Enzo Mari war ein Wirbelwind. Wer ihn traf und der italienischen Sprache nicht mächtig war, bekam trotz Dolmetsch wenig von dem mit, was er sagte. Den Dolmetscher ließ der 1932 im piemontesischen Novara Geborene nämlich gar nicht erst aussprechen. Nun ist der Designer am Montag im Alter von 88 Jahren gestorben und überlebte seinen im vergangenen Jahr verstorbenen Kollegen Alessandro Mendini um eineinhalb Jahre.

Mari gehörte zweifellos zu den bedeutendsten italienischen Designern des 20. Jahrhunderts. Seine Werke sind in den bekanntesten Kunst- und Designmuseen der Welt, wie dem Museum of Modern Art in New York und dem Triennale Design Museum in Mailand, ausgestellt.

Enzo Mari in seinem Studio.
Foto: Imgago/Letizia Mantero

"Wir verlieren einen Giganten des italienischen Designs. Mari war ein Künstler von weltweitem Ruf. Er hat Generationen von Designern inspiriert. Mailand wird ihn immer im Herzen tragen", kommentierte der Mailänder Bürgermeister Giuseppe Sala. Mari hatte 2016 der Mailänder Gemeinde sein komplettes Archiv geschenkt.

Wissensvermittlung durch Design

Mari, der auch eine Zeit lang an der Wiener Angewandten unterrichtete, begann seine künstlerische Laufbahn in den 1950er-Jahren und nahm an Ausstellungen in Galerien und Museen für zeitgenössische Kunst sowie an verschiedenen Ausgaben der Biennale in Venedig und der Mailänder Triennale teil. Gleichzeitig begann er auch als Designer zu arbeiten – und zwar in den Bereichen Grafik, Industrieprodukte und Ausstellungsdesign. Bekannt wurde er auch durch seine zahlreichen Buchveröffentlichungen über Themenbereiche des Designs, das laut Mari nicht nur für Ästhetik, sondern auch für Wissensvermittlung steht.

In den 1970er-Jahren nahm Mari den Vorsitz der italienischen Gesellschaft für Design an und hielt einige Zeit später eine Ehrenprofessur an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg. Immer wieder setzte er sich in seiner Arbeit mit den Fragen der visuellen Wahrnehmung auseinander. Sein Stil war geprägt durch ein Gespür für einfache Lösungen, klare Formen und für die praktische Umsetzung von Gebrauchsgegenständen.

Sein Buch "Autoprogettazione" von 1974 enthielt 19 Entwürfe für Holztische, -stühle, -regale und -betten, für deren Bau nur einfache Werkzeuge nötig sind. Damit beeinflusste er die Do-it-yourself-Bewegung und setzte ein wichtiges Zeichen. Ein Zeichen gegen industriellen Massenkonsum und für eine bessere Welt. Der nicht selten grantig wirkende Mari war der Ansicht, dass Menschen, die einen Stuhl bauen, dabei etwas lernen. Das sollte zu einem Umdenken führen. Design sei schließlich nicht nur etwas, das man sich in die Wohnung stellt, damit es Blicke und Staub fängt. Die Designwelt ist um einen Visionär ärmer. (APA, red 19.10.2020)