Kapitän Dejan Ljubicic kurbelt im defensiven Mittelfeld von Rapid.

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An die Anrede "Kapitän" hat sich Dejan Ljubicic gewöhnt. Es sei ja deshalb kein besserer Mensch und/oder Fußballer, sagt der 23-Jährige. "Ich will der Mannschaft helfen." Die Mannschaft ist Rapid. Als ihm Trainer Didi Kühbauer zu Saisonbeginn die Schleife übertrug, sozusagen um den Oberarm wickelte, "war ich glücklich und stolz". Die Überraschung hielt sich in Grenzen, "es gab ja Gerüchte". Ljubicic trat jedenfalls in große Fußstapfen, denn sein Vorgänger Stefan Schwab, der ablösefrei zu PAOK Saloniki wechselte, "war ein Riesenkapitän. Aber mir helfen Christopher Dibon und Maxi Hofmann, da gibt es keinen Neid, wir machen alles gemeinsam. Ich bin kein Marktschreier." Kühbauer begründete seine Entscheidung so: "Dejan ist ein toller Mensch und Fußballer, er will lernen und lernen, er wächst mit der Aufgabe."

Rückblick: Ende Jänner, Anfang Februar. Ljubicic ist praktisch weg gewesen. Er wollte etwas Neues erleben, den Horizont erweitern. Seit dem neunten Lebensjahr kannte er nur Rapid. Okay, 2017/18 wurde er für sieben Partien an den damaligen Zweitligisten Wiener Neustadt verliehen, aber das war eine Episode, keine Abenteuerreise. Chicago Fire bekundete Interesse.

Folgenschwere Diagnose

Es war alles angerichtet und geklärt, der medizinische Check stand aus, ein reiner Formalakt. Warum ihn Ljubicic nicht bestanden hat, weiß nur der Arzt der Amerikaner, er diagnostizierte eine Knieverletzung. Mit dieser Meinung stand er mutterseelenallein da. Ljubicic, pumperlgesund und topfit, flog frustriert retour nach Hütteldorf. Im Nachhinein sagt er: "Ich bin froh, dass es nicht geklappt hat."

Er wurde in Zeiten von Corona Stütze und Stammkraft, Rapid schaffte in leeren Stadien den Vizemeistertitel, für den es keinen Pokal gab. "Aber wir haben überzeugt, sind besser geworden, waren fokussiert. Wir arbeiten jeden Tag hart." Auch der Saisonstart ist geglückt, zehn Punkte nach vier Runden, Platz zwei hinter Red Bull Salzburg. Im Achtelfinale des Cups muss man übrigens nach Salzburg, das exakte Gegenteil eines Wunschloses. "Es hilft kein Jammen, irgendwann muss man sie schlagen."

Die Lieblingsposition von Ljubicic ist das defensive Mittelfeld, er kann aber auch im Zentrum verteidigen. "Ich habe das Geschehen gerne vor mir." Vorbilder sind Andrea Pirlo und der immer noch aktive Luka Modric, der internationale Lieblingsklub ist der FC Barcelona.

Die Flucht

Seine Eltern flohen einst vor dem Krieg aus Bosnien, Dejan wurde bereits in Wien geboren. Am 8. Oktober 1997. "Ich bin ein echter Wiener. Meine Familie ist froh, in Österreich Frieden und eine neue Heimat gefunden zu haben." Sein um zwei Jahre jüngerer Bruder Robert ist Leistungsträger beim SKN St. Pölten. "Wie sind nicht nur Brüder, wir sind beste Freunde." Es wäre, so Dejan, ein Traum, "gemeinsam in einer Mannschaft zu spielen". Wobei er Rapid St. Pölten vorziehen würde. Bei allem Respekt.

Die Pandemie nagt natürlich auch an Ljubicic. "Das Virus ist richtige scheiße", sagt er und entschuldigt sich für "scheiße". Er vermisse die Fans, die Stimmung im vollen Stadion. "Jeder möchte wieder normal leben. Fußball ohne Zuschauer macht auf die Dauer keinen Spaß." Das eingeschränkte gesellschaftliche Leben störe ihn nicht so. "Ich bin gerne zu Hause und habe Ruhe." Ob er einen Leitsatz hat? "Ja. Der Mensch ist dazu geschaffen, um zu lieben und geliebt zu werden."

Mit einem Karriereplan kann er nicht dienen. "Denn wer weiß heute, was morgen passiert." Der Vertrag bei Rapid endet 2021, eine Verlängerung ist überhaupt nicht auszuschließen. "Aber wer weiß, was im Sommer passiert."

Am Donnerstag passiert garantiert Europa League, Arsenal London gastiert im Allianz-Stadion. 3.000 Zuschauer sind zugelassen, ab Freitag sind nur mehr 1.500 gestattet, Tendenz fallend. Ljubicic: "Für mich ist Arsenal ein Karrierehöhepunkt. Ein toller Verein, der große Favorit in unserer Gruppe." Über die anderen Gegner, Molde und Dundalk, weiß der Rapid-Kapitän nichts, es handelt sich aber um den norwegischen und den irischen Meister. Kühbauer hat seine Mannen mit Videos von Arsenal gefüttert, Ljubicic freut sich auf die Topstars, besonders angetan ist er von David Luiz. "Großartig." Rapid müsse an die Grenzen gehen, selbst agieren, dürfe sich nicht einschüchtern lassen.

Zufällige Zahl

Für Dejan Ljubicic ist es das 109. Pflichtspiel (sieben Tore). Um 18.55 Uhr wird er sein Team aufs Feld führen. Er trägt die Rückennummer 39, diese Zahl ist eine rein zufällig gewählte. "Ich habe sie nicht geändert, weil ein paar Fans schon vor Jahren ein Leiberl mit meinem Namen gekauft haben. Das wäre unfair."

Was in den 90 Minuten passiert, wisse er nicht. "Hoffentlich Gutes." (Christian Hackl, 21.10.2020)