Matt Berninger nimmt mit seinem ersten Soloalbum Willie Nelsons Klassiker "Stardust" ins Visier. Trotz Hilfe des daran beteiligten Booker T. Jones geht sich das nicht ganz aus.

Im Buch der pädagogisch wertlosen Weisheiten steht der Satz, dass Herausforderungen wachsen lassen. Jo, eh. Manchmal werfen sie einen aber bloß auf seine tatsächliche Größe zurück. Auf Matt Berningers Solodebüt trifft beides zu. Ein Lied wie One More Second auf dem Serpertine Prison genannten Werk lässt frohlocken. Da knödelt der Sänger der Band The National fast wie Stuart Staples von den Tindersticks. Eine intime Produktion, in die sich nach dem dritten Vers die Orgel einschleicht und einem die Poren hebt.

An den Tasten dieser Orgel sitzt Booker T. Jones. Der ist an dem Instrument eine zärtliche Autorität. In den 1960ern hat er noch als Teenager Musikgeschichte geschrieben. Da führte der klassisch studierte Mann aus Memphis die Gruppe Booker T. & The MGs an. Das war die Hausband des legendären Soul-Labels Stax, und Jones saß bei Dutzenden Klassikern an den Tasten, versorgte sie mit Seele, Funk und Magie – so viel Begeisterung sei einem bei dem Mann zugestanden.

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Als Jones dann in den 1970ern an die Westcoast ging, war er eine Zeitlang der Nachbar von Willie Nelson. Es dauerte nicht lange, und der Country- und der Tastengott begannen miteinander zu musizieren. Das lief so gut, dass Nelson Jones bat, doch gleich ein ganzes Album für ihn zu produzieren. Nelson schwebte eine Sammlung von damals schon leicht angegrauten Popklassikern vor. Seine Plattenfirma schlug die Hände überm Kopf zusammen, wollte ihn mit allen Mitteln davon abbringen, doch Nelson blieb stur.

Fasziniert lauschen

Das Stardust betitelte Ergebnis verkaufte sich millionenfach und war 540 Wochen in den US-Charts: Das sind über zehn Jahre. Und irgendwo in Ohio saß der kleine Matt Berninger am Abspielgerät seiner Eltern und lauschte fasziniert dieser Platte. So etwas wollte er auch einmal machen.

Serpentine Prison ist dieser Versuch. Es sind zwar keine Coverversionen, aber der 49-jährige Sänger visiert deutlich die Stimmung von Stardust an. Abgebremste, heimelig produzierte Songs, kuschelig instrumentiert, Atmosphäre. Da heben schaumgebremste Bläser an, das Schlagzeug wird zärtlich gebeserlt, und Berninger trägt vor. Oft ist es eher ein höheres Raunzen, ein Lamentieren fast; und um Stardust nahezukommen, müssten die Songs eingängiger sein.

Ein erster Versuch

Das bringt uns zurück zum Einstieg. Oft vermag Berninger halt nicht mehr zu erschaffen als das, was wir hören. Das ist immer noch nicht schlecht, der Erfolg von The National basiert schließlich darauf, doch Serpentine Prison ist nicht der Wurf, der ihn zum großen Soloartisten machen würde – es ist ein erster Versuch.

Booker T. Jones bestätigt sich als verlässliche Größe, Berninger selbst reiht sich eher in die unübersichtliche Menge an halbbegnadeten Singer-Songwritern ein, wie sie in den 1970ern aus den Bäumen fielen wie Äpfel im September. Seine Größe bleibt überschaubar.