Christian Drosten spricht.

Es blieb aber nicht nur bei der Quotenfrau-Frage. Man zitierte dann auch noch die "Bild"- und die "Berliner Zeitung", Ciesek wäre "die neue an Drostens Seite". Der Status von Drosten sei laut den Journalistinnen inzwischen der eines "Popstars", der auf Leugner von Covid-19 schon mal "frech" antworte. Die ersten Podcastfolgen von Ciesek würden hingegen nach "Volkshochschule" klingen, ob sie es künftig vielleicht "spannender" machen wolle?

Kurzum, es waren recht viele Genderklischees, an denen Sandra Ciesek im Laufe des Gesprächs vorbeimusste. Der lässige Virologe und die fade Forscherin, der Popstar und die Quotenfrau. Die Bewertungen und die Sprache in diesem Interview waren nicht fair. Das blieb auch der Community in den sozialen Medien nicht verborgen, wo ausführlich der Sexismus hinter den Fragen analysiert wurde und sich schließlich auch noch Sandra Ciesek zu Wort meldete. Und das führte zu einem interessanten Wortwechsel zwischen der Virologin und einer der beiden Journalistinnen.

Die Antwort darauf: Warum habe Sandra Ciesek nicht bereits früher darauf reagiert?

Ciesek daraufhin, sie sei für die Fragen der Journalist*innen nicht verantwortlich. Und damit hat Sandra Ciesek völlig recht. Sie ist nur für ihre Antworten verantwortlich, und wer öfter Journalist*innen Interviews gibt, weiß, dass es Journalist*innen meist nicht schätzen, wenn an ihren Fragen herumkorrigiert wird. Das geht nicht, umso mehr gilt: Für die Fragen sind Journalist*innen verantwortlich und für die Bilder, die sie damit transportieren, ebenso. Sie sind die Fachleute für die Vermittlung von Inhalten. Genderklischees sind weder "kritisch" noch "provokant", wie in der Debatte in den sozialen Medien immer wieder behauptet wurde.

Journalist*innen müssen wissen, wie es um die Repräsentation in den Medien steht. Wie oft Männer als Expert*innen auftreten und wie oft Frauen. Wenn man dieses Missverhältnis im Kopf behält, dann lässt man die Anspielungen auf "Quotenfrau" vermutlich. (Beate Hausbichler, 20.10.2020)