Eine Videospielkonsole spielt eine wesentliche Rolle im Diebstahlsprozess gegen eine 59-Jährige.

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Wien – Richter Thomas Kreuter ist ob der Verwandschaftsverhältnisse im Prozess gegen Mechthild G. (Name geändert, Anm.) etwas verwirrt. Die unbescholtene 59-Jährige soll ihre damalige Schwiegertochter bestohlen haben. Die gleichzeitig ihre Nichte ist. Und mit der sie nur sechs Monate ihres Lebens Kontakt hatte.

"Ich hatte damals fünf Jahre mit Frau Anja keinen Kontakt gehabt. Mein Sohn hat sie 2014 kennengelernt und geheiratet, dann haben sie sechs Monate bei uns gewohnt. Dann hat sie ihn grundlos angezeigt, und sie sind beide ausgezogen", erklärt die arbeitslose Floridsdorferin ungefragt dem Richter. "Aber sie ist doch Ihre Nicht?", wundert sich Kreuter über den schütteren Kontakt. "Ich habe sie erst 2014 kennengelernt", wiederholt die Angeklagte.

Rückkehr nach fünf Jahren

Viel mehr interessiert Kreuter ohnehin der 31. März 2019. Auch zu dem kommt G. nur über einen Umweg. "Am 30. ist mein Sohn zu uns nach fünf Jahren zurückgekommen und hat gesagt, er hat sich getrennt. Davor hat er eine Woche in Parks und bei Freunden übernachtet. Er wurde von Frau, Schwager und Schwägerin geschlagen!", empört sich die treu sorgende Mutter.

An diesem Tag habe er von seiner Noch-Gattin auch eine elektronische Nachricht erhalten, dass er sich am nächsten Tag seine Sachen holen solle, habe er ihr erzählt. "Und warum hat er das nicht gemacht?", will der Richter wissen. "Der Bub ist ja schon groß?" – "Er hat gesagt, er hat Abenddienste und ist müde."

Am 31. März kam der damals 29-jährige Sprössling also von der Arbeit zu seinen Eltern, legte den Schlüssel zur noch ehelichen Wohnung ab und legte sich hin. Frau G. scheint das zum Anlass genommen zu haben, aktiv zu werden. Sie schnappte sich den Schlüssel und fuhr zu seiner Wohnung.

Offene Tür bei Besuch

Dort sperrte sie auf. "Ich habe die Tür offen gelassen, es war mir eh unangenehm", betont die Angeklagte. Zu ihrer Überraschung soll die Schwiegertochter aber nichts für den Auszug vorbereitet haben. "Ich habe mir wahllos Sachen genommen, von denen ich dachte, sie gehören ihm", schildert G. ihre weitere Vorgehensweise. Männerkleidung, eine Aktenmappe mit dem Namen des Sohnes drauf und herumliegendes Werkzeug. Die Dinge packte sie in zwei mitgebrachte Einkaufstrolleys und fuhr heim, behauptet sie.

"Dort hat mich mein Sohn gleich vor dem Haustor empfangen und gesagt, dass seine Gattin angerufen habe, dass ich angeblich eingebrochen habe. Ich habe ihm die Trolleys gegeben und bin nach oben." Soweit die Angeklagte weiß, sei kurz darauf "Frau Anja" aufgetaucht und habe die Trolleys in Empfang genommen. Erst danach habe sie erfahren, dass die Schwiegertochter die Polizei eingeschaltet habe, da angeblich Schmuck weggekommen sei. Das stimme aber nicht.

Gleiche Kaffeemaschine

Auf Nachfrage der Staatsanwältin muss G. allerdings zugeben, doch einen Gegenstand mit unklareren Besitzverhältnissen mitgenommen zu haben. "Die Kaffeemaschine in der Küche. Die hat genauso ausgesehen wie die, die wir meinem Sohn und seiner vorigen Freundin geschenkt haben", beruft sie sich auf ein Missverständnis.

Von diesen scheint es einige gegeben zu haben. Denn bei der polizeilichen Einvernahme sagte der Sohn noch, seine Mutter habe den Wohnungsschlüssel ohne sein Wissen genommen. In der ersten Gerichtsverhandlung, die von der Berufungsinstanz aufgehoben wurde, entschlug er sich der Aussage. Andernfalls hätte G. sogar eine Verurteilung wegen Einbruchs gedroht: das ist die Benützung eines Schlüssels nämlich, wenn man ihn widerrechtlich erlangt.

Die Ex-Schwiegertochter Anja F. erzählt eine deutlich dramatischere Geschichte. Sie sei am fraglichen Tag mit ihrem Kind aus einer früheren Beziehung außer Haus gewesen. Als sie heimkam, seien ihr zunächst die fehlende Dokumentenmappe und die ebenso fehlende Kaffeemaschine aufgefallen. Sie rief ihren Noch-Mann an, der bestritt jede Mitschuld und legte auf.

Verschwundene Spielkonsole

F.s Kind entdeckte in der Zwischenzeit, dass auch seine Wii weg war. "Die Spielkonsole Wii", klärt die junge Staatsanwältin den irritiert blickenden Richter auf. Zusätzlich fehlten die Bluetooth-Kopfhörer des Kindes, Dartpfeile und angeblich drei Schmuckstücke. Es folgte eine fernschriftliche Kommunikation mit dem Ehemann, F. drohte auch mit der Polizei. Möglicherweise gab es noch ein zweites direktes Gespräch, denn der Sohn von Frau G. soll irgendwann gesagt haben: "Das kann ja nicht sein, dass meine Mutter wirklich gemacht hat, was sie angekündigt hat."

Laut Zeugin F. sei die Polizei notwendig gewesen, ehe die Angeklagte und ihr Sohn die beiden Trolleys und drei Plastiksackerln wieder herausgegeben hätten. Der Schmuck sei aber nicht mehr dabei gewesen. Auch die Zeugin schweift in die Vergangenheit ab: "Es ist nicht das erste Mal, dass sich Frau G. einen Eklat geleistet hat. Es gab schon einmal eine Wegweisung gegen sie bezüglich meines Kindes", behauptet sie.

"Wie war damals Ihr Verhältnis zu Frau G.?", fragt die Anklägerin nach. "Nicht gut." – "Und zum Sohn von Frau G.?" – "Mittelmäßig. Er hat mich mit einer 15-Jährigen betrogen", erfährt man.

Da der Sohn von Frau G. sowie eine mögliche Entlastungszeugin ihre Zeugenladung nicht von der Post geholt haben, muss Kreuter dann auf den 9. November vertagen. (Michael Möseneder, 19.10.2020)