Der Mund- und Nasenschutz schadet im schlechtesten Fall niemandem und im besten Fall schützen wir damit unsere Mitmenschen. Das Fetzerl ist lästig, aber nicht der Rede wert. Das sagen wir. Esoteriker und  Verschwörungsplauderer haben das über Mund und Nase gezogene Stück Stoff indes als Reibebaum entdeckt und stilisieren es zum Symbol der Entrechtung hoch. Die Masken dem Feuer übergeben haben die Corona-Leugner am Nationalfeiertag in Wien. Im Aufruf hieß es: "Lasst uns die sinnlosen Masken verbrennen und die Menschenwürde zurückgewinnen." Eine Spurensuche im Soziotop der Maskengegner und -Verweigerer fördert nicht nur schöne Bilder zu Tage.   

Masken sind das neue Unterdrückungssymbol.
Foto: AP Photo/Andy Wong

Eine kreative Narzisstin

Eine deutsche Künstlerin, Geomantin und Heilpraktikerin mag die Maske nicht so sehr, ihr "Mondinblut" aber umso mehr. Das tupfte sie sich auf die Stirn, ehe sie - ohne Maske, aber mit viel lunarem Selbstvertrauen - beim Einkaufen ihren großen Auftritt hatte. Die Plastik-Schamanin teilte in einem (mittlerweile gelöschten) Facebook-Post stolz ihre Erfahrung mit ein bisserl Monatsblut auf der Stirn mit: "Mitmenschen schauten mich an als wäre ich von einem anderen Planeten. Sie waren mit der Energie von meiner Stirn so beschäftigt, sodass sie alles andere vergassen. Und ich habe göttlich gestrahlt, einfach magisch diese Essenz, das Zyklusblut..."

Die spirituelle Praxis, sich Menstruationsblut auf die Stirn zu tupfen, um dem Corona-Virus mit der Kraft der Weiblichkeit Contra zu geben, während man Weckerl, Gabelbissen und ein 16er-Blech für die Nachmittagsjause einkauft - sie hat sich nicht durchgesetzt. 

Die Egoisten und die Wutbürger

In der Facebook-Fanguppe für Sucharit Bhakdi tummeln sich 36.000 Leute. Helga S. stellt der Wutbürger-Community eine Frage: "Was macht Ihr, wenn man ohne Maske nicht ins Lebensmittelgeschät rein darf?" Die Fangemeinde reagiert schnell und sehr erregt. Man wünscht das Geschäft zum Teufel, gibt juristische Tipps. Es entbrennt rasch ein Richtungsstreit zwischen einer Gruppe, die sich mit fraglichen Attesten wappnen will, um der Maskendiktatur zu entgehen und den Fundamentalisten, die derlei Hilfsmittel ablehnen und selbstbewusste Maskenfreiheit ohne Wenn und Aber propagieren.

Ich spiele in der angeregten Diskussion den Partycrasher und schreibe: "Ich setze mir eine Maske auf. Problem gelöst." Die Bakhdi-Groupies sind not amused. Marina G. antwortet. "Kannst dein ganzes Leben Maske tragen, ich sicher nicht!! Meine Seele weiß was für mich gut ist was nicht und diese Maulkorb sicher nicht gut." Harald W. (ein zertifizierter "Top-Fan" der Gruppe) bringt den Mood der Maskenverweigerer wunderbar auf den Punkt: "Wieso sollen wir immer auf die Schwachen Rücksicht nehmen nehmt ihr Rücksicht auf uns die keine Maske tragen wollen (...) so sind nun mal die Naturgesetze nicht der starke muß sich anpassen sondern der schwächere." 

Das Recht des Stärkeren: Auf das sollten wir Weicheier Rücksicht nehmen.
Screenshot Facebook/kreil

Der Großteil der Memes lässt schlichtweg gröbere Bildungsmängel erahnen, was den Sinn von Schutzmasken betrifft. Bei einem ehemaligen Betreiber eines veganen Restaurants, der in seinem Facebook-Profilbild anstelle seines Porträts keck ein "Flat Earth"-Sujet präsentiert, finde ich dieses Sujet. 

Die Pseudowiderständler 

Gänzlich unappetitlich wird es, wenn Maskenverweigerer für ihre Attitüde zeitgeschichtliche Ikonen in Geiselhaft nehmen. Nur ein Beispiel: Bei seinem "Widerstand" gegen das Tragen eines Mund- und Nasenschutzes vergleicht sich Muckibuden-Freak "Coach Mark" auf Facebook mit Sophie Scholl. Nicht einmal vor der von den Nationalsozialisten hingerichteten Widerstandskämpferin wird also Halt gemacht.

Einen Rant auf seinem Account schließt er mit diesem Zitat: "Der grösste Schaden entsteht durch die schweigende Minderheit, die nur überleben will, sich fügt und alles mitmacht." Dass dieses Zitat Scholl lediglich als "Kuckuckszitat" untergejubelt wird, ist dabei zweitrangig. Um was es wirklich geht: Das eigene, asoziale Verhalten, wird heroisiert. Echter Widerstand gegen totalitäre Systeme wird banalisiert. Unsere Demokratie, die Regeln für ein Zusammenleben in Zeiten eines Pandemie aufstellt, wird dämonisiert. Rechte Populisten sind dankbar für solche Post aus einer nur scheinbaren Mitte der Gesellschaft.    

Wer glaubt, dass es in Sachen unangebrachter Vergleiche Grenzen des Geschmacks gibt, der irrt. Im niederösterreichischen Ernsthofen gab sich vor kurzem die Maskenverweigerungs-Ärztin Konstantina Rösch in einem Gasthaus ein Stelldichein mit Gleichgesinnten bei einem Infoabend. Ein Lokalsender berichtet enthusiasmiert von der "Corona-Sprechstunde" und dem Widerstand der "couragierten Ärztin" gegen die "Einschränkungen der Grundrechte" im bummvollen Saal des Kirchenwirts. Szene-Liebling Rösch behauptet, dass der Staat Kinder "terrorisiert in den Schulen".

Am Facebook-Account des Senders geht es rund. Eine Teilnehmerin lobt die Veranstaltung: "Und vor allen Dingen saß da keiner mit einem Mundschutz Hut ab finde ich cool." Eine andere Frau weist mich nach dem Einwand, dass das nicht so intelligent sei zurecht: "Schlafen sie weiter, das Erwachen wird schlimm für Sie sein." Die Frau postet ein ikonografisches Foto von der Einfahrt zum Konzentrationslager Auschwitz. Auf dem Foto ist zu lesen, dass es "nun wieder fast soweit" sei. Wir halten fest: Die Frau wähnt sich in der Einfahrt zu einem Vernichtungslager. Weil sei eine Maske tragen muss. Im Supermarkt. 

Geschmacklosigkeit: Maskengegner vergleichen sich mit NS-Terroropfern.
Screenshot: Facebook

Die Nervensäge, die ein Rebell sein will

Der Wiener Yasin Schwarz will sich als "demaskierter Rebell" einen Namen machen. Die Stiftung Gurutest neigt eher dazu, ihn als penetrante Nervensäge zu bezeichnen. Der eloquente Wiener fühlt sich nicht nur auf den Bühnen der Covid-Leugner wohl, er dokumentiert seine schneidigen maskenlosen Auftritte - unter anderem im Wahllokokal oder in Bus und Bahn - auch filmisch für die Öffentlichkeit. Ausgestattet ist er mit einem Spaß-Attest des Mediziners Peer Eifler, dem vor kurzem die Approbation als Arzt entzogen wurde. 

Die Wahrheitskrieger

Auf der Skurilitätsskala gibt es nach unten kaum Grenzen. Ein Facebook-User vermutet gar, dass wir mittels Einwegmasken überwacht werden und er belegt das mit einem Video. In diesem schneiden unerschrockene Wahrheitskrieger eine Einwegmaske auf, und was finden Sie dort: Einen Chip, der das Schlafschaf, das mit der Maske unterwegs ist, ortet. Die Stiftung Gurutest hat keine weiteren Fragen mehr, was das Niveau der Maskengegner betrifft.

(Christian Kreil, 9.11.2020)

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