Gerry Foitik gab den Musterschüler. Obwohl zwischen ihm und Moderator Armin Wolf fast schon ein Dickhäuter im Teenageralter Platz gehabt hätte, nuschelte sich der Rettungskommandant des Roten Kreuzes mit Schutzmaske durch sein ZiB 2-Interview – angelaufene Brillengläser inklusive.

Foitik hatte die Imagekorrektur bitter nötig. Ein paar Stunden zuvor war der Frontmann der hierzulande größten Hilfsorganisation als Schönfärber statt Streber in den Schlagzeilen aufgetaucht. In einem Ideenpapier hatte er empfohlen, künftig jene Menschen nicht mehr zu testen, die wegen eines Kontakts mit einem Corona-Fall ohne Symptome in Quarantäne sitzen. Die unter Hinweis auf den "Wintertourismus" ausgebreitete Argumentationskette: Weniger Tests führen zu weniger ausgewiesenen Infektionsfällen – und damit zu einer günstigeren Bewertung im Ausland.

Wollte der prominenteste Krisenmanager des von der türkisen Regierungshälfte fast schon eingemeindeten Roten Kreuzes eine Rutsche legen, um mit manipulierter Statistik fallende Reisewarnungen zu erkaufen? Foitiks Ausführungen verdienen eine differenziertere Betrachtung. Zweifellos hat der Urheber recht, wenn er die inkriminierte Formulierung in einem nachträglichen mea culpa "dumm" nennt. Doch auf die Ideen dahinter trifft das nicht zu.

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Zu viele Einkommen hängen an der Skisaison, um diese heilige Kuh ohne äußerste Not zu schlachten.
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Tatsächlich hat es manche Logik, die Kontaktpersonen, die so oder so in Quarantäne bleiben müssen, bei den Tests außen vor zu lassen: Wenn Ergebnisse wegen Überlastung mitunter Tage auf sich warten lassen, sollten sich die Behörden auf jene Menschen konzentrieren, für die ein positives Resultat etwas ändert. Noch vernünftiger klingt der alternative Vorschlag, die Quarantäne bei einem negativen Test nach fünf Tagen künftig zu beenden. Was für Familien, Arbeitnehmer und Unternehmen ein Segen wäre, halten auch manche Experten für durchaus vertretbar.

Rettung des Wintertourismus

Natürlich gilt es, das Für und Wider penibel zu prüfen. Doch eine Diskussion sind Foitiks Vorschläge allemal wert.

Legitim ist es auch, die Rettung des Wintertourismus zum nationalen Ziel zu erheben. Zu viele Einkommen hängen an der Skisaison, um diese heilige Kuh ohne äußerste Not zu schlachten. So sehr die Ischgler Auswüchse des Vorjahrs noch im Hinterkopf sitzen: Genauso wenig, wie es Sinn hat, aus Panik vor steigenden Infektionszahlen alle Alltagseinrichtungen von den Schulen bis zu den Geschäften zu schließen, sollten Urlaubsaktivitäten über einen Kamm geschoren werden. Das kollektive Besäufnis im Après-Ski-Stadel gehört natürlich unterbunden. Aber warum soll eine gut gelüftete und unterkühlte Gondelkabine gefährlicher sein als die Wiener U-Bahn, wo es trotz dichter Belegung offenbar kaum zu Ansteckungen kommt?

Der Verweis auf den Nutzen für den Fremdenverkehr wäre in einem Diskussionsanstoß an sich nicht deplatziert – wenn es darum geht, sachlich die Effekte einer Maßnahme aufzuzählen. Doch Foitik hat das verhängnisvolle Wörtchen "Wintertourismus" an eine Stelle gesetzt, wo erst einmal die gesundheitspolitischen Argumente kommen müssten. Diese – und das stimmt misstrauisch – fehlen in der Passage völlig.

Das Schriftl ist deshalb nicht nur für den Autor ein Giftl. Jede Lockerung im Testregime durch die Regierung wird fortan unter dem Verdacht der statistischen Trickserei stehen – selbst wenn dahinter gute Gründe stehen. (Gerald John, 20.10.2020)