Die britischen Lords haben den Gesetzesvorschlag von Premierminister Johnson mit großer Mehrheit abgelehnt.

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London – Das britische Oberhaus hat im Streit um den Brexit das Binnenmarktgesetz mit großer Mehrheit abgelehnt. Es stimmte mit 395 zu 169 gegen den Entwurf. Mit dem Gesetz könnte die Regierung von Boris Johnson Teile des Austrittsabkommens zwischen London und der EU wieder aushebeln. Dies war auf starken Protest der Opposition und der EU gestoßen. Sie warfen Johnson Rechtsbruch vor.

Der Gesetzesentwurf schade dem Ansehen des Vereinigten Königreichs, sagte einer der Lords. Im Oberhaus sitzen viele Kritiker Johnsons. Die Abgeordneten im Unterhaus hatten hingegen vor mehr als einem Monat mit deutlicher Mehrheit für das Gesetz gestimmt. Nun könnte es zu einer Art politischem Pingpongspiel zwischen dem Unter- und dem Oberhaus kommen.

Streitpunkt Nordirland

Strittig sind unter anderem Passagen des neuen Gesetzes betreffend Nordirland. Laut dem bisher vereinbarten Brexit-Vertrag soll die britische Provinz enger an Binnenmarkt und Zollunion gebunden bleiben, was Kontrollen im Güterverkehr mit dem übrigen Vereinigten Königreich nötig macht. London fürchtet jetzt, dass damit Nordirland abgekoppelt werden könnte. Im Brexit-Vertrag hatte Johnson dies jedoch akzeptiert. Die EU spricht von einem Vertragsbruch und erstattete deshalb auch Anzeige gegen London.

Die Verhandlungen über ein Handelsabkommen für die Zeit nach dem Brexit stehen indessen weiter still. "Wir sollten das Beste aus der verbleibenden Zeit herausholen. Unsere Tür ist offen", twitterte zwar EU-Unterhändler Michel Barnier am Dienstag nach einem Telefonat mit seinem britischen Kollegen David Frost. London forderte jedoch erneut, dass die EU Kompromissbereitschaft zeigen und ihre Haltung ändern müsse.

Der britische Premierminister Boris Johnson hatte der EU vorgeworfen, kein Handelsabkommen mit Großbritannien zu wollen. Deshalb stelle sich sein Land auf einen Austritt aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion ohne Vertrag zum Jahreswechsel ein. Ein britischer Regierungssprecher hatte die Handelsgespräche sogar für beendet erklärt. Es ist unklar, ob weiter verhandelt wird.

In zehn Wochen endet die Brexit-Übergangsphase. Wenn dann kein Abkommen steht, kommt es zum ungeregelten Brexit mit Zöllen und Handelshürden. Das könnte natürlich die Wirtschaft belasten. (APA, red, 20.10.2020)