Mehr Geld floss im ersten Halbjahr in österreichische Einfamilienhäuser, es gab aber weniger Transaktionen als im ersten Halbjahr 2019. Grund ist das geringe Angebot.

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Der Markt für Einfamilienhäuser in Österreich war auch im ersten Halbjahr 2020 rückläufig, doch die Preise legten stark zu – nämlich im Schnitt um 8,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das ist das Ergebnis der jüngsten Kaufvertragsauswertungen von Remax und Immo United.

Konkret wurden von Jänner bis Juni 2020 in Österreich 5.017 Einfamilienhäuser ver- bzw. gekauft, die Anzahl der Verbücherungen hat sich damit um 5,4 Prozent vermindert, gegenüber dem bisherigen Rekordjahr 2018 sogar um 15,2 Prozent. Das erste Halbjahr 2020 war somit mengenmäßig nur das fünftstärkste hinter 2019, 2018, 2016 und 2015, heißt es in einer Aussendung vom Mittwoch.

In Summe wurden im ersten Halbjahr 1,56 Milliarden Euro in Einfamilienhäuser investiert, das waren um 40 Millionen Euro oder um 2,7 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2019.

Preise um 8,8 Prozent gestiegen

Ein Einfamilienhaus kostete im ersten Halbjahr im Schnitt 270.655 Euro, um 21.965 Euro oder 8,8 Prozent mehr als 2019 und um 38,5 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren. Während der letzten zehn Jahre sei die jährlich Preissteigerung im Durchschnitt bei exakt 5,0 Prozent gelegen, die 8,8 Prozent seien die zweithöchste Steigerungsrate in diesem Zeitraum, so Anton Nenning von Remax Austria.

In Niederösterreich lag der typische Preis für ein Einfamilienhaus bei 223.294 Euro, um 18.413 Euro mehr als 2019. Nach wie vor ist aber die Preis-Bandbreite in Niederösterreich enorm. Jedes vierte Einfamilienhaus kostete weniger als 110.000 Euro, am anderen Ende des Preisspektrums kostete jedes vierte Einfamilienhaus mehr als 327.811 Euro. "Während sich im unteren Preissegment mit einem Plus von 0,9 Prozent nur wenig getan hat, gibt es offensichtlich eine enorme Nachfrage nach hochwertigen Häusern in hochpreisigen Gebieten. Hier haben die Preise um 11,1 Prozent zugelegt", berichtet Remax-Österreich-Geschäftsführer Bernhard Reikersdorfer.

Regionale Schere geht zu

Über Jahre hinweg sei der Preisabstand zwischen dem billigsten und dem teuersten niederösterreichischen Bezirk immer weiter aufgegangen, bis zum Spitzenwert von 7,3 im Vorjahr: 7,3 Einfamilienhäuser im Bezirk Waidhofen/Thaya ergaben den Wert eines einzigen Hauses im Bezirk Mödling.

Heuer gab es nun erstmals eine Trendumkehr, der Faktor ist auf 6,5 gesunken. Und zwar deshalb, weil es in zwei der vier günstigsten niederösterreichischen Bezirke, Gmünd und Horn, sogar Preisrückgänge gab, während es in den anderen beiden, Waidhofen/Thaya und Zwettl, Preissprünge um bis zu 16 Prozent gab.

"Flucht aus Wien" zumindest versucht

Die Frage, ob Corona eine "Flucht aus Wien" bewirkt habe, beantworten die Experten deshalb schlicht mit Nein. Denn ein ausreichendes Angebot an Einfamilienhäusern sei dafür einfach nicht vorhanden.

"Aber es lassen sich in die Zahlen sehr wohl Versuche, auf das Land zu übersiedeln, hineininterpretieren", heißt es in der Aussendung. Remax und Immo United haben dazu die Verkäufe der ersten Halbjahre 2019 und 2020 in jenen Bezirken, die direkt an Wien grenzen (Bruck, Gänserndorf, Korneuburg, Mödling, St. Pölten Land und Tulln) oder der Bundeshauptstadt sehr nahe sind (Baden, Mistelbach), mit den anderen niederösterreichischen Bezirken verglichen. Hier zeigte sich: Von 2018 auf 2019 waren die Einfamilienhaus-Transaktionen rund um Wien im Schnitt um 5,3 Prozent zurückgegangen, in den anderen Bezirken um 7,5 Prozent gestiegen. Die Preise erhöhten sich rund um Wien um 3,0 Prozent, in den anderen Bezirken um 2,4 Prozent.

Knappes Angebot entscheidend

Ein Jahr später gingen die Transaktionen rund um Wien im Schnitt um 13,8 Prozent zurück, in den anderen Bezirken um 7,1 Prozent. Die Preise legten aber nahe Wien um 12,7 Prozent zu, in den anderen Bezirken um 3,4 Prozent. "Da mag schon ein wenig mehr Nachfrage dabei sein, aber der Hauptfaktor liegt beim knappen Angebot, nicht bei Corona", so Nenning. "Die Pandemie, die Stadtflucht-Ideen und die Preisexplosion sind in den vorliegenden Statistiken noch wie ein Storchenpaar am Hausdach einer schwangeren Frau: Auch wenn sie gleichzeitig vorhanden sind, so besteht derzeit noch keine Ursache-Wirkung-Beziehung." Nachsatz: "Aber das wird sich ändern."

Auch aus zeitlichen Gründen könnten die Auswirkungen von Corona in den Verbücherungen im ersten Halbjahr noch nicht massiv schlagend geworden sein, denn im ersten Quartal sei alles noch unproblematisch abgelaufen, im zweiten gerieten aber aufgrund des Lockdowns Kaufabschlüsse ins Stocken.

Speckgürtel wird breiter

Aktuell würden Menschen, die genügend Kapital haben, von der Großstadt in den Speckgürtel drängen, "vor allem in Kommunen mit besonders hoher Lebensqualität", berichtet Andreas Hornyik von Remax Welcome in Baden. "Das wird in Baden die Nachfrage im oberen Segment befeuern."

Und der Speckgürtel sei auch größer geworden. Wilhelm Fetscher, Gründer der Remax-DCI-Gruppe mit sechs Standorten in Tulln und in und um Wien, setzt dafür aktuell einen Radius von bis circa 60 Kilometer rund um Wien an, vorher waren es 40 Kilometer. "Zum einen ist der Wunsch nach Freifläche bzw. Freiraum gestiegen, zum anderen ist die Distanz zum Stadtbüro aufgrund von Homeworking, egal ob ständig oder teilweise, weniger wichtig und Social Distancing am Land einfacher als im städtischen öffentlichen Raum und im öffentlichen Verkehr."

Neusiedl überholt Eisenstadt

Im Preisranking der Bundesländer lag Wien im ersten Halbjahr knapp vor Tirol, Vorarlberg und Salzburg. Am billigsten waren Einfamilienhäuser im Burgenland und in der Steiermark. Im Burgenland wurde die Landeshauptstadt Eisenstadt erstmals vom Bezirk Neusiedl überholt, auch wegen starken Interesses von Käufern aus der Slowakei, vor allem Bratislava, und Ungarn. Der Durchschnittspreis im Bezirk Neusiedl stieg erstmals über 200.000 Euro. Stark legten auch die Preise in Vorarlberg zu, im westlichsten Bundesland gab es nach Wien (16,3 Prozent) die stärkste Verteuerung (8,3 Prozent).

Derzeit (Stand Oktober 2020) werden laut Remax-Web-Radar in Österreich rund 7.050 Einfamilienhäuser zum Kauf angeboten, um 23,5 Prozent weniger als vor einem Jahr. "Das geringere Angebot im letzten Jahr ist – neben der weiterhin guten Nachfrage – hauptverantwortlich für die spürbaren Preissteigerungen im ersten Halbjahr 2020. Wir gehen aktuell aber davon aus, dass es sowohl beim Angebot als auch bei den Einfamilienhauspreisen in den nächsten zwölf Monaten zu einer Entspannung kommen wird", so Reikersdorfer. (red, 21.10.2020)