Homotherium latidens auf gemeinschaftlicher Jagd.
Illustration: University of Copenhagen

Er lebte und jagte im Rudel und hetzte seine Beute so lange, bis sie die Kräfte verließen: Dieses für Katzen recht untypische Profil, das eher an das Verhalten von Wölfen erinnert, erstellten dänische Forscher für eine der großen Säbelzahnkatzen des Eiszeitalters, Homotherium. Zu ihren Aussagen kamen sie durch Erbgutanalysen.

Die andere Säbelzahnkatze

Homotherium war etwa so groß wie ein heutiger Löwe oder Tiger, hatte aber wie sein berühmterer Cousin Smilodon leicht verlängerte Vorderbeine und dadurch einen abfallenden Rücken. Seine Säbelzähne waren kürzer als die von Smilodon, sein Körper weniger massig, die Beine dafür im Verhältnis etwas länger. Aufgrund dieser Skelettmerkmale wurde die Scimitarkatze, wie Homotherium auch genannt wird, schon früher als Laufjäger eingestuft.

Das bestätigt nun die Analyse der DNA eines fossilen Exemplars, das im Permafrost des kanadischen Yukon-Territoriums gefunden wurde. Mit der herkömmlichen Radiokarbonmethode konnte es nicht mehr exakt datiert werden, was laut dem Team um Michael Westbury und Ross Barnett von der Universität Kopenhagen auf ein Alter von über 47.500 Jahren hinweist. Aus früheren Funden weiß man, dass sich Homotherium vor etwa fünf Millionen Jahren entwickelte und erst mit dem Ende der letzten Kaltzeit vor 12.000 Jahren ausstarb. Die Gattung existierte also fast doppelt so lange wie Smilodon.

Ein Bild schält sich heraus

Fortschritte in der medizinischen Forschung waren es letztlich, die den Paläontologen dazu verhalfen, neue Erkenntnisse über die eiszeitliche Katze zu gewinnen. Eine lange Reihe von Genen kann man mittlerweile mit bestimmten Funktionen assoziieren. Die Genomsequenzierung von Homotherium ermöglichte also Schlüsse auf dessen Lebensweise, die allein aufgrund von Knochen nicht gezogen werden könnten. So leiten Westbury und Barnett aus den Daten ab, dass Homotherium eine sehr gute Tagsicht besaß und alle Anlagen für ein komplexes Sozialverhalten aufwies – Letzteres im Gegensatz zur Lebensweise der meisten heutigen Katzenarten.

Außerdem hatte das Tier die Anlagen für ein sehr leistungsfähiges Atmungs- und Herz-Kreislauf-System. Es verfügte also über große Ausdauer – wiederum im Gegensatz zu heutigen Katzen, deren Körper eher auf kurzen, explosiven Kraftaufwand angelegt ist, etwa für einen Überfall aus dem Hinterhalt oder einen schnellen Sprint. In Kombination mit den langen Beinen und dem Umstand, dass Homotherium seine Krallen nicht vollständig einziehen konnte, ergibt sich damit das Bild eines ausdauernden Läufers, der seine Beute über lange Strecken hinweg verfolgte, vermutlich im Rudel. Die Scimitarkatze war also gewissermaßen der Wolf unter den Säbelzahnkatzen.

Verwandtschaften

Die Unterschiede zu den heutigen Feliden spiegeln sich auch im Platz auf dem Katzenstammbaum wider: Laut der Genomanalyse spalteten sich die Vorfahren von Homotherium schon vor mindestens 22,5 Millionen Jahren von den Ahnen der übrigen Katzen ab. Zum Vergleich: Der evolutionäre Abstand zwischen dem Eiszeitjäger und den modernen Katzen ist damit noch größer als der zwischen Mensch und Gibbon.

Zu guter Letzt konnten die dänischen Forscher auch ablesen, dass Homotherium eine höhere genetische Diversität aufwies als heutige Katzenarten. Das passt zu dem Umstand, dass man Fossilien des Tiers auf sämtlichen Kontinenten mit Ausnahme Australiens und Antarktikas gefunden hat: Auch in Sachen geografischer Verbreitung übertraf Homotherium Smilodon also deutlich; der blieb auf Nord- und Südamerika beschränkt.

Was nicht ganz ins Bild einer räumlich wie zeitlich enorm verbreiteten Gattung passt, ist die vergleichsweise geringe Zahl an Fossilien, die man bisher gefunden hat. Doch dafür dürfte es eine einfache Erklärung geben, wenn man nach den Forschern geht: Die meisten Knochen sind nicht so eindeutig identifizierbar wie die Säbelzähne. Vermutlich liegen in Museumsbeständen weltweit jede Menge Homotherium-Fossilien herum, die man bislang falsch zugeordnet hat. Hier könnten DNA-Untersuchungen helfen – und letztlich das Bild einer unterschätzten Katze geraderücken, die so typisch für das Eiszeitalter gewesen sein dürfte wie keine andere. (jdo, 24. 10. 2020)