Die duale Ausbildung gilt als Erfolgsmodell. Wie stark schlägt die Krise zu?

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Wenn der Lastwagenbauer MAN sein Werk in Steyr tatsächlich schließt, werden nicht nur 2.300 angestammte Mitarbeiter ihren Job verlieren. Die Schließung würde auch viele junge Menschen und das österreichische Ausbildungssystem treffen. MAN betreibt seit 1946 eine Lehrwerkstätte, mehr als 7.200 Facharbeiter wurden hier ausgebildet.

Derzeit absolvieren rund 100 Lehrlinge ihre Ausbildung bei MAN zum Metall-, Elektro- oder Fahrzeugtechniker. Dazu kommen noch dutzende Jugendliche aus anderen Betrieben, die bei MAN mit ausgebildet werden.

Noch wird darum gerungen, das Werk in Steyr offen zu halten. Doch die dramatische Entwicklung am Arbeitsmarkt lässt die Frage laut werden, wie es um die duale Ausbildung steht. Die Hiobsbotschaften kamen zuletzt vor allem aus der Industrie, wo die Lehre eine große Rolle spielt. Mayr-Melnhof schließt sein Kartonwerk in Niederösterreich, der Vorarlberger Seilbahnbauer Doppelmayr baut ebenso Stellen ab wie der Flugzeugzulieferer FACC.

Angesichts solcher Meldungen ist der Blick in die AMS-Statistiken überraschend. Die Krise ist nur in kleinen Dosen sichtbar. So liegt die Zahl der offenen Lehrstellen laut AMS nur um 33 unter dem Vorjahreswert. Derzeit suchen 8.406 Menschen eine Lehrstelle, das sind um 392 oder 4,9 Prozent mehr als vor einem Jahr. Zum Vergleich: Die Zahl der Arbeitslosen insgesamt liegt um 27 Prozent über dem Vorjahreswert.

Auch die überbetriebliche Lehre (ÜBA), bei der Bildungsträger im Auftrag des AMS die Lehrausbildung anbieten, erklärt die Entwicklung nicht. Mehreintritte im ersten Ausbildungsjahr in die ÜBA gab es nur in Wien. Die Gesamtzahl der Lehrlinge in einer ÜBA ging zurück.

Was sich verändert hat, ist, dass deutlich weniger Menschen in der Krise eine Lehre beginnen. Ende September gab es 28.999 Lehrlinge im ersten Jahr laut Wirtschaftskammer, das ist ein Rückgang um neun Prozent oder ein Minus von 2.900 Anfängern. Dass es keinen Andrang beim AMS gibt, dürfte auch mit dieser Entwicklung zusammenhängen.

Auch Industrie betroffen

Wobei fast alle Sparten betroffen sind. Im krisengeplagten Tourismus gibt es um fast ein Drittel weniger Lehranfänger, in der Industrie sind es zwölf Prozent weniger. "Das ist ein Krisensymptom", sagt Wifo-Experte Helmut Mahringer, "es werden weniger Fachkräfte ausgebildet."

Unklar ist, wo die jungen Menschen sind, ob sie eine andere Ausbildung absolvieren, nichts tun oder die Suche nach einem Lehrplatz aufgegeben haben und in die generelle Gruppe der Arbeitslosen fallen. Die Zahl der Arbeitslosen unter 25 ist insgesamt stark, um elf Prozentpunkte, auf 61.000 Betroffene gestiegen. Das AMS erfährt zwar von allen unter 18-Jährigen, die keine Ausbildung machen, um ihnen Angebote zu machen – aber erst zeitversetzt.

ÖGB-Jugendvorsitzende Susanne Hofer erwartet, dass viele Jugendliche, die sich wegen der unsicheren Lage heuer nicht um einen Platz bemühten, 2021 zusätzlich eine Lehrstelle suchen werden. Die Krise wäre also erst am Anfang. (András Szigetvari, 21.10.2020)