"Homosexuelle haben ein Recht auf Familie", sagt Papst Franziskus.

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"Homosexuelle Menschen haben das Recht darauf, in einer Familie zu sein", betont Papst Franziskus in dem Dokumentarfilm "Francesco", der am Mittwoch auf dem Filmfestival von Rom uraufgeführt wurde. "Sie sind Kinder Gottes und haben das Recht auf eine Familie. Niemand sollte wegen seiner sexuellen Ausrichtung ausgeschlossen oder unglücklich werden", sagt Franziskus. Deshalb müsse ein Gesetz zu eingetragenen Lebenspartnerschaften geschaffen werden. Auf diese Weise seien sie rechtlich abgesichert. "Dafür habe ich mich eingesetzt." Außerdem, betont der Papst in dem Film, sollten Homosexuelle in der Kirche willkommen geheißen werden.

Es ist das erste Mal überhaupt, dass sich ein Papst öffentlich für die Anerkennung homosexueller Partnerschaften ausspricht: Die Öffnung kommt im Vatikan einer kopernikanischen Wende gleich. Der Vorgänger von Franziskus, Papst Benedikt XVI., hatte noch bekräftigt, dass homosexuelle Sexualakte aus katholischer Sicht eine "schwere Sünde" und "ein Verstoß gegen das Naturgesetz" seien; von gleichgeschlechtlichen Ehen oder auch nur von eingetragenen Partnerschaften wollte Joseph Ratzinger nichts hören. Homosexualität sei auch nicht mit dem Priesteramt vereinbar, stellte Benedikt XVI. klar – obwohl er genau wusste, dass in der Kirche unzählige schwule Priester tätig sind.

Öffnung unter Papst Franziskus

Der Schritt von Franziskus mag angesichts der bisher starren Haltung der katholischen Amtskirche in Sachen Homosexualität sensationell wirken – aber überraschend kommt er trotzdem nicht. Der Papst, der die Barmherzigkeit zu seinem Leitmotiv machte, hat sich in Sachen gleichgeschlechtlicher Liebe schon mehrfach betont undogmatisch gezeigt: Kaum auf den Papstthron gewählt, erklärte der Pontifex aus Argentinien gegenüber einem Vatikan-Journalisten: "Wenn eine Person homosexuell ist, den Herrn sucht und guten Willens ist – wer bin ich denn, um ihn zu verurteilen?" Moralische Gesetze seien "keine Felsblöcke, die man auf das Leben von Menschen wirft", heisst es in einem päpstlichen Schreiben Bergoglios.

Unter Papst Franziskus hat sich sogar die bisher so gestrenge Glaubenskongregation – die frühere Inquisition – in Richtung einer vorsichtigen Öffnung bewegt: Im Dezember 2019 hat die päpstliche Bibelkommission, die der Kongregation angeschlossen ist, eine 300 Seiten lange anthropologische Schrift mit dem Titel "Was ist der Mensch?" veröffentlicht, in der das Thema Homosexualität im biblischen Kontext untersucht wird. Das Resultat dieser von Franziskus in Auftrag gegebenen Exegese: Gegenüber Homosexuellen sei mehr "pastorale Aufmerksamkeit erforderlich", besonders gegenüber den einzelnen Personen. Nur so könne die Kirche ihre Mission für die Menschen erfüllen.

Keine Zustimmung zur gleichgeschlechtlichen Ehe

Allerdings: Das Ja des Papstes zur rechtlichen Anerkennung homosexueller Partnerschaften ist nicht gleichzeitig ein Ja zur gleichgeschlechtlichen Ehe. Franziskus hat während seines Pontifikats mehrfach klargestellt, dass es keine Konfusion zwischen "der von Gott gewollten Ehe zwischen Mann und Frau" und anderen Partnerschaften geben dürfe. Bergoglio hatte sich schon als Erzbischof von Buenos Aires für die juristische Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ausgesprochen – aber als der argentinische Staat im Jahr 2010 gleichgeschlechtliche Ehen ermöglichte, geißelte dies der damalige Erzbischof als "zerstörerischen Angriff auf Gottes Plan". Gleichgeschlechtliche Hochzeiten mit einem katholischen Priester wird es auch in Zukunft nicht geben, jedenfalls nicht mit dem Segen des Papstes.

Der Film "Francesco" des russischstämmigen US-Regisseurs Evgeny Afineevsky, in dem Franziskus seine Aussagen gemacht hat, widmet sich dem Leben und Wirken des argentinischen Papstes und dabei vor allem seiner sozialen Mission, etwa für Menschen am Rand der Gesellschaft, Arme und Migranten. Zudem geht es um die Rolle der Frauen und den Umgang mit nichtheterosexuellen Menschen und sexuellem Missbrauch. (Dominik Straub, 21.10.2020)