Alkohlfreie Biere hatten es nie leicht.

Foto: IDEE & PRODUKTION: Hedi Lusser, Foto & MONTAGE: Lukas Friesenbichler

Der erste Versuch ist wohl nicht ganz gelungen: Als das erste alkoholfreie Bier mit der Bezeichnung "Perplex" im Jahr 1908 auf den Schweizer Markt gekommen ist, waren die Bierfreunde das, was der Name versprach: perplex. Schon nach fünf Jahren wurde das Experiment eingestellt.

Während der Weltkriege wurde es – bedingt durch Rohstoffmangel – wiederaufgenommen: Da kamen extrem alkoholarme Biere unter anderem auf Basis von Molke und Hirse unters durstige Volk – aber dieses hat herzlich gerne wieder zu Vollbier gegriffen, sobald das wieder gebraut werden durfte.

Alles lang vergessen. Und fast vergessen auch, was der Berliner Braumeister Ulrich Wappler 1972 in der Engelhard-Brauerei entwickelt hat: "Aubi" hieß das Autofahrerbier, das in der DDR Trabi-Fahrer trotz 0,0-Promille-Regelung trinken durften.

In der Schweiz entwickelte man "Birell", das dann auch in Österreich (in der Brauerei Schloss Eggenberg) gebraut wurde, und in Deutschland kaufte die Frankfurter Binding-Brauerei die Städtische Brauerei in Clausthal-Zellersfeld, sperrte sie zu und entwickelte 1979 unter der neu erworbenen Marke jenes alkoholfreie Bier, das für viele Jahre zum Maßstab geworden ist.

"Nicht immer, aber immer öfter", lautete der legendär gewordene (obwohl seit vielen Jahren nicht mehr verwendete) Werbeslogan, der Clausthaler im zersplitterten deutschen Biermarkt in den 1990er-Jahren zur bekanntesten Biermarke des Landes gemacht hat.

Ist das wirklich Bier?

Dabei hatten es die Biere ohne Alkohol nie leicht. Nicht vom Geschmack her – dazu kommen wir noch – und auch nicht imagemäßig. Denn ein "richtiger" Biertrinker sollte nach damals herrschenden Vorstellungen ein "richtiges" Bier trinken – und nicht ein "kastriertes".

Die Hersteller der alkoholfreien Biere haben dagegengehalten – manche ihrer Mitbewerber haben dagegen geklagt: Den einen war nicht geheuer, dass (bis heute) in alkoholfreiem Bier physiologisch unbedeutsame Mengen Alkohol enthalten sein dürfen; den anderen missfiel umgekehrt, dass Konsumenten im Bier Alkohol erwarten, aber eben nicht bekommen. Noch bis Anfang der 1990er-Jahre durfte alkoholfreies Bier in Österreich nicht so heißen: Auf den Etiketten stand "kohlensäurehaltiges alkoholfreies Hopfen- und Malzgetränk".

Wenig einladend. Und wenig einladend war vielfach auch der Geschmack. Um das zu verstehen, ist es sinnvoll, sich das Prinzip der Bierproduktion in Erinnerung zu rufen: Da wird Malz eingemaischt – bei exakt definierten Temperaturen bilden sich dann vergärbare Zucker in der Maische. Dann wird die Bierwürze gekocht, gehopft, abgekühlt und mit Hefe vergoren.

Wie man den Alkohol loswird

Die vergorene Würze heißt sodann (Jung-)Bier – dieses braucht je nach Biertyp mehr oder weniger Reifezeit, bevor es trinkreif ist. Um alkoholfreies Bier zu erzeugen, kann man an verschiedenen Punkten dieses Prozesses ansetzen. Das beginnt bei den Rohstoffen – beispielsweise ist der Milchzucker der Molkebiere der Kriegszeit mit gängigen Hefestämmen nicht vergärbar.

Bei der Maischebereitung kann der Brauer die Temperaturen so steuern, dass weniger vergärbare Zucker entstehen. Bei der Gärung kann man ebenfalls durch Temperatursteuerung die Bildung von Alkohol stoppen. Und schließlich kann man aus dem fertigen Bier den Alkohol entziehen.

Markante Unterschiede

Bei alldem muss man bedenken, dass "alkoholfreies Bier" kein Stil an sich ist, sondern immer versucht, sich an einen bekannten Biertypus anzulehnen – also etwa an ein Pils, ein Weizen oder ein IPA.

Je nachdem bedient man sich unterschiedlicher Verfahren. Und das wiederum kann sehr unterschiedlich gut gelingen. Zum Beispiel bei einem Pils: Da galt lange als Goldstandard die Entalkoholisierung: Mit Vakuumverdampfung, Umkehrosmose oder Dialyseverfahren wird mehr oder weniger schonend der Alkohol aus dem fertigen Bier abgetrennt, die Hopfenbittere sorgt dafür, dass das kaum auffällt. In den Verkostungsnotizen stehen dennoch oft die Worte "wässrig" oder "leer", weil mit dem Alkohol auch viele der flüchtigen Aromen abgetrennt werden.

Die Alternative zu diesen Verfahren besteht darin, den Alkohol gar nicht erst entstehen zu lassen: Im Kältekontaktverfahren wird unvergorene Bierwürze bei Temperaturen unter vier Grad Celsius in mehr oder weniger intensiven Kontakt mit Hefezellen gebracht, die in dieser Kälte fast keinen Alkohol bilden, dennoch aber einige der Gärungsaromen, die für das gewohnte Bier charakteristisch sind, abgeben.

Die so entstehenden Biere werden oft als relativ süß empfunden; das garantiert zwar eine gewisse Vollmundigkeit, andererseits bleibt ein Geruch und Geschmack nach Bierwürze und frischem Getreide im fertigen Bier – was eben einen markanten Unterschied zu Vollbieren darstellt.

Alkohol erst gar nicht entstehen lassen, ist eine Möglichkeit der Produktion.
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Die Tricks der Brauer

Nun kommt es tatsächlich auf die Kunst der Braumeister an. Nach Möglichkeit soll das Bier ja einem bestehenden Stil ähnlich werden – und da hilft etwa die Regelung, dass bis zu 0,5 Prozent Alkohol im Bier eben als "alkoholfrei" gelten.

Wenn man etwa ein Bier hat, in dem der Trinkalkohol Ethanol praktisch nicht vorhanden ist, bei dem man aber im Lauf des Gär- und Lagerprozesses dafür sorgt, dass jene Alkohole, die für Aroma und Geschmack verantwortlich sind, in gerade noch riech- und schmeckbarer Menge enthalten sind, dann hat man ein fast nicht mehr von einem Vollbier unterscheidbares Produkt kreiert.

Das ist in den 1990er-Jahren zunächst bei Weizenbieren gelungen. Diese obergärigen Biere sind durch die fruchtigen und gewürzhaften Aromen der Weißbierhefen geprägt, das ist auch gut in (fast) alkoholfreien Bieren umzusetzen. Schwieriger ist das, wenn man die Forderung nach völliger Freiheit von Alkohol erfüllen will – etwa für die größer werdende Zielgruppe, die aus religiösen Gründen keinerlei Alkohol konsumieren will.

Vorreiterrolle

Hier haben die Brauer in Wieselburg eine Vorreiterrolle gespielt und für den Weltkonzern Heineken dessen 0,0-Bier entwickelt: Mit einem Fallstromverdampfer ist es gelungen, den Alkohol völlig zu entfernen und das typisch blumige Aroma von Heineken zu erhalten – der Konzern hat die Wieselburger Brauer gebührlich ausgezeichnet.

Für die meisten Biere hat sich aber als optimal erwiesen, die bekannten Verfahren der gestoppten extrem kalten Gärung mit jenen der Entalkoholisierung zu verbinden. Das ist technisch aufwendig, weil es zwei Produktionslinien voraussetzt – andererseits ermöglicht das Blending zweier unterschiedlich hergestellter alkoholfreier Biere aber auch eine optimale Anpassung des Geschmacks an jenes alkoholhaltige Bier, das quasi als Vorbild gedient hat.

Kleinere Brauereien tun sich da wohl schwerer – und müssen jetzt schon darüber nachdenken, wie sie damit leben werden, wenn ihnen eines Tages von politischer Seite vorgeschrieben wird, einen gewissen Prozentsatz ihrer Biere alkoholfrei oder wenigstens alkoholarm herzustellen.

Allerdings gibt es gerade unter den mit der Craftbier-Bewegung bedeutend gewordenen Bierstilen einige, die sich ganz gut alkoholfrei darstellen lassen: Die modernen, sehr harzig- oder fruchtig-aromatischen Hopfenzüchtungen eignen sich hervorragend, um etwa den Würzegeschmack der im Kältekontaktverfahren hergestellten Biere zu maskieren. Trinkt man diese Biere eiskalt, schmecken sie ganz echt. (Conrad Seidl, RONDO, 23.11.2020)

Foto: Lukas Friesenbichler

Der Name Null Komma Josef deutet die maximal 0,5 Prozent an – es hat Schwefel- und Getreidearomen, wenig Körper.

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Bernsteinfarben und gleichmäßig trüb ist die Stiegl Sport Weisse, ein sehr milder, nicht zu fruchtiger Weizenklon.

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Mit dem Naturgold verbindet Gösser den vollen Zwickl-Biergeschmack mit leichter Süße und herbem Nachtrunk.

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Das alkoholfreie Edelweiss sieht aus wie das Original und duftet auch nach Banane. Der Trunk ist schlank und fruchtig.

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0,0 sieht aus wie Heineken und schmeckt auch so – was bei einem Bier mit geringem Aromaprofil eine Herausforderung ist.

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Leffe Blond 0,0 hat goldene Farbe, Süße und Schaum des Originals, zum Gewürzaroma tritt ein wenig Getreide hinzu.

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Goldgelb mit viel Schaum und leichtem Getreideduft kommt das Schlossgold einem bayerischen Hellen nahe.

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Hazy AF sagt schon dem Namen nach viel über das Bier: Es ist ein sehr trübes, an den New-England-Stil angelehntes AF-Ale.

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Clausthaler ist der Klassiker – steht auch drauf. Goldgelb, weißer Schaum, getreidiges Aroma, runder Geschmack.

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Ur-deutsch: Clausthaler Extra Herb hat einen sensationellen Schaum, viel Hopfenaroma und ginge problemlos als Pils durch.

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Die Zutaten des Dolden Null sind aus ökologischem Anbau, das harzige Hopfenaroma maskiert die Getreidenoten.

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Feine Trübung lädt zum Egger Zisch ein – das Aroma wird von Getreide, der Geschmack von Malz dominiert.

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Im dunkelgelben, leicht trüben Liberis 2+3 ergeben zwei Hefen und drei Hopfensorten einen zitrusfruchtigen Charakter.

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Die Rampensau lässt Brew Age in Reini Bartas Gusswerk brauen: fruchtig-gewürzhafte Aromen und eine nussige Bittere.

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BRLO Naked ist rötlich-bernsteinfarben, hat Aromen von Biskuit und Kirsche und eine zum Pale Ale passende milde Bittere.

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Freepa entspricht in beinahe jeder Hinsicht einem Pale Ale: trüb, wenig Schaum, viel Aroma von Südfrüchten.