Die Wahl in Wien ist geschlagen, Michael Ludwig mit großer Mehrheit als Bürgermeister bestätigt. Vor ihm liegen arbeitsreiche Jahre und jede Menge Probleme. Es ist zu wünschen, dass er dabei einen ruhigen Kopf behält. Im wahrsten Sinne des Wortes verlieren wird er ihn jedenfalls mit Sicherheit nicht: ein Schicksal, das im 15. und 16. Jahrhundert einigen seiner Vorgänger beschieden war. Von dreien wird hier erzählt. Sie alle bezahlten ihre Parteinahme im Spiel der Mächtigen mit dem Leben.

Streit um Macht

Wien erhielt 1221 das Stadtrecht. Städte hatten eine relativ große Selbstständigkeit, umso mehr bei Problemen der Landesfürsten. Und deren gab es für die Herrscher Österreichs in ihren Anfängen genug. Nach dem Sieg König Rudolfs I. von Habsburg über König Ottokar von Böhmen begannen schon die Schwierigkeiten – und unter Rudolfs Nachkommen die Streitereien um Geld, um Territorien, um Vormundschaften, kurz: um Macht. In diese Auseinandersetzungen wurde auch die Bevölkerung hineingezogen, was oft zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führte.

So auch Anfang des 15. Jahrhunderts, als zwischen den Brüdern Herzog Leopold IV. von Österreich ob und unter der Enns (Ober- und Niederösterreich) und Ernst dem Eisernen, Herzog der Steiermark, ein Streit wegen der Vormundschaft über ihren minderjährigen Neffen ausbrach. Die dynastischen Auseinandersetzungen machten auch vor den Einwohnern der Stadt Wien nicht halt, die Führungsschicht ergriff Partei für Ernst, während die Handwerker und Kleingewerbetreibenden aufseiten Leopolds standen. In dieser aufgeheizten Stimmung ließ der Bürgermeister, Konrad Vorlauf, im Jänner 1408 fünf Handwerker, die eines Komplotts gegen Ernst den Eisernen bezichtigt wurden, hinrichten. Von Ernst erntete er dafür keinen Dank, der kam zu einer Verständigung mit seinem Bruder und zog sich in die Steiermark zurück. Leopold hatte nun in Wien das Sagen und übte Vergeltung an den Parteigängern seines Bruders. Er ließ Bürgermeister Vorlauf samt den Ratsherren Hanns Rockh und Konrad Rampersdorfer am Schweinemarkt, dem heutigen Lobkowitzplatz, enthaupten. Eine Tafel am Haus Lobkowitzplatz Nr. 3 erinnert noch heute daran.

Hinrichtung von Bürgermeister Vorlauf durch das Schwert.
Foto: ÖNB

Vereitelter Putschversuch

In der nächsten Generation gab es schon wieder einen Bruderzwist. Der Sohn Ernsts des Eisernen, Friedrich, wurde als Friedrich III. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Zwischen ihm und dem zweiten Sohn, Albrecht VI., kam es zu Erbstreitigkeiten um die österreichischen Gebiete. Wien war anfangs kaisertreu, nach einem Wechsel in der Stadtregierung schlug die Stimmung zugunsten Albrechts um. Kaiser Friedrich, der mit seiner Familie in Wien residierte, wurde von den Wienern in der Burg belagert, die Belagerten mussten bald mangels anderer Nahrungsmittel Hunde und Katzen und auch einen Geier, der lange Jahre in der Burg gelebt hatte, essen. Nach Verhandlungen erhielt der Kaiser letztlich freies Geleit, und Erzherzog Albrecht trat die Regentschaft in Wien an.

Bürgermeister Wolfgang Holzer als Vertreter der Stadt leistete Albrecht in der Wiener Burg den Treueid. Kaiser Friedrich jedoch gelang es, den Wienern durch Handelsrestriktionen starken wirtschaftlichen Schaden zuzufügen, gleichzeitig wurden die Söldner Erzherzog Albrechts in Wien immer unbeliebter, und so nahm Bürgermeister Holzer heimlich Verhandlungen mit dem Kaiser auf, um ihm die Stadt wieder zu übergeben. Dieser Putschversuch wurde vereitelt, Holzer auf der Flucht verhaftet. Von Kaiser Friedrich konnte er keine Hilfe erwarten, und es ereilte ihn die grausame Rache Albrechts: Seine Mitangeklagten wurden enthauptet, Wolfgang Holzer im April 1463 auf dem Platz Am Hof gevierteilt, der zerstückelte Leichnam vor den Toren aufgehängt und sein auf einer Stange aufgespießter Kopf ausgestellt. Einige Monate später starb Erzherzog Albrecht, und die Wiener leisteten Kaiser Friedrich III. erneut den Treueid.

Blutgericht

Sein Sohn, Kaiser Maximilian I., führte neue Verwaltungsmaßnahmen ein. Gar nicht einverstanden damit waren die Wiener, denen alte Vorrechte entzogen wurden. Aber erst nach dem Tod des Kaisers im Jänner 1519 bildete sich in Wien unter dem späteren Bürgermeister Martin Siebenbürger eine Opposition gegen die gemäßigte, die kaiserlichen Maßnahmen mittragende Stadtverwaltung. Unter dem Druck des "pofels" (Pöbels) konnte sich die Opposition unter Siebenbürger durchsetzen. Es zeigte sich bald, dass die landesherrliche Gewalt zunahm und die Autonomie der Städte zu schwinden begann. Der neue Herrscher der österreichischen Erblande, Erzherzog Ferdinand, setzte am Beginn seiner Herrschaft ein starkes Zeichen seiner Stärke mit einem strengen Gericht über alle, die in die Auseinandersetzungen nach dem Tod Maximilians verwickelt gewesen waren. Am 11. August 1522 wurden Bürgermeister Martin Siebenbürger und weitere Wiener Ratsherren am Hauptplatz von Wiener Neustadt geköpft. Heute erinnert dort eine besondere Pflasterung an das "Wiener Neustädter Blutgericht".

Blutgericht von Wiener Neustadt.
Foto: Public Domain

Die Namen von Konrad Vorlauf, Hanns Rockh und Konrad Ramperstorfer sowie jener von Martin Siebenbürger sind in Wiener Straßenbezeichnungen der Bezirke Innere Stadt, Margareten und Donaustadt verewigt. Zum Schluss gibt es eine gute Nachricht: Auch Bürgermeister, die keines gewaltsamen Todes sterben, können mit einem Straßennamen geehrt werden. (Friederike Kraus, 23.10.2020)