Ein Mönch geht in Sittwe an einem Wahlplakat vorbei. Wählen werden aber nicht alle Bewohner Rakhines können.

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Vor über drei Jahren erlangte Rakhine traurige Berühmtheit. Aus der Unruheregion an der Südwestküste Myanmars flohen ab August 2017 über 700.000 Menschen, zum Großteil Angehörige der Rohingya, die von Myanmars Armee vertrieben wurden. Auch drei Jahre später kommt die Region nicht zur Ruhe.

Wieder gibt es dort seit Monaten heftige Gefechte, wieder schlägt das burmesische Heer, die Tatmadaw, zu. Doch die Gegner sind diesmal nicht Rohingya oder deren teils militarisierte Organisationen. Diesmal gelten die Angriffe der Arakan Army (AA), die sich aus einer ethnischen Minderheit rekrutiert, die buddhistisch ist. Sie fordern die Errichtung einer Autonomie in Rakhine.

Vor allem im Vorfeld der Parlamentswahlen am 8. November werden die Gefechte immer blutiger. Erst vergangene Woche hat die AA drei Kandidaten der Regierungspartei National League for Democracy (NLD) entführt. Laut Amnesty International kommt es häufig zu An griffen auf Zivilisten, vor allem im Norden sind viele Dörfer niedergebrannt worden.

Bürgerkrieg ohne Ende

In Burma herrscht seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1948 quasi Dauerbürgerkrieg, meist angeführt von einer Militärjunta. Nach einer Phase der Demokratisierung ab 2011 erstarkt das Militär zunehmend wieder. Das komplexe religiös-ethnische Gemenge in Myanmar konnte bisher niemand befrieden. Zu Beginn der Corona-Krise schloss die Regierung zwar eine Waffenruhe mit vielen der mächtigen Rebellenarmeen, die AA blieb aber ausdrücklich ausgeschlossen. Die 2009 gegründete Armee wurde vielmehr im April zur Terrorgruppe erklärt.

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Der Zwist zwischen Tatmadaw und AA offenbart, dass die Konflikte nicht entlang einer Linie verlaufen, sondern komplexen historischen Logiken folgen. Die Kämpfe ab 2017, die zum Exodus der Rohingya führten, waren jene zwischen der buddhistischen Tatmadaw und den muslimischen Rohingya. Der aktuelle Konflikt findet aber zwischen Buddhisten statt. Die Soldaten der AA sehen die burmesische Armee als historische Unterdrücker, die Ende des 18. Jahrhunderts in Rakhine eine Fremdherrschaft errichtet haben.

Nationalismus verstärkt

Die Kämpfe mit den Rohingya haben bei der AA einen Nationalismus geschärft und den Wunsch nach Selbstbestimmung gefördert. Noch vor drei Jahren ist das burmesische Heer gemeinsam mit buddhistischen Mobs in Rakhine auf Rohingya losgegangenen. Nun haben sich die Kämpfe zwischen den zwei buddhistischen Fraktionen verstärkt.

Die Folge sind weitere Fluchtbewegungen – und eine ungewisse Zukunft für die Rohingya. "Der bewaffnete Konflikt der Arakan Army und der Exodus der Rohingya sind verknüpft", analysiert die Brüsseler NGO International Crisis Group. "Solange Rakhine eine Kriegszone bleibt, können Rohingya nicht heimkehren, sogar wenn andere Hindernisse überwunden werden."

Sicher ist, dass mehr als die Hälfte von Rakhines Bewohnern nicht an der Wahl im November teilnehmen wird. Die Wahllokale werden nicht geöffnet, es wäre zu gefährlich, entschied die Regierung. (Anna Sawerthal, 21.10.2020)