Der Designer, der sich ständig neu erfand: Karl Lagerfeld 1977 mit einem Model in Chloé.

Foto: AFP / dpa / Werner Baum

Über ihn sind zahlreiche Bücher geschrieben worden. Sie hießen Karl Lagerfeld und ich oder ganz einfach Karl, und die meisten von ihnen versprachen unterhaltsame Anekdoten zu jener Modelegende mit Zopf und Stehkragen, die es zu weltweiter Berühmtheit gebracht hatte.

Alfons Kaiser, Redakteur der FAZ, der über zwanzig Jahre mit Karl Lagerfeld in Kontakt stand und ihn ab 2013 mit politischen Karikaturen für die Beilage der Tageszeitung beauftragte, tut hingegen gar nicht erst so, als wolle er aus dieser Nähe Kapital schlagen. Seine knapp 400 Seiten starke Biografie Karl Lagerfeld – ein Deutscher in Paris begegnet dem Designer ebenso wohlwollend wie distanziert.

Der Modemann der FAZ setzt auf akribische Recherche: Rund 100 Interviews führte Kaiser, um sich dem 2019 verstorbenen Meister der Selbstinszenierung, der in den Medien den spitzzüngigen Geschichtenerzähler gab und sich stets hinter seiner Sonnenbrille versteckte, anzunähern.

So fördern insbesondere seine Nachforschungen in Norddeutschland einige bislang unbekannte Details zutage. Der mit 19 nach Paris übersiedelte Sohn eines Dosenmilch-Fabrikanten vernebelte beispielsweise, dass seine Eltern Mitglieder der NSDAP waren.

Auch die Behauptung des Designers, vom Krieg wenig mitbekommen zu haben, entkräftet der Autor. Die Recherchen zu Lagerfelds Kindheit im schleswig-holsteinischen Bad Bramstedt gehören auch zu den Stärken dieses Buchs: Sie erzählen von einem privilegierten Jungen mit sauberen Fingernägeln, der unter den Bauernsöhnen in seiner Umgebung stets ein Außenseiter war und immer Größeres im Sinn hatte.

Widersprüchlicher Designer

Alfons Kaiser, "Karl Lagerfeld. Ein Deutscher in Paris". 26 Euro / 382 S. Verlag C. H. Beck, München 2020
Cover: C.H. Beck

Die Biografie ordnet die Leistungen Lagerfelds als Designer bei den Modehäusern Fendi, Chloé und Chanel ein, es weiß den 1933 Geborenen aber auch in seiner Widersprüchlichkeit darzustellen und ihn als zunehmend anachronistischen Vertreter einer "schönen alten Welt des Luxus und der Moden" einzuordnen, als der er in den vergangenen Jahren immer wieder kritisiert wurde: Kaum einer verkörperte die gewissenlose Großspurigkeit jener Branche so sehr wie der umtriebige Lagerfeld, der Chanel-Schauen zu Megaevents machte und nicht einmal davor zurückschreckte, seine Katze zu vermarkten.

Zum omnipräsenten Popstar wurde der Luxusmodedesigner erst mit erschwinglicher Mode für die Massen: 2004 entwarf er für den schwedischem Retailer H&M eine Kollektion und befeuerte damit den Trend zu Fast Fashion. Es verwundert kaum, dass Alfons Kaisers Biografie über den rastlosen Modedesigner nicht die letzte ist. Lagerfeld verkauft sich auch nach seinem Tod noch gut. Die nächsten Bücher sind bereits angekündigt. (Anne Feldkamp, RONDO, 23.10.2020)