Wenn Hans Sandén aus den Fenstern der Universität für Bodenkultur (Boku) im Wiener 19. Bezirk blickt, sieht er eine klassische Wiener Straßenallee. Ahornbäume, Hainbuchen und da und dort eine Eiche. Eingefasst sind die Stämme der nicht gerade ausladenden Bäume von schmalen Erdflächen und Pflastersteinen, die sie von den Parkplätzen zwischen den Baumscheiben abgrenzen. Viele Blätter haben braune Ränder und gelbliche Verfärbungen – und die sind nicht allein dem Herbst zuzuschreiben.

Es war dieser Blick auf das Naheliegende, der Sandén darauf brachte, sich damit zu beschäftigen, wie es den Bäumen in der Stadt geht und welche Funktion sie für die Stadtluft haben. "Einige der Bäume hier wurden bereits zum zweiten Mal in zehn Jahren ausgetauscht", sagt Sandén. Der Biologe stammt aus Schweden und forscht seit 2012 am Institut für Waldökologie der Boku.

An der Universität für Bodenkultur werden Stadtbäume im Labor dem Stress von Hitze, Salz und Ozon ausgesetzt.
Foto: Corn

"Die Ahornbäume draußen haben schon im August begonnen, sich zu verfärben. Sie haben ein Salzproblem", sagt Sandéns Mitarbeiterin Anne Charlott Fitzky. "Das Streusalz vom Winter bleibt im Boden. Aufgrund der Trockenheit in den warmen Monaten steigt der Salzstress dann im Lauf des Jahres immer weiter an, bis sich das an den Blättern zeigt." Seit letztem Jahr erforschen Sandén und Fitzky in einem vom Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds (WWTF) finanzierten Projekt, wie sich Stadtbäume unter Stress verhalten – und insbesondere was das mit ihrer Fähigkeit zu tun hat, die Ozonkonzentration in der Luft zu verändern.

Insgesamt gibt es in Wiens Straßen, Alleen und Parks etwa 480.000 Bäume, mit den zur Landeshauptstadt gehörenden Waldflächen kommt man sogar auf etwa circa 8,5 Millionen Stück. Was die Gattung betrifft, führt bei den Straßenbäumen der Ahorn, gefolgt von Linde, Kastanie und Esche. Wie sich die Bäume unter Stadtbedingungen verhalten, ist noch wenig untersucht.

Klimakammern im Keller

Einen großen Teil des Sommers hat Fitzky daher in einem kleinen Labor im Keller der Boku verbracht – oft von frühmorgens bis spätabends, ganz ohne natürliches Tageslicht, dafür aber mit Lampen, die einen sehr heißen Sommertag simulieren können. In eigens entwickelten Klimakammern, in denen Temperatur und Ozonzufuhr gesteuert werden können, wurden fünf Jungbäumchen Temperaturen zwischen 30 und 35 Grad und einem Ozonschwall ausgesetzt. Mithilfe von Sensoren und Messgeräten wurde ständig erhoben, wie viel Kohlendioxid die Bäumchen per Photosynthese zu Sauerstoff verarbeiten und wie sie den Ozongehalt verändern.

Bäume sind ein entscheidender Faktor bei der Kühlung der überhitzten und klimawandelgeplagten Städte. Ein großer Baum verdunstet im Sommer bis zu 1000 Liter Wasser pro Tag und kann den Asphalt unter seiner Krone um bis zu 20 Grad abkühlen. Außerdem verbessern Bäume die Luftqualität und können Ozon sehr schnell neutralisieren. "An der Blattunterseite befinden sich die Stomata, das sind Spaltöffnungen, über die der Baum Ozon, Stickstoff, Kohlendioxid und Feinstaub aufnehmen kann", schildert Sandén.

Über diese Spaltöffnungen atmen Bäume jedoch auch aus: Je nach Art, Standort und Bedingungen emittieren sie verschiedene biogene flüchtige Kohlenwasserstoffe. Das wäre an sich kein Problem, wenn nicht manche dieser Kohlenwasserstoffverbindungen mit dem Abgas Stickoxid reagieren würden, wodurch verstärkt Ozon gebildet wird.

Stickoxid-Abgase können in Verbindung mit Kohlenwasserstoffen, die Bäume ausstoßen, die Ozonkonzentration erhöhen.
Foto: Newald

Steigende Ozonwerte

"Wenn der Baum gestresst ist, etwa durch Insektenbefall, Salz oder Trockenheit, kann das auch die Zusammensetzung der Verbindungen ändern, die ausgestoßen werden", sagt Fitzky. "Das Interessante ist, dass manche Verbindungen die Ozonkonzentration in der Luft senken, andere erhöhen." Diesen komplexen Wechselwirkungen auf den Grund zu gehen und herauszufinden, welche Baumarten dem harten Pflaster der Stadt am besten standhalten und dabei zur Ozonreduktion beitragen, ist Hauptziel des Projekts, an dem auch Forschende der TU Wien und der Uni Innsbruck beteiligt sind.

Je heißer die Temperaturen, desto höher steigen auch die Ozonwerte. Bei steigender Hitze produzieren zudem manche Baumarten wie die Eiche – die aufgrund ihrer Trockenresistenz in Städten immer beliebter wird – ozonerhöhende Verbindungen und verschließen bei längerer Trockenheit ihre Stomata ganz, wodurch sie auch kein Ozon mehr aufnehmen. "Ozon ist in Wien noch kein großes Problem – im Schnitt wird an zwei Tagen im Jahr die Warnstufe erreicht", sagt Sandén. "Aber im mediterranen Raum ist das Problem schon größer, und es wird sich mit dem Klimawandel verschärfen." Hohe Ozonkonzentrationen können zu Atembeschwerden, Kopfschmerzen und Kreislaufproblemen führen.

Um zu sehen, wie sich das Profil der ausgestoßenen Verbindungen unter Stress verändert, haben Fitzky und Sandén schon letztes Jahr je eine Hainbuche, eine Rotbuche, eine Eiche und eine Birke in die Klimakammern gesteckt und ihnen mit Salz und Hitze zugesetzt. Heuer wurde eine Stieleiche, eine Roteiche, eine Buche, eine Robinie als Beispiel für eine ursprünglich nicht heimische Art und als erster Nadelbaum eine Kiefer ins Kellerlabor verfrachtet, um sie auf ihre Fähigkeit, Ozon zu reduzieren, zu testen.

Angepasste Arten

Die Daten müssen noch genau ausgewertet werden, es lässt sich aber schon jetzt sagen, dass besonders Salzstress bei manchen Baumarten dazu führt, dass zum Teil vermehrt potenziell schädliche Verbindungen ausgestoßen werden. Die gute Nachricht: "Trockenheit lässt die Emissionen der Bäume nicht so stark ansteigen wie angenommen", sagt Fitzky. "Das liegt womöglich auch daran, dass die heimischen Arten schon relativ gut an kurze Trockenperioden angepasst sind."

Die Wiener Ringstraße ist hauptsächlich mit Linden, Ahorn und Platanen bepflanzt.
Foto: Newald

Erste Ergebnisse zeigen, dass neben Ahorn und Linde auch Hainbuchen und Birken gut für den Ozonwert sind, allerdings reagieren sie sensibel auf Salz- und Trockenstress. Eichen und Robinien hingegen erhöhen die Ozonwerte. "Den perfekten Straßenbaum gibt es nicht", fügt Fitzky hinzu.

Die Tendenz der Stadtgartenämter, immer mehr mediterrane und trockenresistente Arten wie Schnurbaum und Zürgelbaum anzupflanzen, sehen die Boku-Forscher differenziert: Grundsätzlich sei nichts dagegen einzuwenden, dennoch wisse man noch nicht genug über ihre Auswirkungen auf die Luftqualität und ihre Kälteresistenz: "Nur wenn Bäume langlebig sind und große Kronen entwickeln können, entfalten sie ihre volle Wirkung", gibt Sandén zu bedenken.

Datenmodell

Die Daten, die Sandén und Fitzky gesammelt haben, werden schließlich in Modelle fließen, die anhand von Wien punktgenau zeigen sollen, wie sich Stress auf die Stadtbäume auswirkt und wie das wiederum die Ozonkonzentration in der Umgebung beeinflusst – und welche Baumarten an welchen Standorten am geeignetsten sind. Denn fest steht: Salzsensitive Bäume wie Ahorn und Hainbuche sind auf einer abschüssigen und von einem Bus befahrenen Straße wie der Peter-Jordan-Straße, die an der Boku entlangführt, nicht die allerbeste Entscheidung. (Karin Krichmayr, 28.10.2020)