Panusaya "Rung" Sithijirawattanakul wurde wegen Aufruhrs verhaftet.

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Als die Polizei sie am Mittwoch abführte, hob die 22-Jährige noch einmal ihre Hand zum Drei-Finger-Salut: Die Geste des Widerstands aus der Buch- und Filmreihe "Tribute von Panem" wurde so etwas wie das Markenzeichen der jüngsten Protestbewegung in Thailand. Und die Studentin Panusaya Sithijirawattanakul so etwas wie ihre Anführerin. In einer handschriftlichen Nachricht animiert sie ihre Unterstützer auch nach ihrer Verhaftung zum Weitermachen: "Ihr seht vielleicht nun einen Wortführer nach dem anderen verschwinden. Aber wir sind immer bei euch." In eine Ecke des Blattes hat sie einen Regenbogen gekritzelt.

"Rung", wie sie mit Spitznamen genannt wird, muss sich wegen Aufruhr verantworten. Denn spätestens seit Mitte August ist sie das Gesicht der wachsenden Protestbewegung in Thailand. Damals stand die Frau mit der runden Brille und der roten Bluse auf einer Bühne vor hunderten Protestierenden und verlas mit ruhiger, aber bestimmter Stimme ein Manifest, das Thailand in seinen Grundfesten erschütterte. Nicht nur forderte sie den Rücktritt von Premier Prayuth Chan-o-cha, sondern auch eine Reform der Monarchie – bis dato ein absolutes Tabu in dem Land.

Erfahrung in der Schule

Eigentlich wollte das eher introvertierte Mädchen aus bürgerlichem Haus gar nicht in die Politik, sagte sie vor ihrer Verhaftung zur ARD. Doch ein Erlebnis in der Schule veränderte ihre Einstellung. Weil sie ihre Hausaufgaben nicht gemacht hatte, sollte sie ihre Finger zusammenbinden lassen, damit sie der Lehrer mit dem Lineal schlagen konnte. Rung weigerte sich aber, weil sie gehört hatte, dass diese Form der Bestrafung seit kurzem verboten war. Ihr blieben die Schläge erspart, ihren Mitschülern aber nicht. Sie empfand es als Schande, dass die Lehrer ihnen ihre Rechte vorenthielten, anstatt sie darüber zu informieren.

Nach der Schule begann sie an der renommierten Thammasat-Universität in Bangkok zu studieren. Als Sprecherin der Student Union of Thailand schloss sie sich der Protestbewegung an.

An dem Tag im August fiel die Aufgabe, das Manifest zu verlesen, auf sie, weil sich sonst niemand dem Risiko stellen wollte, öffentlich so ungeheuerliche Dinge zu fordern. Seitdem beteuert die junge Thailänderin, dass sie keine Angst habe. In ihrer Notiz heißt es auch: "Ich gebe meine Hoffnungen und meinen Geist an euch weiter. Bitte verfallt nicht in Panik, falls ich nicht zu euch zurückkomme." (Anna Sawerthal, 19.10.2020)