Die Stadt Varosha ist seit dem Krieg 1974 gesperrt, weil sie im türkischen Nordteil der Insel liegt, aber hauptsächlich von griechischen Zyprern bewohnt wurde. Kurz vor der Wahl erlaubte die türkische Armee Nordzyprern einen Besuch dort.

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Kurz vor der Wahl ...

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... erlaubte die türkische Armee Nordzyprern einen Besuch dort.

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Ersin Tatar, Ankara-naher Rechtsnationalist, wird künftig Nordzypern führen.

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Die Präsidentschaftswahl im türkischen Teil Zyperns hat zu einem wenig friedensfördernden Ergebnis geführt. Mit dem Nationalisten Ersin Tatar hat in der international nicht anerkannten Republik ein Mann die Führungsposition der türkischen Zyprer übernommen, der von Verhandlungen mit den griechischen Zyprern wenig hält. Ersin Tatar, der gegen den amtierenden linken Präsidenten Mustafa Akıncı in die Stichwahl am Sonntag gekommen war, wurde dabei von der Regierung in Ankara massiv unterstützt. Er siegte knapp.

Ein besonders drastisches Beispiel für Ankaras Herangehen ist die Teilweise Öffnung des ehemaligen Touristenzentrums Varosha. Dieser Hotelbezirk, in dem vor dem Krieg 1974 hauptsächlich griechische Zyprer gelebt haben und der seit dem Waffenstillstand 1974 von der türkischen Armee kontrolliert wird, war seit dem Krieg eine nicht genutzte Geisterstadt, weil Varosha im Zuge erfolgreicher Verhandlungen zwischen den griechischen und den türkischen Zyprern an die griechischen Besitzer zurückgegeben werden sollte. Zur Unterstützung von Tatar öffnete die türkische Armee auf Anweisung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan nun kurz vor der Wahl den Strand von Varosha für die türkischen Zyprer.

Rechte für Tatar

Damit wurde bewusst gegen das Waffenstillstandsabkommen von 1974 verstoßen, um die rechten und nationalistischen Stimmen unter den türkischen Zyprern hinter Tatar zu versammeln. Mit dem knappen Sieg von Tatar gegen Akıncı werden nun weitere Gespräche über eine mögliche Aufhebung der Teilung auf der Insel massiv erschwert. Tatar ist ein erklärter Gegner einer bundesstaatlichen Lösung mit den griechischen Zyprern.

Der Wahlausgang im türkischen Nordzypern hat aber nicht nur Konsequenzen für die Insel selbst. Die Spannungen zwischen der Türkei und Griechenland und weiteren Mittelmeeranrainern wie Israel und Ägypten werden nun wohl noch weiter zunehmen.
Denn einer der Gründe, warum die Auseinandersetzung zwischen der Türkei, Griechenland und anderen Mittelmeeranrainern in den letzten Monaten so eskaliert ist, ist genau die Teilung Zyperns und die ungeklärte politische Situation auf der Insel.

Streit ums Gas

Zypern ist Mitglied der EU, und die griechisch-zyprische Regierung, die rund 800.000 der rund einen Million Einwohner der Insel vertritt, ist die international anerkannte Regierung Zyperns. Doch auf dem nördlichen Drittel der Insel, wo seit der Teilung 1974 die rund 200.000 türkischen Zyprer leben, hat sie nichts zu melden.

Allerdings wird die Republik Nordzypern international nicht akzeptiert und nur von der Türkei und Aserbaidschan anerkannt. Als rund um Zypern große Gas- und Ölvorräte entdeckt wurden, vergab die zypriotische Regierung Bohrlizenzen, ohne den türkischen Teil der Insel zu berücksichtigen. Das nimmt der türkische Präsident Erdoğan seitdem zum Anlass, um eigene Erkundungsschiffe in zypriotische Gewässer zu schicken – angeblich, um den Türken von Zypern ihren Anteil am kommenden Reichtum zu sichern.

Vereinigung ja, aber nicht mit Zypern

Seit August dieses Jahres hat Erdoğan dann zusätzlich noch ein Forschungsschiff in Seegebiete geschickt, die exklusiv von Griechenland beansprucht werden – und damit eine Krise ausgelöst, die fast zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen den beiden Nato-Staaten geführt hätte.

Eine Lösung im Streit um die Rohstoffe im östlichen Mittelmeer wäre deshalb entschieden leichter, wenn die griechischen und türkischen Zyprer die Teilung der Insel überwinden und wieder zu einer gemeinsamen Regierung kommen würden. Im Gegensatz zu dem bisherigen Präsidenten, dem linken Mustafa Akıncı, ist der Wahlsieger vom Sonntag, Ersin Tatar, dazu aber nicht mehr bereit. Er setzt auf Erdoğan und notfalls eine Vereinigung mit dem türkischen Mutterland statt auf Gespräche mit den Zyprern auf der anderen Seite der Demarkationslinie. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul, 19.10.2020)