Im Moria-Ersatzlager Kara Tepe leben die Menschen im Schlamm.

Foto: AFP/Lagoutaris

Wien – In Kara Tepe, dem Nachfolgelager des Camps Moria auf Lesbos, waten Asylsuchende nach heftigen Regenfällen im Schlamm. Auf dem griechischen Festland darben anerkannte Flüchtlinge ohne staatliche Versorgung. Doch Sebastian Kurz, Kanzler eines der reichsten Länder der EU, sowie seine türkise ÖVP widersetzen sich dem Ruf, einige der bedürftigen Menschen in Österreich aufzunehmen.

Stattdessen habe man Container und andere Hilfsgüter nach Griechenland geschickt, die laut Recherchen jedoch nicht bei den Adressaten angekommen sind. So geht es nun seit fast zwei Monaten, seitdem Moria nach Brandstiftungen in Flammen aufgegangen ist.

Nicht tatenlos zuschauen

Das will eine Reihe von österreichischen Organisationen, Initiativen und Religionsgemeinschaften, von Gemeinden, Städten und Privatpersonen nicht länger hinnehmen. In Österreich gebe es ausreichend Platz für Menschen aus Moria und anderswo im EU-Grenzstaat Griechenland, sagt Stefan Sengl, Mitgründer der Initiative "Courage – Mut zur Menschlichkeit", und belegt dies mit einer Landkarte, auf der zwischen Bregenz und Eisenstadt 3.188 Aufnahmeplätze ausgewiesen sind.

An jedem dieser Orte könnten sofort Menschen einziehen, sagt Sengls Mitstreiterin, die Schauspielerin Katharina Stemberger. In kürzester Zeit, von Mitte September bis Mitte Oktober, habe man all die " sicheren Plätze" organisiert – in allen Bundesländern und für Menschen mit den verschiedensten Bedürfnissen.

Angst vor Repressalien

Wohn- und Betreuungsplätze für allleinreisende Kinder und Jugendliche – derer mehrere Hundert inzwischen etwa in Deutschland aufgenommen wurden – befänden sich ebenso darunter wie familiengeeignete Quartiere mit Kindergärten und Schulen in erreichbarer Nähe.

Präzise Adressen werden auf der Karte nicht genannt. Manch Aufnahmebereiter fürchte Mobbing in sozialen Medien durch Ausländerfeinde oder andere Repressalien. Professionelle Unterkunftsgeber wie NGOs wiederum wollten sich in Richtung Innenministerium bedeckt halten.

Aufnahmefreudiges Oberösterreich

Die meisten Aufnahmeplätze befinden sich in Oberösterreich. 998 Menschen könnten dort unterkommen, gefolgt von Tirol (538), Kärnten (471), Vorarlberg (449), Wien (325), der Steiermark (285), dem Burgenland (60), Salzburg (42) und Niederösterreich (20).

Nicht eingerechnet, so Sengl, seien leerstehende Unterkünfte des Bundes wie etwa in Korneuburg oder in Steinhaus am Semmering, die für die öffentliche Hand völlig ungenutzt ins Geld gehen. Grund dafür: Aufgrund eines während der großen Fluchtbewegung 2015 vereinbarten Kündigungsverzichts des Bundes fallen dort bis 2029 rund 45.000 Euro Miete pro Monat an. (Irene Brickner, 21.10.2020)