Impulsive Diskussionen, warum ein Fuchs aussieht wie ein Pferd, gehören dazu. Ebenso aufgeregtes Gestikulieren von Kopf bis Fuß oder entnervte Aufforderungen à la "Fang endlich an, die Zeit läuft". All das vereint der österreichische Spieleklassiker Activity aus dem Hause Piatnik. Vor 30 Jahren brachte der Wiener Verlag das Spiel auf den Markt, es folgte ein nach wie vor andauernder Erfolgslauf.

Zwei Ehepaare erfanden "Activity" aus Langeweile gegen die Langeweile. 30 Jahre später hat sich das Spiel mehr als zehn Millionen Mal verkauft.
Foto: Heribert Corn

Rund zehn Millionen Mal verkaufte sich das Spiel weltweit, und es wurde in 13 Sprachen übersetzt. Es gibt 20 Varianten, von einer Juniorversion über Verbrechen- und Reisethemen bis hin zu einer Edition nur für Erwachsene mit erotischen Begriffen und Schimpfwörtern. Das Konzept ist einfach. Begriffe müssen unter Zeitdruck erraten werden, die ein anderer Spieler malt, erklärt oder pantomimisch darstellt. Kein langwieriges Entwickeln von Strategien, um viele Stunden später irgendeine kleine Insel immer noch nicht erobert zu haben.

Fast biblischen Ursprungs

Seinen Ursprung nahm alles mit Josef und Maria – allerdings nicht die beiden aus dem Stall in Bethlehem. Bei einem gemeinsamen Urlaub in der Obersteiermark kamen die Ehepaare Maria und Josef Ernst Führer sowie Ulrike und Paul Catty aus Langeweile gegen die Langeweile auf die Idee zu dem Spiel. "In der Gegend macht das Bundesheer Testflüge, weil dort so wenig los ist", erzählt Piatnik-Geschäftsführer Dieter Strehl im Gespräch mit dem STANDARD über die Entstehung. Activity sei ein Volltreffer gewesen, man habe aber auch andere Klassiker wie DKT, Trivial Pursuit und Tick Tack Bumm im Talon.

Wie wirkt sich die Corona-Krise auf so ein Unternehmen aus? "Brettspiele waren vorher schon in. Während des Lockdowns schoss die Nachfrage rasant in die Höhe, die Puzzles waren sofort ausverkauft", sagt Strehl, der den Familienbetrieb seit 1995 leitet. Der Chef rechnet sozusagen mit spielerischem Umsatzwachstum von mehr als 20 Prozent. Rund 36 Millionen Euro wären das. "Abgerechnet wird am Schluss" – so wie beim Tarock, übrigens Strehls persönliches Lieblingsspiel. Passenderweise stellt seine Firma die Karten her. Piatnik-Spielkarten finden sich aber ohnehin in den meisten heimischen Haushalten.

Dieter Strehl hat Piatnik 1995 übernommen und spielt selbst am liebsten Tarock.
Foto: Heribert Corn

Spielzeughandel schwer getroffen

Weniger rosig sah es im Frühjahr für die stationären Spielzeughändler aus. "Der Lockdown war ein Horrorszenario. Große Spielzeugkonkurrenten wie Interspar und Müller durften in der zweitwichtigsten Phase des Jahres (vor Ostern, Anm.) offen haben und wir nicht", sagt WKO-Spartenobmann für Papier- und Spielwarenhandel, Johannes Schüssler. Er dürfe sich aber nicht beschweren, weil das Geschäft wieder gut angelaufen sei. "Trotz der extremen Konkurrenz durch den Onlinehandel honoriert der Konsument persönliche Beratung im Geschäft."

Der Trend gehe hin zu qualitativ hochwertigem und nachhaltigem Spielzeug. Schüssler, der in der Steiermark selbst ein Spielzeuggeschäft betreibt, erklärt sich die rasche Erholung mit übergebliebenem Geld: "Ohne Urlaub und mit weniger Restaurantbesuchen bleibt etwas über, das floss in Spielzeug."

Insgesamt gibt es in Österreich 484 Fachhändler, die einen Umsatz von rund 340 Millionen Euro erzielen. Ausgenommen von Spielwaren Heinz mit zehn Filialen handelt es sich meist um Einzelbetriebe mit maximal vier Mitarbeitern. Schließen musste Schüssler zufolge niemand. Zumindest nicht wegen Corona, maximal altersbedingt.

Digitale Konkurrenz

Die Vermutung liegt nahe, dass die analoge Spielebranche unter dem tonangebenden Internet und Konsolenspielen leidet. Aber das ist eben nur die Vermutung. "Vor 35 Jahren gab es zehn Verlage am Markt, die im deutschen Raum 170 Spiele rausbrachten. Heute sind es 70 Verlage und rund 3.000 Spiele", erklärt Pitanik-Chef Strehl. Für ihn geht es um den Spaß und das Gruppenerlebnis: "Wer lacht schon herzhaft bei einem Ego-Shooter-Spiel." Er zieht eine andere Parallele. "Fußball wird im Online-Zeitalter ja auch noch gespielt." Dass Analog nicht weg vom Fenster ist, unterstreicht auch Marktführer Lego mit seinen Rekordzahlen.

Was braucht es, dass ein Spiel gut ist? "Das weiß man bei einem Film oder einem Buch im Vorhinein auch nicht", sagt der 60-Jährige. "Es braucht etwas Gespür und Glück." Etwas lässt sich der Spielefuchs aber entlocken: Alle müssen ohne lange Wartezeiten involviert sein, Chancengleichheit und Neuartigkeit gegeben sein. Siedler von Catan (Kosmos-Verlag ) oder Trivial Pursuit hätten viele "Experten" vorerst als viel zu kompliziert abgestempelt. "Na ja", meint er lachend.

1.000 Einsendungen im Jahr

An Input von außen scheitert es nicht. "Wir bekommen bis zu 1.000 Einsendungen von Pädagogen, Spielefans oder professionellen Erfindern", sagt Strehl. Sieht die Redaktion Potenzial, gibt es eine Spielerunde. 200 neue Artikel schaffen es letztlich jedes Jahr auf den Markt. Der Slogan "Ich geh spielen" bekommt also eine neue Bedeutung.

Piatnik-Spielkarten gehören praktisch zur Grundausstattung eines österreichischen Haushalts.
Foto: Heribert Corn

25 Millionen Spielkartenpakete, zwei Millionen Spiele und mehr als eine Million Puzzles verlassen jährlich den Betrieb in 72 unterschiedliche Länder. Produziert wird seit 1891 in einem Jugendstil-Fabriksgebäude in Hütteldorf auf 14.000 Quadratmetern. Gegründet wurde das Unternehmen 1824 von Strehls Ururgroßvater Ferdinand Piatnik und beschäftigt heute 114 Mitarbeiter. Geht es so weiter, diskutieren Menschen also auch in 30 Jahren noch, warum man einen Fuchs mit Hufen zeichnet. (Andreas Danzer, 22.10.2020)