Niemand will einen zweiten Lockdown wie im März, als Geschäfte und Schulen im Land geschlossen waren und kein Unterricht stattfand. Doch zugleich sind die jüngsten Entwicklungen alarmierend: Fast 2.500 Neuinfektionen gab es zuletzt in Österreich binnen 24 Stunden, das sind Rekordwerte, und die Zahl der Hospitalisierungen steigt.

Lässt sich eine neuerliche Stilllegung des Landes verhindern – und wenn ja, wie? Diese Frage stand im Zentrum des Videotalks "STANDARD mitreden" mit Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP), dem Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) und der Ökonomin und Gesundheitsexpertin Maria Hofmarcher.

Stadtrat Hacker ließ zu Beginn mit der Ansage aufhorchen, dass ein zweiter Lockdown auszuschließen wäre, "wenn wir wollten". Seit März habe man viel dazugelernt: In Betrieben finden kaum Infektionen statt, wozu also überhaupt andenken, einen großen Teil der Wirtschaft lahmzulegen? Ebenso seien Schulen in Wahrheit für Jugendliche noch einer der sichereren Orte, auch diese sollten offen bleiben.

Wirtschaftsministerin Schramböck nannte die aktuelle Situation einen "Warnschuss". Noch sei es Zeit, einen Tsunami an Infektionen zu verhindern. "Doch dafür ist jeder in der Verantwortung", so die Ministerin. Aktuell finden 60 Prozent der Infektionen im Haushalt statt. Hier gehöre gegengesteuert und die Kontakte reduziert. "Es geht um Arbeitsplätze der Eltern, der Familien." Privat Party zu machen gehe derzeit nicht.

Fixieren wir uns auf falsche Kennzahlen?

Während im Wiener Wahlkampf die Fetzen zwischen ÖVP und SPÖ flogen, war der Ton diesmal nicht so scharf. Dennoch gerieten Schramböck und Hacker einige Male aneinander – etwa bei der Frage, welche Zahlen entscheidend sind.

Expertin Hofmarcher argumentierte, dass das Schielen auf Infektionszahlen falsch sei, viel wichtiger sei, wie die Lage in den Spitälern ist. Die Kapazitäten dort sind derzeit absolut ausreichend, so die Expertin, und zwar nicht nur was Betten betrifft, sondern auch was Personal angeht. "Alle Spitalsträger sind in der Lage, zusätzlich Kapazitäten zu mobilisieren."

Hacker pflichtete bei, die Zahl der positiven Tests sei ein "unscharfer" Gradmesser für die Pandemie. Schramböcks Replik: "Ob wir das nun akzeptieren oder nicht, aber international sind die Infektionszahlen das entscheidende Kriterium." Solange die Infektionszahlen so hoch bleiben, sei an Reisefreiheit und an Wintertourismus nicht zu denken.

Ist der Wintertourismus noch zu retten?

Das führte zum nächsten Thema, der Frage, ob es einen Lockdown light braucht, um die Wintersaison zu retten, wie das einige Hoteliers im Westen fordern. Schramböck argumentierte zwar, dass die Bedeutung des Wintertourismus nicht unterschätzt werden dürfe. Hier gehe es nicht nur um einige Liftbetreiber, sondern um Handwerker, Zulieferer, Bäcker. "Das strahlt in den gesamten Wirtschaftsstandort hinein." Einen partiellen Lockdown lehnte sie dennoch ab und schloss diesen aus wirtschaftlichen Erwägungen aus.

Hacker monierte, dass es für den Städtetourismus kein Rettungskonzept der Regierung gibt, während die ÖVP sich um den Wintertourismus bemühe. Schramböck widersprach heftig. Wie sie argumentierte: Die Antworten gibt es im Video.

Hacker räumt zudem ein, dass im Sommer in Wien Fehler passiert sind. Im Gespräch erläutert er, warum. Er spricht von einer neuen, verschärften Situation in kleineren Gemeinden in Westösterreich. Warum er frühere Sperrstunden für die Gastronomie als kontraproduktiv ansieht und aktuell nicht panisch beunruhigt ist: Auch diese Antworten gibt es im Video. Schramböck erklärt zudem, warum neue Hilfen für den Tourismussektor gut möglich sind, aber eine Debatte hier verfrüht komme und der Förderalismus in der Krise gut funktioniere. Und: Expertin Hofmarcher schildert, wie und warum das Virus die Ungleichheit in Österreich verstärkt hat. (red, 22.10.2020)