Der Magdalenengrund, umgangssprachlich auch "Ratzenstadl" genannt, befindet sich im heutigen 6. Bezirk. Bis ins 18. Jahrhundert wurde an den zum Wienfluss hin abfallenden Hängen des "Kaunitzbergls" noch Wein angebaut, ehe sich hier die ersten Wohnsiedlungen bildeten. Auch wenn die verwinkelten, schmalen Gässchen mit ihren kleinen Häusern malerisch aussahen und auch schon um die Jahrhundertwende beliebte Fotomotive darstellten, waren die hygienischen Bedingungen alles andere als ideal. Um 1900 wurde daher mit der Regulierung des Viertels begonnen. Die letzten Häuser – bis auf eine Ausnahme in der Kaunitzgasse – verschwanden in den 60er-Jahren.
Die Herkunft des Namens "Ratzenstadl" ist übrigens nicht vollends geklärt. Möglicherweise lässt er sich auf die damaligen hygienischen Zustände und die damit einhergehenden hohen Rattenpopulation zurückführen. Eine andere Theorie wiederum besagt, dass die hier im 18. Jahrhundert wohnenden serbischen Familien (damals "Raizen" genannt) für den Spitznamen ausschlaggebend waren.
Ratzenstadl damals und heute
Wir beginnen unseren Streifzug in der Kaunitzgasse. Die folgende Vergleichsaufnahme zeigt eine der bekanntesten Häusergruppen des alten Magdalenengrunds.
Links im Hintergrund erkennt man auf der aktuellen Aufnahme das einzige heute noch existierende Haus der damaligen Verbauung. Es folgt der früheren Baufluchtlinie und ragt heute etwas deplatziert in den Fahrbahnbereich.
Diese Aufnahmen zeigen dieselbe Häusergruppe der Kaunitzgasse, die in den 50er-Jahren abgerissen und durch einen Gemeindebau ersetzt wurde. Wir befinden uns im Kreuzungsbereich der damaligen Bergsteiggasse (heute Dürergasse), die in eine Stiegenanlage überging und zur Magdalenenstraße führte.
Der Abriss des Eckhauses wurde auf dieser alten Aufnahme dokumentiert. Außerdem ist hier bereits den heutigen Straßenverlauf der Dürergasse erkennbar.
Der Blick von der Dürergasse in Richtung Kaunitzgasse zeigt die Demolierung desselben Eckhauses aus einer anderen Perspektive.
Ein Wechsel der Straßenseite bietet einen Blick auf die Fassaden der Häuser 22–26. Aufmerksamen Beobachtern wird auf der alten Aufnahme neben dem Milchgeschäft die Aufschrift "LSK" auffallen, die im Zweiten Weltkrieg auf Luftschutzkeller hinwies. An einigen wenigen Fassaden Wiens findet man die Markierungen sogar heute noch.
Ein paar Schritte weiter werfen wir noch einen letzten Blick zurück, ehe wir uns in Richtung Wiental zur Magdalenenstraße begeben.
Das Straßenniveau in der Magdalenenstraße befand sich übrigens bis in die 50er-Jahre deutlich unter dem heutigen. In weiser Voraussicht hat man das bei den Bauten, die um die Jahrhundertwende errichtet wurden, schon berücksichtigt.
Der Blick aus der Gegenrichtung zeigt dieselbe Häuserzeile. Den Niveauunterschied zwischen der Magdalenenstraße und der Gumpendorfer Straße konnte durch zwei Stiegenanlagen überwunden werden, einer davon war die bereits zuvor genannte Bergsteigstiege.
Die Stiegenanlage gibt es seit circa 1900 nicht mehr. Sie wurde durch den Albrecht-Dürer-Hof ersetzt. Den Höhenunterschied überwindet man seitdem durch die damals neu geschaffene Eggerthgasse.
Auch diese Aufnahme zeigt die damals noch existente Bergsteigstiege beziehungsweise den Albrecht-Dürer-Hof aus leicht verändertem Blickwinkel. Die Verortung der alten Fotos gestaltete sich aufgrund fehlender Bezugspunkte äußerst schwierig und konnte in diesem Fall nur anhand von historischen Stadtplänen halbwegs akkurat verortet werden.
Manchmal hat man jedoch Glück und kann sich anhand von Details im Bild orientieren – wie in diesem Fall mit dem gerade noch abgelichteten Haus am linken Bildrand. Wieder erkennt man das unterschiedliche Straßenniveau der Häuser zwischen der Linken Wienzeile und der Magdalenenstraße.
Dieser Niveauunterschied machte sich bis in die 60er-Jahre bemerkbar – und tut es in den Nebengassen der Wienzeile durch diverse Rampen und Stiegen heute noch.
Das Eckhaus zur Eggerthgasse musste bei der Niveauangleichung weichen ...
… wie auch circa 60 Jahre zuvor das Haus in der Linken Wienzeile 64. Der alte Fotostandort befand sich unterhalb des heutigen Straßenniveaus und ist deshalb heute nicht mehr exakt nachzustellen. (Alexander Fried, 30.10.2020)